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Freizeitspione Ein Fischzug auf dem Gülper See

Nach den Küchenspionen probieren die Freizeitspione nun regionale Urlaubsangebote aus. Dazu waren sie in Schönfeld und Strodehne.

Von Ingo Freihorst 14.09.2019, 01:01

Strodehne l Morgens um 7.30 Uhr ist Treff an der Badestelle am Schönfelder See, nach dem erfrischenden Bad kann der Tag auf dem Campingplatz beginnen. Auf dem Gaskocher köchelt das Wasser für den Kaffee, die Sonne steigt langsam über die Baumwipfel, die den See säumen. Idylle pur.

Auch Freizeitspion Björn Gäde stürzt sich mit in die Fluten. Ein anstrengender Tag voller neuer Eindrücke liegt da noch vor ihm. Doch erst einmal wird gemeinsam mit Freizeitspionin Jenny Freier und Bloggerin Inka Chall aus Berlin gefrühstückt. An der frischen Luft schmeckt alles noch mal so gut. Das Zelt stellte übrigens Jennys Mutti Angela Schneider zur Verfügung – sie wohnte einst auf den Garzer Havelhöfen.

Nebenbei informiert Ricarda Ringer die Gäste über den Schönfelder Freizeitplatz. Der Platz war dieses Jahr wieder gut ausgelastet, für 2020 gibt es schon etliche Buchungen. Wohnwagen liegen im Trend, es campen hier aber auch viele Radtouristen vom nahen Elbe- und Havelradweg. Die Gemeinde besitzt selbst zwei Doppelbungalows, die Gäste können auch Kähne nutzen.

Der Aufbruch zum Gahlberg ins Brandenburgische erfolgt dann etwas überhastet, beim Plaudern wurde nicht auf die Uhr geschaut. Das Freizeitspione-Trio muss unter den letzten vier Wathosen wählen, zum Glück passen sie einigermaßen. Fischermeister Wolfgang Schröder heißt alle 14 Gäste zum Erlebnisfischen willkommen, es gibt eine kurze Einweisung. Arbeitsschutz muss sein: Bitte die Finger nicht zwischen den schweren Booten einklemmen! In den Wathosen nur langsam bewegen!

Mit „Belinda“ und „Lisa“ geht es hinaus auf den Gülper See. So heißen die beiden motorisierten Boote. Zwischen ihnen schwimmen zwei weitere schwarze stählerne Fischerboote, welche mit einem Berg Netzen und den Freizeitfischern beladen sind.

Ein Männerquartett kommt aus dem Bördekreis, der Ausflug ist ein Geschenk zum 50. Geburtstag. Zum abschließenden Fischessen kommen später auch die Frauen nach. Das Angebot fanden die Männer im Internet, der Beschenkte ist passionierter Angler.

Bald präsentiert sich vor den Augen die stille Weite des Gülper Sees. Ganz hinten in der Ferne erkennt man den Rhinower Funkturm, auch einige Häuser von Prietzen sind zu sehen. Mit seinen 573 Hektar ist er der größte See im brandenburgischen Havellandkreis, schon seit 1967 steht er unter Naturschutz. Der Trip mit dem Fischer ist für Außenstehende die einzige Möglichkeit, den See zu befahren. Ansonsten ist er für alle Wasserfahrzeuge tabu.

Des öfteren hätten Leute bei ihm nachgefragt, ob sie mal mit auf den See rauskönnten, berichtet der Fischermeister während der Fahrt von den Anfängen. Dem entsprechend wurde das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden: Weil bei den Fischzügen ohnehin viele Helfer vonnöten sind, kam vor drei Jahren die Idee zum Erlebnisfischen. Urlauber, Familien und Firmen halfen seitdem, das gemeinsame Fischen gilt auch als Therapie für Alkoholkranke.

Ansonsten kommen zum Zugnetzfischen vier bis sechs Helfer aus der Umgebung. Zur Not müssen auch mal die Motorwinden genutzt werden.

Der Gülper See ist ein Flachwassersee, entstanden in der Weichsel-Eiszeit. Seit einem halben Jahr fließt wegen der allgemeinen Trockenheit kein Wasser mehr in den See, dennoch blieb der Wasserstand relativ konstant. Wenn im Herbst wieder die Kraniche einfliegen, wird das Gewässer um 20 Zentimeter abgesenkt, was mit Hilfe der Fischtreppe geschehen wird. Bis zu 10 000 rastende Kraniche wurden hier schon gezählt. Das Gros bilden jedoch Bläss- und Saatgänse. Früher existierte am See auch eine Kormorankolonie, der Waschbär beendete ihr Dasein.

Wolfgang Schröder fischt bereits in der vierten Generation, die Familie ist seit 1900 auf dem Gahlberg ansässig, ihr hatte der See sogar gehört. 1913 wurde sie enteignet – die Havel wurde zur Wasserstraße ausgebaut. Zu DDR-Zeiten war er in der Produktionsgenossenschaft werktätiger Fischer in Brandenburg tätig, seit 1991 ist er selbständig. Er bewirtschaftet den See – die Wasserfläche umfasst 480 Hektar, der Rest ist Schilfgürtel – gemeinsam mit den Kollegen Wilfried Schulz aus Garz und Sven Ahlendorf aus Warnau. Zudem fischt er in Elbe und Havel sowie auf dem Hohennauener See.

Ein Ruhestands-Fischer aus dem Quappenwinkel geht ihm beim Abfischen mit zur Hand: Reinhard Persicke aus Kuhlhausen. In diesem Jahr gibt es elf Termine fürs Erlebnisfischen, der letzte ist am 21. September. Mehr geht nicht, denn die Termine müssen ja auch in den normalen Betriebsablauf eingetaktet werden.

Etwa hundert Meter vorm Ufer stoppen die Boote, ein Stück muss dann noch getreidelt werden, bis das Boot im flachen Schlick aufsitzt. Der See ist im Schnitt 1,2 Meter tief. Beim Treideln reicht das Wasser den Fischern bis an die Knie, der Wasserdruck presst die Wathose an den Körper. Ein komisches Gefühl. Aber man gewöhnt sich daran. Man muss vorsichtig laufen, denn der Gewässergrund ist uneben. Manche der Kuhlen stammen von gründelnden Schwänen und wo der Wind aufs Wasser trifft, ist es etwas tiefer.

Das immer wärmer werdende Klima zeitigt auch im Gülper See seine Auswirkungen: Die Quappen zum Beispiel kommen mit der Wärme nicht zurecht. In den 1950er Jahren gab es hier noch recht große Exemplare, jetzt sind nur noch kleine Quappen zu finden – für den Fischer wenig lukrativ. Besser zurecht kommen die Wollhandkrabben mit dem Klimawandel, sie nehmen immer mehr zu und werden zumeist an Asiaten verkauft.

Der Boots-Pulk trennt sich nun auf. Zwei Zugnetze werden in U-Form ausgebracht, eines ist 250 Meter lang und sieben Meter tief. Die Oberleine muss dabei immer stramm bleiben, erklärt der Fischer. Das Ausbringen darf wie später auch das Einholen zudem nicht zu schnell erfolgen.

Eine weiße Boje markiert die Mitte der beiden verknüpften Netze. Dort muss sie dann auch beim Einholen bleiben, weshalb dies von beiden Gruppen gleichmäßig erfolgen muss. Wolfgang Schröder sitzt in der Mitte und führt die beiden Unterleinen, während daneben an jeder Seite die Oberleinen von den Helfern langsam zu den Booten gezogen werden. In diesen stehen weitere Helfer, welche das Netz aufschichten. Immer wieder müssen Plötzen, Krebse oder Muscheln aus den Maschen befreit werden, sie fliegen im hohen Bogen zurück in den See. Manche überleben nicht – was wiederum die Möwen freut.

Das Netzende naht, zu erkennen am brodelnden Wasser. Fast alles Brassen, die später unverarbeitet vor allem an Ausländer verkauft werden. Knapp 20 Karpfen und ein Hecht landen ebenfalls in den Bootsbehältern. Was hier nicht mehr hineinpasst, muss vorerst im See verbleiben – allerdings im Netzgehege. Vier Stangen werden dazu vom Fischer in den Boden gebohrt und das Netz angebunden.

Zwei Fischzüge sind es am Ende, der zweite weit erfolgreicher als der erste. Auf dem Gahlberg müssen die zappelnden Fische noch ausgeladen werden, dann kommt endlich der Lohn für all die Mühe: Ein Menü mit Fischsuppe sowie gebratene Brassen- und Welsstücke an Biogemüse aus Hohennauen. Das lassen sich nun auch die Frauen der erfolgreichen und zu Recht stolzen „Fischjäger“ schmecken. Ganz so wie in uralten Zeiten: Erst geht der Mann auf die Jagd, dann wird die Beute gemeinsam verspeist.

Im Blog zu lesen unter: https://blickgewinkelt.de