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Interview Hiobsbotschaften beendeten das Jahr 2015

Über die Flutschadensbeseitigung, Schulschließungen und Personalprobleme hat Anke Schleusner-Reinfeldt mit Bernd Witt gesprochen.

11.01.2016, 16:38

Volksstimme: Wenn Sie zurückschauen auf 2015: Welche guten Nachrichten gab es denn?

Bernd Witt: Es waren schon einige! Der Wiederaufbau nach der Flut im kommunalen Bereich hat so richtig begonnen, und auch im privaten Bereich sind die Schäden fast überall behoben. Endlich konnte der Umbau der Kita in Schollene beginnen und die Modernisierung des Sanitärbereiches in Sandau und die umfangreiche Sanierung des Wuster Kindergartens erfolgen. Wir hatten eine wunderschöne Buga vor unserer Haustür, die eine willkommene Abwechslung darstellte und uns einen Hauch von blühenden Landschaften in den neuen Bundesländern aufzeigte. Es wurden viel mehr Kinder geboren, als uns die düsteren Prognosen zur demographischen Entwicklung vorhergesagt hatten.

Es gab gerade zum Ende des Jahres mit der Schließung der Filialen der Sparkassen und Volksbanken sowie der Nichtverlängerung der Ausnahmeregelungen für die Grundschule in Wust und der Förderschule in Klietz gleich mehrere Hiobsbotschaften ...

Ja, leider brachte 2015 auch Negatives für die Bürger mit sich. Hier beweist sich, dass wir Bürger in manchen Angelegenheiten tatsächlich nur noch als eine Nummer betrachtet werden. Der Mensch wird nicht mehr als Mensch gesehen, nur noch das Geld regiert die Welt. Mit den genannten Schließungen stirbt ein weiterer Teil in unseren Gemeinden. Die Diskussionen wurden bereits bei den ersten Schulschließungen ausführlich geführt. Die für diese Situation Verantwortlichen sind davon unberührt geblieben. Warum kann man denn den Schulstandort in Wust als Außenstelle von Schönhausen nicht noch verlängern? Hier müsste das Land die Situation als ein komplexes Gebilde in der Verbandsgemeinde betrachten und nicht nur separat die Schule. Denn das Problem stellt eigentlich der Kindergarten in Schönhausen dar. Hier verspricht man uns seit 2014 das Förderprogramm Stark III. Jetzt haben wir schon 2016 und noch immer gibt es keine Reaktion seitens des Landes. Und zu den Banken kann man sich auch nur fragen, warum es keine Abstimmung gibt, um wenigstens die Grundversorgung in unserem Gebiet zu sichern? Haben die Mitglieder der Volksbank darüber abgestimmt und ihre Zustimmung gegeben? Und warum hat der Landkreis als Aufsichtsgremium keinen Einfluss auf die Entscheidung der Sparkasse genommen? Warum kann man nicht solange warten, bis das neue Breitbandnetz funktionsfähig ist, womit dann wenigstens das Internet-Banking problemlos ausgeführt werden kann? Noch im Januar werde ich die Verantwortlichen beider Banken zum Gespräch einladen.

Warum konnte für die Gemeinden in diesem Jahr kein Haushalt aufgestellt werden?

Hierfür gab es einige Gründe. Zu nennen sind die Einführung der neuen Haushaltsführung Doppik. Sie lief sehr schleppend an. Zwar wurde gleich mit Beginn des Jahres 2015 doppisch gebucht, aber das ist nur ein Teil der Einführung dieses Haushaltes. Dann fehlte das geeignete Personal, bedingt durch Krankheit, Ausscheiden und durch die Altersteilzeitregelung. Dass die Gemeinden keinen Haushalt hatten, bedeutete aber nicht, dass sie nicht handlungsfähig waren. Durch eine vorläufige Haushaltsführung ist eine Haushaltsführung möglich. Die Gemeinden waren zur Sparsamkeit gezwungen oder konnten durch Beschlüsse auch Investitionen tätigen.

2016 gibt es dann wieder für alle Kommunen einen Etat?

Der Haushalt der Verbandsgemeinde als Voraussetzung ist im Entwurf fertig und kann im Januar in den Ausschüssen diskutiert und dann auch vom Rat beschlossen werden. Die Haushalte der Gemeinden werden auch vorbereitet und den Gemeinden und der Stadt Sandau im zweiten Quartal zur Verfügung gestellt.

Wie sieht es mit den Zuweisungen vom Land und den zu erwartenden Umlagen aus?

Die dafür notwendigen Eckzahlen sind als Orientierung bekannt – leider tragen sie nicht zur Verbesserung der finanziellen Situation bei.

Können Schönhausen und Wust-Fischbeck schuldenfrei bleiben?

Hierzu ist noch keine Aussage möglich. Es sind noch die individuellen Bedürfnisse der Gemeinden zu berücksichtigen. Die Gespräche dazu laufen bereits.

Immer wieder musste das Amt neues Personal suchen, warum?

Hierfür gab es leider viele Gründe. Unsere Kämmerin und auch ich waren ein halbes Jahr krank. Die Verantwortliche für die Doppik ging in ihre wohlverdiente Altersteilzeit, die Ordnungsamtsleiterin kündigte, die Probezeit des neuen Ordnungs- und Hauptamtsleiters wurde aus verschiedenen Gründen nicht verlängert. Die Personalsachbearbeiterin wurde Mutter, deren Nachfolgerin kündigte, die erste Ausschreibung für einen neuen Kämmerer brachte nicht den gewünschten Erfolg und es erfolgte eine zweite Ausschreibung. Außerdem gibt es eine langzeiterkrankte Angestellte. Ein weiterer Grund sind zusätzliche Arbeiten im Ordnungsamt und vor allem im Bauamt. Hier sind es insbesondere Aufgaben zur Beseitigung der Hochwasserschäden, die eine sehr hohe Einsatzbereitschaft aller Mitarbeiter erfordern – das ging nicht spurlos an den Kollegen vorbei. Dazu kamen die zusätzlichen Aufgaben im Einwohnermeldeamt bei der Dateneingabe der Asylsuchenden in der Erstaufnahmestelle in Klietz. Das alles macht sich in unserer sehr kleinen und schlanken Verwaltung sofort bemerkbar. Hier gilt mein besonderer Dank allen Kollegen für die sehr engagierte Mitarbeit. Ohne ihren besonderen Einsatz wären die Aufgaben nur sehr schwer zu bewältigen gewesen. Denn das eigentliche Tagesgeschäft ist auch noch zu erledigen. Dazu kommt der hohe Krankenstand bei den Erzieherinnen – dass etliche schwanger sind, ist allerdings sehr schön.

Die Gemeindesekretärinnen sind in die Verwaltung der Verbandsgemeinde übergegangen?

Nein, noch nicht. Hier wurde in Abstimmung mit den Bürgermeistern der Schritt noch nicht vollzogen. Aber das ist nur aufgeschoben.

Seit Sommer gibt es neue Bürgermeister in Schönhausen, Schollene und Klietz. Bilden sie inzwischen mit Arno Brandt aus Kamern, Henry Wagner aus Sandau und Bodo Ladwig aus Wust-Fischbeck sowie Ihnen als Bürgermeister der Verbandsgemeinde ein eingespieltes Team?

Die Zusammenarbeit klappt gut. Die Neuen wurden sofort in die Arbeit einbezogen. Und die sehr viele Arbeit schweißt zusammen. Wir versuchen gemeinsam, die anstehenden Probleme zu lösen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.

Zweieinhalb Jahre sind nun seit der Flut vergangen. Wieviel Prozent der kommunalen Schäden sind behoben?

Die Flut stellt eine Katastrophe dar – für den kommunalen und privaten Bereich. Dank des sehr guten Hilfsprogramms des Bundes und des Landes wird uns der Wiederaufbau gelingen, auch wenn es noch ein paar Jahre dauert. Noch haben nicht alle Antragsteller ihre angeforderten Mittel erhalten, insbesondere bei den Nachträgen gibt es noch Nachholebedarf – zum Teil verständlich, zum Teil nicht! Im kommunalen Bereich haben wir rund 25 Prozent der Schäden behoben. Hier geht es nicht ganz so schnell. Es sind zwar fast alle Bescheide zur 100-prozentigen Schadensregulierung eingegangen, aber die Abarbeitung gestaltet sich nicht ganz so einfach. So ist der technologische Ablauf nicht immer so, wie wir es gerne hätten. Zum Beispiel müssen erst die Abwasser- oder Wasserleitungen erneuert oder repariert werden, bevor man die Straßen instand setzt. Und bevor die Deichverteidigungswege erneuert werden, müssen die Deiche selbst fertig sein. So ist es nicht verwunderlich, dass kaum eine gemeindeeigene Straße wieder in Ordnung ist. Dafür werden wir insgesamt bestimmt noch fünf Jahre brauchen. Mit Hilfe der jetzt wirksam werdenden Projektsteuerung können wir intensiver an der Schadensbeseitigung arbeiten. Sobald das Wetter es nach der Winterpause zulässt, geht es auf den Baustellen weiter.

Zufrieden bin ich mit den Deichsanierungen. Auch über die provisorischen Instandsetzungen in Sandau oder im Bereich Klietz freue ich mich. Obwohl bis 2020 alle Deichabschnitte in unserer Verbandsgemeinde laut Landwirtschaftsminister Aeikens fertig sein sollen, hat man diese Abschnitte verstärkt. Das zeigt uns aber auch, dass wir noch einige Schwachstellen haben. Sehr aufmerksam werden wir die Sanierungen und auch die Deichpflege verfolgen.

Mit der Umwandlung der Kaserne am See in eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge muss sich Klietz der Herausforderung stellen, dass auf längere Sicht 700 Asylbewerber im Ort leben. Wie werden Mehrausgaben wie etwa für die zusätzliche Straßenbeleuchtung vom Land entschädigt und zählen die Flüchtlinge als Einwohner, so dass auch die Zuweisungen vom Land steigen?

Mit der Erstaufnahmestelle haben wir eine zusätzliche Aufgabe bekommen, der wir uns stellen. Das ist nicht ganz einfach. In erster Linie ist es ja die Aufgabe des Landes. Mit Unterstützung des Landkreises ist es bisher ganz gut gelungen, das Erstaufnahmelager zu organisieren und den Asylbewerbern eine ordentliche Unterkunft zu bieten. Die Mitarbeiter des DRK und viele Ehrenamtliche haben zur guten Entwicklung in Klietz beigetragen. Trotzdem ist es eine Herausforderung für die Gemeinde Klietz und die Bürger im Territorium, mit dieser Situation umzugehen. Es ist Fingerspitzengefühl von allen Beteiligten gefragt, um die Integration zügig umzusetzen. Es wurde ein runder Tisch zur Integration ins Leben gerufen, der bereits erste Früchte trägt.

Über eine konkrete Abrechnung der zusätzlichen Ausgaben in der Gemeinde oder Verbandsgemeinde gibt es noch keine Zusagen. Nur für die Unterbringung im Landkreis gibt es Zuweisungen. Wie wir entschädigt werden für die zusätzlichen Personal-, Sach- und Objektkosten bei der Ersterfassung gibt es noch keine Antwort. Die Asylbewerber werden als Einwohner gezählt. Finanzielle Zuwendungen werden über das Finanzausgleichsgesetz 2017 berücksichtigt – es gibt also mehr Geld!

Für Diskussionsstoff hatte 2015 die Absage des Altmärkischen Heimatfestes in Schönhausen gesorgt. Im Nachhinein betrachtet war es die richtige Entscheidung?

Ja! Dennoch ist es schade, denn das Fest wäre eine gute Chance für Schönhausen und die Verbandsgemeinde gewesen, auf unsere Region aufmerksam zu machen. Wir hatten schon einige Ideen und Vorstellungen, aber es war eine vernünftige Entscheidung.

2015 war auch das Bismarck-Jubiläumsjahr. Ist die Region diesem Anlass gerecht geworden?

Aus meiner Sicht nicht. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat bei einem der zahlreichen Besuche geäußert, er möchte 2015 zum Bismarckjahr in Sachsen-Anhalt machen. Das ist nur in einigen Veranstaltungen gelungen. So gab es am Geburtstag am 1. April zwar eine zentrale Festveranstaltung des Bundes in Berlin, aber daran teilgenommen haben aus unserer Region nur Vertreter der Bismarckstiftung und ich. Oder die Abschlussveranstaltung am 10. Dezember in der Staatskanzlei in Magdeburg – hier wurde im Vorfeld die Vertragsverlängerung zwischen Land, Landkreis, Otto-von-Bismarck-Stiftung und Gemeinde für weitere fünf Jahre abgeschlossen. Ich begrüße diesen Schritt sehr, selbst wenn hier die Gemeinde Schönhausen die größte Last zu tragen hat. Ich wünsche mir, dass zeitnah an den Ortseingängen auf den größten Sohn Schönhausens aufmerksam gemacht wird, um mehr interessierte Bürger nach Schönhausen und in unseren schönen Elb-Havel-Winkel mit seiner herrlichen Landschaft zwischen Elbe und Havel zu locken. Wir müssen uns noch viel besser vermarkten! Für die Zukunft wünsche ich mir eine noch stärkere Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Stiftung, Kirche, Landkreis und Land, vielleicht auch dem Bund. Schließlich befindet sich doch in Schönhausen die einzige Außenstelle einer Bundesstiftung in den neuen Bundesländern.

Die Kommunen sind bei der Senioren- und Jugendbetreuung, bei der Vereinsarbeit und bei Aufgaben im Grünen Bereich auf Kräfte über den zweiten Arbeitsmarkt angewiesen. Derzeit gibt es ja kaum Stellen – mit welchen neuen Maßnahmen ist zu rechnen und reicht das aus?

Auch für 2016 haben wir wieder diese Maßnahmen beantragt mit über 50 Teilnehmern. Und am 1. Dezember hatte noch eine Maßnahme mit fünf Teilnehmern begonnen. Ich hoffe, wir werden wieder durch das Jobcenter so gut unterstützt wie bisher und dass wir weiter auf die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Arbeitsförderung als Träger bauen können. Das hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt. Arbeit gibt es genug im grünen und sozialen Bereich, nicht nur durch die noch bestehenden Hochwasserschäden in allen Gemeinden. Warum dürfen nicht alle arbeitsfähigen Sozialleistungsempfänger täglich bei den vielen anfallenden Arbeiten in den Gemeinden mithelfen? Sie erhalten finanzielle Leistungen, wofür sie doch auch eingesetzt werden könnten.

Über welche Nachricht würden Sie sich zum Start in das neue Jahr freuen?

Ach, da gäbe es einige! Die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Bürger und auch Mitarbeiter ist mir wichtig. Ich wünsche mit positive Signale zu unserem Kita-Projekt in Schönhausen und dass hierfür die beantragten Stark-III-Mittel fließen, dass die Kita in Schollene bald übergeben werden kann, dass sich weitere Fachärzte in Schönhausen oder anderen Orten niederlassen, dass sich doch eine Bank entschließt, in den Orten präsent zu bleiben, und dass man friedvoll die Integration der Asylbewerber in unsere Gesellschaft begleitet.

2016 ist das letzte Jahr Ihrer Amtszeit. Haben Sie schon entschieden, wieder zu kandidieren?

Wenn meine Gesundheit es zulässt, dann auf jeden Fall. Nach meiner Zwangspause geht es mir immer besser. Also schauen wir mal. Auch wenn viele Probleme anstehen, macht mir die Arbeit Freude und den Herausforderungen stelle ich mich gern.