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Jubiläum Havelberger Sparte nun im „Rentenalter“

30 Havelberger gründeten 1955 die Kleingartensparte „Einigkeit“. Die Mitglieder der Sparte feierten jetzt deren 65-jähriges Bestehen.

Von Ingo Freihorst 29.07.2020, 01:01

Havelberg l „Mein Großvater gehörte mit zu den Gründungsmitgliedern, meine Eltern hatten hier ebenfalls ihren Garten und ich bin in der Sparte groß geworden“, blickte Vorsitzender Detlef Weidemann zurück. Drei Generationen gingen und gehen zwischen Neustädter Straße und Birkenweg also schon ihrem schönen und wichtigen Hobby nach.

Die Gründer hatten damals nicht nur das Hobby im Sinn, sondern ganz handfeste Probleme: Zehn Jahre nach Kriegsende gab es noch immer Lebensmittelkarten – jede Familie war also froh, zusätzlich etwas zu essen zu bekommen. Die Stadt Havelberg stellte den angehenden Kleingärtnern ehemaliges Ackerland zur Verfügung: 61 Parzellen mit jeweils 400 Quadratmetern, sechs mit 300 Quadratmetern und zwei mit 600 Quadratmetern.

„Damals waren die vielen Wünsche nach einem Garten kaum zu erfüllen“, führte der Vorsitzende weiter aus. Es wurden in der Anlage nicht nur Obst und Gemüse angebaut, sondern auch Hühner und Kaninchen gezüchtet. Zuständig für die Sparten war in der DDR der Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK). Seit Anbeginn weist die Sparte eine Besonderheit auf: Keine Hecke und kein Zaun versperren die Sicht auf die Parzellen. Das soll auch weiterhin so bleiben – was leider nicht bei jedem Gartenfreund auf Gegenliebe stößt.

Nicht nur die eigene Familie konnte mit der Ernte versorgt werden, der Überschuss durfte seit dem Ende der 1950er Jahre für gutes Geld an den Handel verkauft werden. Für ein Kilo Stachelbeeren gab es 4,20 Mark, für Sauerkirschen 3,55 Mark. Entsprechend wurde immer mehr angebaut: 1978 wurden 12 880 Kilogramm Obst geerntet, zehn Jahre später waren es 24812 Kilo. Die fleißigsten Gartenfreunde bekamen Urkunden und Präsente. Mit der Wende fanden die Gärtner keine Abnehmer mehr, viele Obstbäume und Beerensträucher verschwanden.

In seiner Rede zum Jubiläum blickte Detlef Weidemann auch kurz auf das gemeinsam Geschaffene zurück. Aus ausgedienten Siederohren von Dampfloks – gespendet vom RAW Stendal – wurde 1961 die Wasserleitung gebaut. Vorher gab es nur zwei Zapfstellen, nun hatten vier Parzellen einen Wasserhahn. Ab 1977 bekam jede Parzelle ihr Wasser.

Nicht nur die Leitungen wurden gemeinsam verlegt, auch die Umzäunung, die Strom- anschlüsse, die Befestigung des Hauptweges oder die Anlage der Gemeinschaftsfläche. Auf letzterer wurde jetzt auch gemeinsam gefeiert. Hier stehen nun auch eine große Holzlaube sowie ein Materialschuppen.

Seit Jahren bereiten die leerstehenden Parzellen Sorgen, aktuell sind es 15 von insgesamt 81. Viele Gartenfreunde betreuen mehrere davon, um sie weiterhin in Ordnung zu halten. Ansonsten würde sich wohl niemand mehr für diese Gärten erwärmen. Drei Parzellen bewirtschaftet die DAA.

Während der Corona-Zeit hatten sich einige Havelberger hier wieder einen Garten angeschafft. Leider sind nicht alle Parzellen auf dem neuesten Stand, erst kürzlich wurden eine Laube einer leerstehenden Parzelle mit Strom ausgestattet und ein Garten hergerichtet.

Die Sparte hat derzeit 54 aktive und 15 passive Mitglieder. 2003 belegte die „Einigkeit“ den 1. Platz beim Kreiswettbewerb des Gartenfreunde-Verbandes, welchen man inzwischen verlassen hat. Dadurch wurden 1200 Euro im Jahr eingespart.

Zum Jubiläum eingeladen war mit Friedrich-Wilhelm Mewes auch ein langjähriger Vorsitzender. Von 1978 bis 1998 hatte er der Sparte vorgestanden, musste also auch die „Klippen“ der Wendezeit „umschiffen“. Mit der deutschen Einheit kamen neue Vorschriften, die Unsicherheit wuchs. Satzung, Gartenordnung und Unterlagen waren zu aktualisieren, wobei die Partner aus der Verdener Sparte „Cluventhal“ nach Kräften halfen.

Viele Aktionen hatten die Partner gemeinsam unternommen. „Für uns gab es hier keinen Ossi oder Wessi, wir waren alle Kleingärtner“, blickte der 93-jährige einstige Vorsitzende zurück. Zum 60. Jubiläum der „Einigkeit“ waren die Verdener noch eingeladen gewesen, jetzt gibt es dort einen neuen Vorstand, welcher die Tradition leider nicht mehr bewahrt.