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Kriegsende Denkmal markiert alte slawische Grenze

Am 8. Mai werden zumeist an sowjetischen Ehrenmalen Kränze abgelegt. Anders in Sandau: Hier gedenkt man polnischer Soldaten.

Von Ingo Freihorst 10.05.2020, 13:50

Sandau l Soldaten der 1. Polnischen Armee eroberten am 4. Mai 1945 mit Hilfe sowjetischer Verbände die in Trümmern liegende Stadt Sandau. Ihnen zu Ehren wurde am 30. April 1975 ein Denkmal eingeweiht, an welchem auch jetzt zum Tag der Befreiung am 8. Mai traditionell ein Kranz abgelegt wurde.

Bürgermeister Henry Wagner erinnerte dabei mit einer Gedenkminute auch der 126 Sandauer, welche beim mehrtägigen Artilleriebeschuss sowie als weitere Kriegsopfer im fast sechs Jahre währenden Zweiten Weltkrieg verstorben waren. Eigentlich sei eine größere Gedenkveranstaltung in der Kirche geplant gewesen, doch wegen der Pandemie musste diese abgesagt werden, so der Bürgermeister. Einen Kranz legte auch Holger Köhne von der Linkspartei zu Füßen des polnischen Soldaten nieder.

Mit diesem Denkmal, welches in der DDR zum 30. Jahrestag des Kriegsendes unter großem Pomp eingeweiht worden war, hat es eine ganz besondere Bewandtnis: Der polnische Adler – der Kurica – oben auf der größten der beiden Betonstelen markiert hier an der Elbe zugleich die Grenze des einstigen Siedlungsgebietes der Slawen. Es ist mithin das westlichste Monument mit dem polnischen Staatswappen, hatte Dr. Frank Helzel aus Bad Wildungen bei seinen Forschungen herausgefunden. Noch heute erinnert der Wenddorfteich in Sandau an die Slawen (von den Deutschen auch Wenden genannt), welche auch in der Elb-Havel-Region über mehrere Jahrhunderte siedelten.

So kam es nicht von ungefähr, dass die Aufteilung der Zonengrenzen im vom Nazismus befreiten Deutschland den alten Grenzverläufen folgte. Fixiert wurden diese im Zonenprotokoll, welches von den Siegermächten am 12. September 1944 in London verfasst wurde. Mit der Kapitulation der Deutschen trat es automatisch in Kraft, die Westalliierten mussten sich aus Sachsen, Thüringen und Mecklenburg zurückziehen. Der Entwurf der Westgrenze der sowjetischen Zone kam von diesen selbst, bereits am 12. Mai 1944 akzeptierten die Amerikaner diesen Vorschlag.

Über die konkreten Hintergründe dieser Grenzziehung wurde nie offiziell informiert. Jedoch lässt Stalins Aussage in der Siegeserklärung am 9. Mai 1945 tief blicken: „Der Jahrhunderte lange Kampf der slawischen Völker um ihre Existenz und Unabhängigkeit hat mit dem Sieg über die deutschen Okkupanten und die deutsche Tyrannei geendet.“

Die Sowjets hatten ursprünglich auch Wagrien, ein altes slawisches Siedlungsgebiet in Schleswig-Holstein mit eingeschlossen. Doch wollten die Briten Fehmarn nicht herausgeben, da die Insel für sie strategisch wichtig war.

Die Polen stellten laut dem Internetlexikon Wikipedia mit bis zu etwa 330 000 Soldaten das größte ausländische Kontingent an der Seite der Roten Armee. Unter den Alliierten waren die Polen damit die siebtstärkste Armee.

Bereits ab Juli 1941 warben die Sowjets unter kriegsgefangenen Polen für die Aufstellung einer polnischen Armee an ihrer Seite, unter Leitung des polnischen Generals Władisław Anders wurden bis Anfang 1942 vier Divisionen aufgestellt. Doch sah sich der Kreml nicht in der Lage, diese Einheiten entsprechend auszurüsten und zu verpflegen. In Absprache mit den Westalliierten wurden die Polen deshalb im März 1942 in den Nahen Osten verlegt. Dort wurden sie dem britischen Nahostkommando unterstellt und an verschiedenen Kriegsschauplätzen, unter anderem in Italien, eingesetzt.

Stalin initiierte im März 1943 eine weitere Aufstellung polnischer Verbände. Deren Oberbefehlshaber wurde Zygmunt Berling, der zum Ende jenes Jahres bereits zwölf Infanteriedivisionen befehligte. Im März 1944 entstand daraus die 1. Polnische Armee, der noch zwei weitere folgen sollten. Am 21. Juli 1944 erwuchs daraus nach der Vereinigung mit den Partisaneneinheiten der kommunistischen Untergrundarmee Armia Ludowa die Polnische Volksarmee.

Nach ihrer Gründung kam die 1. Polnische Armee – auch Berling-Armee genannt – an verschiedenen deutsch-sowjetischen Kriegsschauplätzen zum Einsatz. Unter anderem wollte deren Soldaten im Spätsommer 1944 die deutsche Umklammerung Warschaus aufbrechen und den aufständischen Hauptstädtern zu Hilfe eilen. Nach einer Gegenoffensive der Wehrmacht scheiterte dieser Versuch jedoch am 23. September.

Nach der Einkesselung Berlins durch die 1. Weißrussische und 1. Ukrainische Front wurden Teile der 1. Polnischen Armee aus diesen Kämpfen herausgelöst. An der südlichen Flanke der 61. sowjetischen Armee sowie der Nordflanke der 47. sowjetischen Armee ging es in Richtung Westen weiter. Ziel war die Elbe bei Sandau, wo am Westufer seit dem 12. April die amerikanische 9. Armee Stellung bezogen hatte.

Der damalige Oberbefehlshaber der 1. Armee, Stanisław Popławski, berichtet in seiner Autobiografie „Kampfgefährten“ über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs. Danach wurden seine Soldaten durch die bei Oranienburg-Kremmen operierenden deutschen Einheiten der Gruppe Steiner zwischen dem 27. und 30. April in schwere Kämpfe verwickelt, bevor sie sich danach entlang des Havelländischen Großen Hauptkanals in die Havel-Region vorkämpfen konnten. Am 2. Mai erreichten sie Semlin, wo die Polen laut Ortschronik eine Blutspur hinterließen – und dabei nicht nur Schuldige hinrichtete, berichtete der Rathenower Heimatforscher Hans-Jürgen Wodtke kürzlich in einem Artikel zum Kriegsende in der „BraWo“.

Am Nachmittag des 3. Mai hatte die ersten Einheit der Polen – laut Befehlshaber war es die 6. Infanterie-Division – die Elbe erreicht und nahm auf Höhe Wulkau erste Kontakte zu den Amerikanern auf. Die deutsche Verteidigungslinie an der Elbe wurde dadurch geteilt. Sandau wurde anderntags mit Hilfe von Rotarmisten befreit.

Mit der Festlegung seiner westlichen Zonengrenze folgte Stalin damals auch panslawistischen Ideen. Vor allem im „polnischen Westgedanken“ wurden diese gebündelt. – Bei der Ausarbeitung der „Zonenprotokolle“ waren Polen beteiligt gewesen, sie wollten auch den alten slawischen Kultort Fehmarn haben.

Der Panslawismus entstand als Reaktion auf Bestrebungen im 19. Jahrhundert in Preußen, wonach die einzig sinnvolle Expansionsrichtung der Osten sei. Hitler griff das später auf und schrieb in „Mein Kampf“, dass er nur drei Leistungen deutscher Geschichte anerkenne. Darunter „die Erwerbung und Durchdringung des Gebietes östlich der Elbe...“