1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Faszinierend interpretierte Kammermusik

Kultur Faszinierend interpretierte Kammermusik

Der Verein Kunst im Rathaus Havelberg hat seinen Gästen wieder einmal Kunstgenuss geboten.

Von Brigitte Strugalla-Voltz 23.09.2015, 23:01

Havelberg l War das ein schöner, ein bereichernder Konzertabend! Ist schon das Engagement des Vereins „Kunst im Rathaus“ aus der Hansestadt nicht mehr wegzudenken und nicht genug zu honorieren, so ist immer wieder das „goldene Händchen“ bei der Auswahl der Künstler, bei der Vielfalt der vorgestellten Musik wirklich zu bewundern. Am Sonntagabend hat man sich allerdings selbst übertroffen. Der Kammermusikabend im Rathaussaal mit dem „Modern Cello-Piano-Duo“ wurde trotz widriger Begleitumstände – eine unnötige und ärgerliche Terminüberschneidung mit der Dommusik – ein wirklich großartiges und intensives Musikerlebnis.

Der Hamburger Clemens Kröger, Pianist und Hanseat wie aus dem Bilderbuch, hat sich vor sechs Jahren mit dem südländisch-charmanten Cellisten Daniel Sorour zusammengetan, um anspruchsvolle Literatur und unorthodoxe Arrangements zum Hören zu bringen. Und auch zum Anschauen: beide besitzen auffallend große, sensible Hände, die sie wie spielerisch über ihr Instrument gleiten lassen – und man wusste bisweilen nicht, wo man eher hinsehen sollte. Zusätzlich verfügt Sorour über eine grandiose Bogentechnik, und er spielt ein wunderschönes Cello mit klangvoller Mittellage und voluminösen Tiefen, ein Instrument von Leonhard Maussiel von 1749.

Und die Musik? Es gab ein geschickt zusammengestelltes, anspruchsvolles Programm überwiegend moderner und spanischer Klassiker. Da waren mit Granados, De Sarasate, Cassado und natürlich De Falla die wichtigsten Komponisten vertreten. Jedes Stück wurde freundlich-kompetent und ohne Mätzchen vorgestellt. So bekam man einen Einblick in die Musik und eine Vorstellung von den Volkstänzen und dem Inhalt der zugrundeliegenden Liedtexte. Schon die ersten Takte ließen aufhorchen. Ein musikalischer Höhepunkt folgte dem anderen, virtuose Läufe und Akkordwechsel folgten auf wunderbar kantable Passagen, und das Publikum lauschte wahrhaft hingerissen. Hier sollen nur De Fallas „Feuertanz“, erinnernd an ein archaisches Ritual in einer Höhle, aus „El amor brujo (Liebeszauber)“ sowie Cassados „Saeta (Pfeil)“, angeregt durch Passionsmusik in der „semana santa“, hervorgehoben werden.

Zusätzlich oder zur Abwechslung erklangen Niccolo Paganinis geniale „Moses-Variationen auf einer Saite“, zum Beginn des zweiten Teils bewies der erste Satz aus Beethovens emotionsgeladener Sonate Nr. 3 die Interpretationsfähigkeit der Musiker im klassischen Repertoire, und außer der Reihe durften die Zuhörer noch vier ganz reizende Tierchen aus Saint-Saens „Karneval der Tiere“ bewundern. Anspruchsvoller Latin Jazz von Ricardo Lorenz und Aldo Lopez leitete zum Schlussteil über, zwei gegensätzlichen Songs aus Gershwins „Porgy and Bess-Suite“, einem herrlich lyrischen „Summertime“ und einem sarkastischen „It ain’t necesserily so“.

Die viel zu wenigen Zuhörer im Rathaussaal waren durchweg hochkonzentriert, ja schlichtweg fasziniert. Jedes Stück wurde mit heftigem Applaus bedacht, und die Musiker zeigten im Gegenzug begeisternde Spielfreude. Zwei Zugaben wurden gerne nachgereicht: erst Rimski-Korsakovs virtuos-verrückt rasende Hummel und dann, sozusagen als Gute-Nacht-Lied, eine sanfte Interpretation der berühmten „Air“ aus Bachs Orchester-Suite Nr. 3 D-Dur in einer eigenen Bearbeitung für Cello und Klavier.

Ein großes Dankeschön an die Veranstalter von „Kunst im Rathaus“ und an die Musiker für einen wunderbaren Abend bei richtig guter Musik.