1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Rennefarre macht kleine Dott unsichtbar

Kunstprojekt Rennefarre macht kleine Dott unsichtbar

Havelberg wird nicht nur in Reiseführern beschrieben, sondern auch in einem alten Kinderbuchl. Es berichtet von den wundersamen Reisen der kleinen Dott.

Von Ingo Freihorst 26.06.2016, 15:00

Havelberg l Ältere Havelberger und Heimatfreunde kennen das 1941 erschienene Kinderbuch, das damals hoch gelobt wurde: Die kleine Dott. Ihr fiel in der Johannisnacht – also am 24. Juni – die Blüte der giftigen Rennefarre in den Schuh, so dass sie unsichtbar wurde und sogar die Sprache der Tiere verstand. Auf ihrer Reise kam sie auch nach Havelberg – diese Kapitel las die Prähistorikerin Kerstin Beck aus der Prignitz am Freitag beim „Kleine-Dott-Projekt“ auf dem Künstlerhof in der Uferstraße vor.

Trotz der glühenden Hitze zwischen den Backsteinmauern hatten sich über 30 Gäste eingefunden, um zuerst der Lesung zu lauschen. Szenen aus dem Buch wechselten sich dabei ab mit Informationen über die 1895 in Kiew geborene und 1985 verstorbene Autorin Tamara Ramsay. Ihre Familie war nach dem frühen Tod des schottischstämmigen Vaters zu Verwandten nach Hamburg gezogen. Für ihr Kinderbuch recherchierte sie über Monate, als Vorlage für ihre Zeichnungen diente ein 1909 erschienener Bildband der Kunstdenkmäler der Mark Brandenburg. Auch die Havelberger Figuren ihres Buches hatten echte Vorbilder: Den Organisten Wilhelm Stürmer – er hatte den großen Stadtbrand von 1870 ausführlich beschrieben – sowie den Arzt Richard Hartwich, welcher 1904 das Prignitz-Museum gegründet hatte.

Recht ausführlich wird im Buch unter anderem die Domweihe im Jahre 1170 geschildert. Für Heimatfreunde also eine wahre Fundgrube. Doch nicht nur das: Als tiefgläubige Katholikin sah die Autorin im Menschen zwar die Krone der Schöpfung, als seine wichtigste Aufgabe sah ihn Tamara Ramsay aber in einem harmonischen Einklang mit allen Lebewesen.

„Ich finde es gut, dass das Thema endlich einmal aufgegriffen wurde, denn es ist Ur-Prignitzer Geschichte“, freute sich Roswitha Frontzek aus Kümmernitz. Es vereine Geschichte, Mystik und Umweltbewusstsein und passe darum sehr gut in die Gegenwart. Edith Schröder aus Havelberg hatte das Buch als Zwölfjährige gelesen und auch ihren Kindern und Enkeln wärmstens empfohlen. Nicht nur sie freute sich, als es nach der Wende eine Neuauflage gab. Einige der eigentlich vergriffenen Exemplare hatten die Organisatorinnen Britta Lehmann und Anke Leonhardt aus Berlin sogar noch auftreiben können, denn den Prignitz-Verlag gibt es nicht mehr.

Nach der Lesung konnten die Gäste wählen, ob sie sich von Fabian Fritz porträtieren lassen, eine Druckgrafik erwerben oder dem Steinmetz Reinhard Rogge über die Schulter schauen. Speisen und Getränke standen ebenfalls bereit – vor allem letztere standen bei den tropischen Temperaturen hoch im Kurs.

Natürlich durfte bei dem Projekt das abendliche Johannisfeuer nicht fehlen. – Man musste allerdings aufpassen, dass einem beim Tanz nicht wieder die Blüte einer Rennefarre in den Schuh fällt...