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Mediziner Auch im Ruhestand für Patienten da

Zur Buga hat er sich in die Stadt verliebt. Nun lebt Andrzej Angielczyk in Havelberg und will als Arzt im Ruhestand für Bürger da sein.

Von Andrea Schröder 17.01.2018, 17:16

Havelberg l Er ist Arzt aus Leidenschaft und das ist auch der Grund dafür, dass er sich auch mit 76 noch nicht wirklich zur Ruhe setzen will. Dafür ist Dr. med. Andrzej Angielczyk viel zu aktiv und immer noch daran interessiert, sein Wissen weiterzugeben, Patienten zu helfen. Manch einer wird sich daran erinnern, ihn bereits im Äskulap-Info-Zentrum erlebt oder zumindest darüber gelesen zu haben. In der Vortragsreihe stellte der Arzt im Herbst 2016 das Buch „Anleitung für Simulanten - Reiseführer ins Schummelland“ vor, an dem er mitgeschrieben hat.

Darin geht es darum, wie Mediziner feststellen können, ob ein Patient tatsächlich an einer Krankheit leidet oder möglicherweise nur simuliert, um vielleicht durch eine Krankschreibung dem stressigen Arbeitsalltag entfliehen zu können. Möglicherweise sind seine Rückenschmerzen psychisch bedingt und er braucht keinen Chirurgen oder Orthopäden, sondern viel besser einen Psychologen. Auch wenn das Buch, wie es der Titel schon verrät, mit Augenzwinkern geschrieben ist, so hat es doch einen ernsten Hintergrund.

Viel zu oft werde zum Beispiel operiert, ohne dass es notwendig ist, ist Andrzej Angielczyk überzeugt. Das weiß er aus seiner Jahrzehnte langen Erfahrung als Unfallchirurg und Orthopäde und als Sozialmediziner. Noch heute arbeitet er als Gutachter für das Sozialmedizinische Institut Berlin-Wilmersdorf und hat sich spezialisiert auf diesem Gebiet. Ein Buch darüber ist in Arbeit. Im Sommer soll es fertig sein.

Sein Wissen will der gebürtige Warschauer in seiner neuen Wahlheimat Havelberg gern den Menschen zukommen lassen. Einerseits bei Vorträgen im Rathaus, andererseits in einer wöchentlichen Sprechstunde, in der er sozialmedizinisch berät. Wann lohnt sich eine Kur? Wann ist es ratsam, eine Zweitmeinung einzuholen? Was heißt Erwerbsfähigkeit, was Arbeitsfähigkeit? Wann lohnt es sich, einen Rentenantrag zu stellen? Was steht überhaupt im Arztbrief drin?

„Ich weiß, dass bei all diesen Fragen eine große Lücke klafft, deshalb möchte ich die Beratung anbieten“, erklärt der Arzt im Gespräch mit der Volksstimme. Auch orthopädische Beratung gibt er gern. Dabei handelt er nach der Devise, mit seinen zwei Händen und zwei Augen und der Möglichkeit des Gesprächs die Diagnose zu stellen. „Ich bin Jahrgang 1941 und habe als junger Mann Medizin studiert. Bei alten Professoren. Damals gab es noch keine Computer. Die Ärzte verließen sich auf das, was sie sahen, hörten und fühlten. Heute ist die Medizin kommerzialisiert, ein Patient ist auch ein Kunde."

In Lodz hat er Medizin studiert und unter anderem als Oberarzt an der orthopädischen und unfallchirurgischen Universitätsklinik in Warschau gearbeitet. Er war in Polen viele Jahre in der Opposition aktiv und bekam 1982 politisches Asyl in der BRD. Köln war sein erster Arbeitsort in Deutschland. Köllsch zu verstehen, half ihm eine Schwester. „Ich habe schon im Gymnasium deutsch gelernt und die Fachliteratur zur Orthopädie war auch in Deutsch“, berichtet er, dass ihm die Sprache nicht fremd war. Zumal er auch gern Udo Jürgens hörte und die Liedtexte übersetzte.

„Ich will nicht als schwarzes Schaf im weißen Kittel auftreten, aber ich möchte die Menschen sensibilisieren, damit sie sich trauen, nachzufragen, was mit ihnen passiert. Medizin kann helfen, sie kann aber auch Schaden anrichten“, sagt Andrzej Angielczyk. Beispiel Rückenschmerzen: „Dafür gibt es viele Ursachen. Überforderung und Stress, beruflich und privat, Streit in der Familie, Probleme am Arbeitsplatz. All das kann sich als Schmerz ausdrücken. Hier muss in organisierter Form die Diagnose gestellt werden. Das Problem ist aber, dass Ärzte oft symptomatisch behandeln, weil sie keine Zeit haben. Und für die Patienten ist es oft das Problem, dass sie, wenn sie den Arzt fragen, die Antworten gar nicht verstehen können. Auch hier will ich helfen und Befunde übersetzen.“ 13 Jahre war er auch als Rehabilitationsarzt tätig. Er weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, dass die Gefahr besteht, Patienten überzudiagnostizieren und überzutherapieren.

„Wir sind Stadtkinder und durch Zufall auf Havelberg aufmerksam geworden“, erzählt Andrzej Angielczyk von einem Besuch der Hansestadt zur Buga-Zeit. Da führte ein Spaziergang über die Stadtinsel und er und seine Frau wurden auf ein altes Haus in der Fischerstraße aufmerksam. Da er als Ausgleich zur Arbeit schon immer die Ruhe in der Natur geliebt hat, entschied sich das Ehepaar, von Berlin hierher zu ziehen. Ligia Teryks ist Grafikerin und Malerin und hat in der unteren Etage des Hauses ein Atelier eingerichtet.

„Ich fühle mich wohl hier und bin inzwischen von Kopf bis Fuß Havelberger“, nennt der Mediziner den Grund, weshalb er für seine Mitbürger da sein möchte. Ehrenamtlich bei Vorträgen im Rathaus je nach Bedarf und Aktualität von Themen sowie auf Honorarbasis als Berater. Für seine „Visite“ als moderne ganzheitliche Methode zur Begutachtung und Beratung im Gesundheitswesen ist er montags in der neu eingerichteten Physiotherapie von Monica Lemme in der Kirchstraße anzutreffen. Termine können darüber vereinbart werden.