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Metallbau Pfundts schmieden seit 250 Jahren in Klietz

Es ist sehr selten, dass sich eine Firma 250 Jahre in Familienbesitz befindet. Beim Metallbaubetrieb Pfundt in Klietz ist dies der Fall.

Von Ingo Freihorst 02.02.2021, 09:26

Klietz l Johann Friedrich Pfundt hatte am 4. Januar 1771 die damalige Huf- und Waffenschmiede in Klietz übernommen. Er hatte die Witwe Elisabeth Hartstock geheiratet – ihr verstorbener Mann hatte die Schmiede zuvor besessen. Noch immer steht die einstige Schmiede am Klietzer Kreisverkehr, nur besaß sie ursprünglich ein offenes Tor zum Beschlagen der Pferde.

Rösser werden hier jedoch seit den 1950er Jahren nicht mehr beschlagen: Der damalige Meister Wilhelm Pfundt war mit fünf Verletzungen aus dem Krieg heimgekehrt und konnte diese schwere Arbeit nicht mehr verrichten. Noch 1999 wurde ihm ein Granatsplitter herausoperiert.

1988 wechselte der Meister in den Ruhestand, seit dem 1. März des Jahres führte sein Sohn Willi Pfundt den Handwerksbetrieb fort. Deshalb blieb die Firma auch in der DDR ein privat geführter Handwerksbetrieb. Mit der Wende ergaben sich viele neue Möglichkeiten – aber auch Risiken. Aus der Schmiede wurde erst eine Bauschlosserei, heute ist es ein Metallbaubetrieb.

Türen, Tore, Zäune, Geländer und Treppen sowie Überdachungen und Spezialkonstruktionen werden in der Werkstatt im Klietzer Dorfzentrum angefertigt. Allerdings nicht mehr im 1898 erbauten einstigen Schmiedegebäude, sondern seit den 1990er Jahren in der ehemaligen Scheune, mit deren Ausbau schon Willi Pfundts Vater begonnen hatte.

Wenn der Metallbauer heute von seinem Wohnort Wulkau zur Arbeit nach Klietz oder zurück fährt, sieht er vieles, was bei ihm einst in der Werkstatt entstanden war. Zum Beispiel die Ziffernblätter der Kirchturmuhren in Wulkau, Scharlibbe und Klietz oder die Kirchturmfenster in Wulkau. Oder die Sektionaltore bei so manchen freiwilligen Feuerwehren.

Das größte Objekt, was Willi Pfundt abzuarbeiten hatte, waren die Oberlichter für die Quandt-Grundschule in Pritzwalk. Die Unternehmerfamilie Quandt stammt aus dieser Stadt, weshalb sie sich hier auch finanziell engagierte. Fürs Havelberger Rathaus schmiedete er die Fenstergitter, das nun geschlossene Krankenhaus sowie den Paradiessaal des Domes stattete seine Firma mit Stahl-Glas-Elementen aus. In der Sandauer Kirche steht sogar ein Kunstwerk aus Klietz: Der „brennende Dornbusch“ – ein Kerzenleuchter, welcher nach Vorgaben aus der Bibel geschaffen wurde.

Ob hier in Klietz einst auch Waffen geschmiedet wurden, weiß niemand mehr. Die alten Unterlagen hatten sich im Pfundtschen Wohnhaus gegenüber der Schmiede befunden, was nach dem Zweiten Weltkrieg kurzzeitig verlassen gewesen war und von Rot­armisten geplündert wurde.

Wilhelm Pfundt, der Vater von Willi Pfundt, hatte den Zweiten Weltkrieg trotz diverser Verletzungen überlebt, zuletzt wurde ihm an der Oder der Unterkiefer durchschossen. Der Opa und der Urgroßvater von Willi Pfundt hatten hingegen weniger Glück – beide kamen bei Unglücken ums Leben. Die Schmiede waren auch Mitglieder in den Feuerwehren – Ende Mai 1917 wurde Klietz von einem Dorfbrand heimgesucht. Der damals 76-jährige Schmiede- und Spritzenmeister Wilhelm Pfundt stand mit zwei weiteren Helfern an einer Spritze, als ein brennender Giebel umstürzte und die Spritzenmannschaft tötete.

Sechs Jahre später starb auch sein 1873 geborener Sohn, der ebenfalls Wilhelm Pfundt hieß: An der Kutsche des Landarztes musste kurz vor Weihnachten noch etwas geschweißt werden, was damals mit Acetylengas erfolgte. Beim Anheizen explodierte die Flasche. Der Schwerverletzte wurde mit dem Pferdewagen noch ins Krankenhaus nach Rathenow gefahren, dort verstarb er am Heiligen Abend 1923. Beide Gräber befinden sich noch immer auf dem inzwischen längst aufgelassenen Klietzer Kirchhof und werden von der Familie gepflegt. Der Feuerwehr ist auch Willi Pfundt verbunden – er ist Fördermitglied in Klietz und Wulkau.

Er wurde 1958 geboren und erlernte im Zuge der Berufsausbildung mit Abitur in Gardelegen zuerst den Beruf des Landmaschinen- und Traktorenschlossers. Nach dem Wehrdienst studierte er von 1981 bis 1985 in Berlin-Wartenberg Landtechnik, als Diplomingenieur war er danach in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Scharlibbe als Werkstattleiter tätig, zudem war er stellvertretender technischer Leiter.

Bis zu sechs Angestellte waren in seinem Metallbaubetrieb tätig, seit kurzem arbeitet Willi Pfundt jedoch allein. Trotz der Corona-Krise gibt es noch immer allerhand zu tun, ans Aufhören ist vorerst also noch nicht zu denken.