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Nachgefragt Demokratie lebt von Kompromissen

Aus für Jamaika! Was sagen Havelberger Politiker dazu? Die Volksstimme fragte, welche Lösung sie für die bessere hielten.

Von Andrea Schröder 21.11.2017, 00:01

Havelberg l „Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass sich die Parteien bei den Sondierungsverhandlungen in den Grundsätzen einigen und für eine Wahlperiode ein Bündnis schaffen“, sagte Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski (parteilos) am Montagvormittag im Gespräch mit der Volksstimme. Er sei am Morgen dann doch überrascht gewesen, dass die Verhandlungen geplatzt sind. „Damit drängen sich Fragen auf. Von einer Minderheitsregierung über eine große Koalition bis hin zu Neuwahlen ist alles möglich.“

Das Havelberger Stadtoberhaupt würde eine große Koalition gut finden, „in der die großen Volksparteien, auch wider ihren Willen, deutlich machen, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das ist für die Stabilität des Landes und der Wirtschaft wichtig. Neuwahlen wären aus meiner Sicht das absolut letzte Mittel, denn das Wahlergebnis wäre wohl ähnlich dem letzten.“

Für Wolfgang Schürmann, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Havelberg und Fraktionschef der CDU im Stadtrat, war die Nachricht vom Jamaika-Aus  mit tiefer Enttäuschung verbunden. „Das hat sich zwar am Sonntag schon abgezeichnet, aber ich hatte die Hoffnung, dass die gute Taktikerin Angela Merkel das Bündnis doch noch hinbekommt.“ Aus seiner Sicht trägt die CSU eine Mitschuld am Scheitern der Verhandlungen. „Demokratie ist Kompromissbildung. Wenn keiner von seinen Zielen ein Stück abweicht und nicht bereit ist, einen Kompromiss zu finden, ist das nicht hilfreich.“ Zu einer möglichen großen Koalition mit der SPD sagte der Havelberger Parteivorsitzende, dass er die Verweigerungshaltung der SPD nicht gut findet. Denn eine große Koalition wäre gegenüber Neuwahlen die bessere Lösung. „Neuwahlen würden bedeuten: Wir geben auf.“ Von einer Minderheitsregierung hält er nicht viel. „Diese müsste immer versuchen, Mehrheiten zu finden. Das ist ein mühsames Geschäft.“

Seine Hoffnung ist, dass der Bundespräsident nicht sofort eine Neuwahl akzeptiert und es die möglichen Regierungsparteien doch noch schaffen, eine Kompromisslinie zu finden und eine Regierung zu bilden.

Für Lothar Frontzek, Chef des Ortsverbandes des SPD Havelberg, ist es illusorisch, vier Parteien mit so viel Konfliktpotenzial zu einem Bündnis zu vereinen. „Die SPD wird sicher hart bleiben und nicht für eine große Koalition bereit stehen. Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Er finde es schwach von den Verhandlungspartnern, dass sie keinen Kompromiss finden und sich etwa an der Flüchtlingsfrage festbeißen. „Man sollte sich auf wichtige Themen konzentrieren und die Arbeit voranbringen. CDU und FDP könnten eine Minderheitsregierung riskieren. Das wäre besser als Neuwahlen.“

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Das sieht Herbert Luksch, Vorsitzender der Fraktion der Linken im Stadtrat, anders: „Ich empfehle Neuwahlen. Wenn keiner von seinen Forderungen abgeht, was auch verständlich ist, sind Zugeständnisse schwer. Ich hatte schon die Hoffnung, dass sie sich einigen. Doch müssen die Parteien genau gucken, was sie in ihren Wahlprogrammen versprochen haben und wo sie ihre Wähler enttäuschen würden.“ Den Satz von FDP-Chef Christian Linder, „besser nicht regieren als falsch regieren“, kann Herbert Luksch sehr gut nachvollziehen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir als Linke etwas verkaufen müssten, wofür wir gar nicht einstehen. Die Realität funktioniert so nicht.“ Eine Minderheitsregierung hält der Havelberger für nicht sinnvoll. „Diese Regierung müsste um jeden Antrag betteln.“