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Reumann in Aktion Mit Fontane auf Kattes Spuren

Narrenkappe, Sportdress, Anzug, Lederhose, Bikerkluft - im Schrank von Enrico Reumann findet sich so manches zum (Ver)-kleiden.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 27.06.2019, 15:17

Wust l Auch ein Zylinder. Den setzte er jetzt auf, um als Theodor Fontane durch Wust zu wandern.

Schick! Eigentlich kennt man Enrico Reumann nach Feierabend, wenn er den Versicherungsvertreter-Anzug ausgezogen hat, eher lässig. Er spielt Tischtennis, ist Vorsitzender des Karnevalvereins und auch von Traktor Wust, verkleidet sich für Comedyauftritte als Rodscha Whittaker, Rocker Enno, Maatin oder Ausbilder, ist leidenschaftlicher Biker und schlüpft bei der Wuster Sommerschule alljährlich in eine der tragenden Rollen des Theaters – irgendwie mischt Enrico Reumann überall mit.

Auch als Theodor Fontane macht er eine gute Figur. Davon überzeugten sich unlängt bei der Kunst-im-Gartensommer-Aktion in Wust ein interessiertes Publikum. Zunächst hatte es im Speicher von „Birnen und ihren fruchtigen Partnern“ gegeben. Dann füllten Gitarrenklänge und Gesang der französischen Chansonsängerin Nadia Lafi den Speicher. Auch Fontane hörte angetan zu und bat in der Konzertpause, ihm auf seiner Wanderung durch Wust zu folgen.

Gut ein Dutzend Geschichtsinteressierter machte das auch. Denn so konnte man das, was man schon mal über die Familie von Katte gehört hatte, noch einmal nachvollziehen. Vielfach ist von Liebe, Tod und Verrat die Rede. Bis heute prägt die Katte-Geschichte Wust, es gibt Relikte in der Kirche, in der Gruft liegen die Gebeine von sieben Familienmitgliedern (auch der wohl bekannteste Hans-Hermann ist dabei), auf der Insel im Park ist die letzte Bewohnerin des Herrenhauses, Katharina Meier, nach ihrem Tod in einer Urne beigesetzt worden, alljählich lädt der Geschichtskreis und die Marionettenbühne (GuM) zum Kattegedenken. Und wenn Besucher in die Kirche kommen, hören sie auch immer die Geschichte von der Hinrichtung des wohl bekanntesten von Katte – Hans Herrmann.

Der retorisch talentierte Enrico Reumann verstand es, die Zuhörer mitzunehmen auf eine Reise in die Vergangenheit. Immer wieder zitierte er die Person, die er an diesem Abend verkörperte. Denn der Dichter und Autor Theodor Fontane war auf seinen berühmten „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ auch nach Wust gekommen. In Band 3, „Havelland“, in dem es auch um Wust geht, leitet er so ein: „Wust 1707. Ein klarer Septembertag. Von Jerichow her, auf breiter Straße, deren junge Ebereschenbäume in roter Pracht stehen, kommen zwei Reiter, beide in Küraß und Klapphut, aber doch unverkennbar Herr und Diener. Der Weg führt auf Wust zu, dessen neuaufgesetzter Kirchturm eben sichtbar wird. Tausend Schritt vor dem Dorf hält der rechte Reiter, hebt sich in den Bügeln auf und blickt freudig auf das stille märkische Dorf. Er mag es wohl, er ist hier zu Haus, und da, wo das Doppeldach zwischen den Pappeln sichtbar wird, hat er gespielt. Er ist hier zu Haus; mehr noch, er ist der Herr dieses Dorfes. Seit Knabenjahren war er wenig hier, aber sooft er kam, ging es ihm ans Herz. Wann sich Katte und Friedrich II. zum ersten Mal begegneten, ist nicht bekannt. Als sie 1729 gemeinsam an privatem Unterricht in Mathematik und Mechanik teilnahmen, kamen sie sich rasch näher. Am acht Jahre älteren Katte bewunderte Friedrich II. die Weltgewandtheit. Beide interessierten sich für das Flötenspiel und die Dichtkunst. Karl Ludwig von Pöllnitz berichtet, die beiden seien miteinander umgegangen „wie ein Liebhaber mit seiner Geliebten“.

Und dann natürlich die Katte-Tragödie 1730: Während der Manövertage eines von August dem Starken in Zeithain ausgerichteten Lagers geriet der Kronprinz in heftigen Streit mit seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Auf Schloss Promnitz offenbarte Friedrich seinem Freund Katte den Plan, nach Frankreich zu fliehen, um sich der Erziehungsgewalt seines strengen und bisweilen brutalen Vaters zu entziehen. Katte versuchte zwar, ihn davon abzuhalten, unterstützte ihn aber schließlich doch. Friedrich versuchte am 5. August erfolglos zu fliehen, während Katte durch einen kompromittierenden Brief als Mitwisser entlarvt und wenig später verhaftet wurde. Das war am 1. November. Am 2. November kannte Hans Hermann von Katte sein Schicksal, am 3. begann seine Überführung nach Küstrin, am 5. mittags traf er ein, und am 6. früh fiel sein Haupt.“ Es folgte die Überführung nach Wust. In einem schmucklosen Sarg wurde Hans-Herrmann von Katte sang- und klanglos in der Gruft beigesetzt.“

Auch von Spielerkatte (gestorben 1806) und von Stiefelkatte (gestorben 1845) wusste Fontane zu berichten.

An der Gruft endete der Rundgang. Am späten Abend legte Enrico Reumann Zylinder und Anzug wieder ab. Was er tragen wird, wenn er nach intensiven Proben zur Premiere des Sommerschultheaters „Tod eines Handlungsreisenden“ Anfang August auf der Bühne des Barackentheaters steht, verrät er jetzt noch nicht. Auf jeden Fall freut er sich, dann wieder in ein neues Kostüm zu schlüpfen und für drei Vorstellungen eine andere Identität anzunehmen. Und nach dem Sommer geht es dann schon wieder weiter mit dem von ihm organisierten Oktoberfest, dem Comedy-Dinner, dem Karneval, dem Bikergottesdienst ...