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Romaniktreff 1168 als Gründungsjahr der Kirche?

Wann wurde die Sandauer Kirche errichtet? Romanik-Experte Hans-Peter Bodenstein aus Seehausen referierte dazu auf einer Matinee.

Von Ingo Freihorst 29.05.2017, 01:01

Sandau l Von den zwischen 1140 und 1240 errichteten romanischen Kirchen seien in der Altmark und dem Elb-Havel-Winkel immerhin 230 erhalten geblieben, informierte Hans-Peter Bodenstein aus Seehausen, welcher zu dieser Romanik-Matinee in die Sandauer Basilika geladen hatte. Schon 2009 hatte sich hier eine Tagung der Romanik gewidmet.

Die Kirchen der Region waren einst bis zu fünf Bistümern zugehörig: Verden, Magdeburg, Halberstadt, Havelberg und Brandenburg. Unter dem Markgrafen Albrecht dem Bären, welcher die heidnischen Slawen bezwang, begann in der Region die christliche Siedlungspolitik.

Schriftliches ist zur Bautätigkeit jener Zeit nur wenig überliefert, weshalb der Bau der Sandauer Kirche auf die Zeit „um 1200“ datiert wurde. Damals gab es keine Architekten, sondern Werkmeister, welche einen solchen Bau planten. Baupläne wurden erst Mitte des 13. Jahrhundert üblich.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den damaligen Werkmeistern und uns heute? fragte Hans-Peter Bodenstein. Er glaubt dies schon und verwies auf den Zahlengebrauch, den christlichen Glauben und das Schönheitsempfinden. Wichtig waren im Mittelalter die „sieben freien Künste“, in diesen waren die Werkmeister geschult. Auch die Schwerkraft spielte schon damals eine wichtige Rolle – ansonsten drohte der Bau einzustürzen.

Aus dem Sandau jener Zeit ist nur wenig bekannt: In Urkunden wird es bis 1192 als „villa“ bezeichnet, was Landgut oder kleines Dorf bedeutet. Als der Ort 1272 die Gerechtsame (Nutzungsrecht) an der Fähre übertragen bekommt, wird Sandau mit „civitas“ bezeichnet, was im Lateinischen für Bürgerschaft oder Stadt steht.

Ungewöhnlich groß fiel der Kirchenbau für Sandau aus. Fachleute mutmaßen, dass die Stadt das Wohlwollen des Havelberger Domstifts besaß, da sie auch bei wechselnden Elbläufen immer mit einem Elbhafen dienen konnte. Die Größe des Gotteshauses spricht für eine markgräfliche Eigenkirche, worauf auch das Patronizum St. Nikolai hindeutet. Für das Jahr 1208 ist der Aufenthalt des Markgrafen in Sandau bezeugt, bei dem es sich nur um Albrecht II., den Sohn des 1170 verstorbenen Albrecht dem Bären, handeln kann. Hatte er vielleicht die Kirchenbaustelle besichtigt?

Für eine markgräfliche Kirche sprechen neben der schieren Größe auch das Tonnengewölbe und die Empore für den weltlichen Herrn im Westturm. So könnte sich auch die Öffnung zwischen Turm und Schiff erklären: Der Markgraf konnte so den Gottesdiensten beiwohnen.

Beim Sandauer Kirchenbau entstand nach dem Einmessen und Setzen der Grundmauern zuerst der Ostteil mit Chor, Apsis und Rundbogen. Hier konnte man nach der Fertigstellung schon die Heilige Messe feiern. Im Westen wurde mit dem Turmbau begonnen, besaß dieser Mittelschiffhöhe, wurden dieses und die Seitenschiffe vom Turm her gegen den Triumphbogen aufgemauert.

Bis es jedoch soweit war, können durchaus einige Jahre ins Land gezogen sein, mutmaßte Hans-Peter Bodenstein. Denn der Bau geriet wohl aus dem Lot: Die Mittelschiffwände fielen augenscheinlich höher aus als geplant, sodass die Traufenfriese an der Naht versetzt aufeinanderstießen.

Kenntnisse zu den damals verwendeten Backsteinen nutzte der Romanik-Experte, um sich mit dem genaueren Datum des Kirchenbaus zu befassen. Zum Bau der Kirche wurden enorme Mengen an Ziegeln benötigt, welche in Feldbrandöfen unweit der Baustelle produziert wurden. Weil hier Ziegel in Massen produziert wurden, konnten auch andere Baustellen versorgt werden.

Der Transport erfolgte auf der Elbe. Ziegel mit den Sandauer Maßen finden sich in Schnackenburg, Seehausen, Schönberg und Giesenslage. Letztere beide Orte liegen heute nicht an der Elbe, wohl aber im 12. Jahrhundert – laut Heimatforscher Wolfram Bleis aus Rathenow.

Holz aus dem Dachwerk des Mittelschiffes wurde per Dendrochronologie auf 1184 datiert, die Gründung der Basilika musste also vorher erfolgt sein. Etliches spricht für das Jahr 1168 als Baubeginn: Kloster Jerichow und der Havelberger Dom stehen kurz vor der Fertigstellung, weshalb genug Kapazität vorhanden ist. Der Baustart muss unter Albrecht dem Bären erfolgt sein, auch die um 11,5 Grad abweichende Achsausrichtung spricht für den 25. Februar 1168 (der Grundriss wurde immer an einem hohen kirchlichen Feiertag ausgeschnürt). Sandau war zudem Reichsmittelpunkt.

Bei der Restaurierung im 19. Jahrhundert war man zudem auf Grabgewölbe gestoßen, was darauf hindeutet, dass Albrecht diese Basilika als Grablege seines Hauses geplant hatte. Er verstarb am 18. November 1170 in Stendal, sein Sohn dürfte sich anders entschieden haben. Aber wer weiß: Vielleicht ruhen die Gebeine des Markgrafen sogar in Sandau – seine genaue Grablege ist unbekannt.