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Schollener Betrieb Auch mit „Bio“ nicht mehr Geld

Die Umstellung des Betriebes auf biologischen Anbau brachten einem Schollener Landwirtschaftsbetrieb bisher nicht den erhofften Erfolg.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 19.11.2020, 00:01

Schollene l Gewinne? Fehlanzeige!  Auch wenn das Erntejahr 2020 nach den zwei Dürre-Sommern 2018/19 erleichtert als „normal“ bezeichnet werden kann, hat die Schollener Agrargenossenschaft unterm Strich mehr reingesteckt als rausgeholt. Dabei setzte Geschäftsführer Christian Knees voll darauf, das mit der Umstellung auf „Bio“ die erhofften „schwarzen Zahlen“ geschrieben werden. „Davon sind wir weit entfernt.“

Christian Knees will nach dem guten Erntejahr nicht zu pessimistisch klingen. „Wir bleiben natürlich auch zuversichtlich. Aber wenn man macht und tut und nichts bei rauskommt, ist das schon zum Haareraufen. Wir kommen über die Runden. Aber so langsam wollen wir für unsere Arbeit auch mal angemessen belohnt werden.“

Dabei hatte das Jahr 2020 gut angefangen. Nach zwei Jahren der Umstellung des Betriebes auf „Bio“ sowohl im Feldbau als auch in der Tierhaltung mit vielen Investionen, Überprüfungen und jeder Menge Arbeit am Schreibtisch startete die Genossenschaft in das erste „Bio-Jahr“. Dass die Ernte ohne die üblichen Düngemittel und Schädlingsbekämpfungen nicht mehr so üppig ausfallen wird, war klar – dafür aber gibt es für Bio-Produkte mehr Geld. „Pustekuchen! Der Handel hat, obwohl das Land Sachsen-Anhalt das eigentlich so will, uns die Produkte nicht als Bio abgekauft, sondern wie herkömmliches Getreide. Den Mais haben wir zum Teil für unsere Kühe siliert und den Rest in die Biogasanlagen der Region gebracht – völlig paradox! Wenn man daran denkt, wie viel Mühe man reinsteckt und dann wird das nicht gewertschätzt, tut das wirklich weh! Alle reden von Bioprodukten und wir Landwirte reagieren entsprechend – aber dann will sie niemand haben! Wer soll das verstehen?“

Genauso sieht es bei der Tierzucht aus. Die Milchkühe hatte die Genossenschaft aus wirtschaftlichen Gründen schon vor ein paar Jahren abgeschafft und stattdessen auf Mutterkuhhaltung umgestellt – heißt: die Kälber werden verkauft. Die Herde mit insgesamt 400 Tieren steht die warme Jahreszeit über draußen, im Winter wird sie rein ins Dorf geholt. Die Kühe bleiben hier im Freien, können aber jederzeit in den modernisiereten Stall, wo sie auch das Futter bekommen. „Den Stall haben wir zur Verbesserung des Tierwohles auf Stroh umgestellt. Die Tiere die längste Zeit des Jahres auf der Weide zu halten und sie dann auf Spalten zu stellen, wäre schlecht und entspräche nicht unserer Überzeugnung und den Grundsätzen, nach denen wir jetzt arbeiten“, begründet Christian Knees die Investition. Dass diese Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Bio-Kälber gedeckt werden, war die Hoffnung. „Aber Bio wollen die Zuchtbetriebe, an die wir verkaufen, gar nicht! Generell sind die Fleischpreise derzeit im Keller, weil die Gastronomie das hochwertige Edel-Fleisch wegen der coronabedingten Schließungen nicht abnimmt. Wir müssen die Kälber aber jetzt verkaufen, weil wir für sie gar kein Platz haben. Also verkaufen wir mit enormem Verlust zu den herkömmlichen Preisen – dass es sich um biologisch aufgezogene Tiere handelt, spielt keine Rolle.“

Zum schlechten Absatz kommen noch die zusätzlichen Kosten, die der Schutz der Kühe vor dem Wolf verschlingen. Die Herde ist mit einem vorgeschriebenen zwei Meter hohen Zaun eingezäunt. Die unterste der fünf stromführenden Leitungen verläuft 20 Zentimeter über dem Erdboden, damit der Wolf nicht durchkriechen kann. „Das heißt, sie muss regelmäßig freigeschnitten werden, damit das Gras nicht reinwächst und einen Kurzschluss verursacht. Allein damit sind während der Wachstumszeit zwei Mitarbeiter den ganzen Tag beschäftigt. Wenn sie einmal rum sind, fangen sie von vorn wieder an.“

Chrisitan Knees weiß, dass es wegen der Fleischpreise und der hohen Wolfschutzkosten wirtschaftlich am besten wäre, sich von den Kühen zu trennen. „Aber das wollen wir nicht. Sie gehören dazu! Und wir haben auf den Havelwiesen im Naturschutzgebiet auch genug Platz für sie. Also halten wir daran fest und hoffen, dass die Fleischpreise wieder steigen“, sagt der Geschäftsführer. Und blickt dabei nach vorn, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. „Wir sind dabei, in unserem Partnerbetrieb in Jerchel ein Schlachthaus zu bauen. Dort können wir dann das Vieh aus Jerchel und aus Schollene selbst schlachten und mit einem Verkaufswagen in die Selbstvermarktung gehen. Wir hoffen sehr, dass das angenommen wird“, bleibt Christian Knees optimistisch.

Es gibt zwischen all den Unerfreulichkeiten aber auch Lichtblicke: Als sicheres Standbein erweist sich die Lohndienstleistung. Weil in Schollene auf den leichten Böden nicht so viel zu ernten ist und die Maschinen vorhanden sind, übernimmt die Genossenschaft die Ernte oder auch Feldbearbeitung in anderen Betrieben. Noch etwas lief dieses Jahr gut an und sichert auch künftig Einnahmen: Der Verkauf von Bio-Heu an andere bio-zertifizierte Betriebe – das Heu von den Havelwiesen ist gefragt.