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Sommerschule Deutsche bauten Mississippi-Modell

Was haben Kriegsgefangene mit dem Hochwasserschutz in den USA zu tun? Dies beantwortete Cora Lee Kluge beim Vortrag der Sommerschule Wust.

Von Ingo Freihorst 11.07.2018, 18:00

Wust l Die größte Flut aller Zeiten suchte die USA nach tagelangem Dauerregen in den Jahren 1926 und 1927 heim, berichtete die Germanistikprofessorin bei ersten Vortrag  im Sommerschulspeicher. Die Katastrophe forderte 246 Tote, die Flächen standen teils bis zu neun Meter tief unter Wasser. Die unverstellbare Fläche von 70.000 Quadratkilometern Land war überflutet, die Verluste betrugen eine Milliarde Dollar (heute wären das umgerechnet 950 Milliarden Dollar). Das Einzugsgebiet des Mississippi ist das viertgrößte der Welt – es umfasst immerhin 41 Prozent der Landfläche der USA.

Damals entstand der Wunsch, das Flutgeschehen genauer vorherzusagen. In den USA ist das Ingenieurskorps der Armee für den Hochwasserschutz zuständig. Eugene Reybold, damaliger Leiter des Korps, entwickelte den Plan für ein maßstabgerechtes hydraulisches Modell des Mississippi, um Katastrophen in dessen Einzugsgebiet genauer vorhersagen zu können.

Erst kurz vorher hatten sich zwei amerikanische Ingenieure eingehender mit dem Hochwasserschutz in Europa befasst, ein Problem war, solche Begriffe wie „Buhne“ oder „Geschiebe“ ins Amerikanische zu übersetzen. Das funktionierende Mississippi-Modell entstand schließlich auf einem eine Quadratmeile großen Gelände nahe der Stadt Clinton – und hier kamen die Kriegsgefangenen ins Spiel.

Im Camp Clinton waren über die Jahre insgesamt 3000 meist deutsche Kriegsgefangene interniert, welche vor allem in Afrika gefangen genommen worden waren. Darunter befanden sich auch Generäle und Admiräle. Die Soldaten wurden von den Amerikanern beim Bau des Modells eingesetzt, insgesamt hatten am Projekt 1520 Gefangene mitgewirkt. Ausgesucht wurden diese vom Chef des Korps persönlich. Die Arbeit erfolgte übrigens nicht gratis, es gab 90 Cent pro Tag sowie Kost und „Logis“.

Freigelegt wurden für das weltweit größte hydraulische Modell fast 250 Hektar Land, 750 Kubikmeter Erde wurden bewegt und 25 Kilometer unterirdische Röhren verlegt. Seine Bewährungsprobe kam 1952, als erneut eine Überschwemmung drohte. Die Vorhersagen halfen, Schäden in Höhe von 65 Millionen Dollar zu vermeiden. 1966 war das Sechs-Millionen-Dollar-Modell fertig. 1973 wurde es nochmals benötigt, danach aber nicht mehr – das Zeitalter der Computer brach an.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich über 370.000 deutsche Kriegsgefangene in den USA. Die 511 Lager waren in allen Bundesstaaten zu finden – bis auf Vermont, Nevada und North Dakota. Insgesamt waren in den USA 426.000 Gefangene interniert, die Offiziere brauchten übrigens laut Genfer Konvention nicht zu arbeiten. Die letzten wurden 1948 entlassen.

Warum die Gefangenen in den USA interniert wurden? Dies war praktischer, als deren Essen per Schiff nach Europa zu transportieren. Und man bekam viele Arbeitskräfte.