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Streifzug Was gibt‘s denn bei den Nachbarn?

Jede Menge zu erfahren, zu sehen und zu erleben gibt es bei den Nachbarn in Wittenberge, Perleberg und Kyritz.

Von Andrea Schröder 23.10.2017, 01:01

Havelberg l Montagmittag mitten im Oktober. Die Sonne strahlt vom nahezu wolkenlosen blauen Himmel. Die Temperaturen kommen mit über 20 Grad einem Sommertag nahe. Ich habe frei und bin auf Fotopirsch bei den Nachbarn im Brandenburgischen. Für eine Verlagsbeilage kümmere mich um die Umrahmung mit Text und Bildern. Dafür wollte ich schon das ganze Jahr über auf Tour gehen. Aber die Zeit...

Bis nach Wittenberge an der Promenade mit der tollen Skulptur „Zeitreise“ hatte ich es im Sommer schon mal geschafft. Auch das Storchendorf in Rühstädt habe ich mit meinem Mann auf einer Motorradtour erkundet und wir stoppten am Gradierwerk in Bad Wilsnack. Und mit Sohn, Freundin und Enkelin Ida besuchten wir den Tierpark in Perleberg – eine wahre Idylle, im Wald gelegen.

Nun also Wittenberge. Die Innenstadt wollte ich endlich mal kennenlernen. Das war mir bisher nie gelungen und ich weiß jetzt auch: das ist nicht so einfach. Mit dem Tipp, Richtung Bahnhof zu fahren, fand ich die Einkaufszone. Und auch das Kultur- und Festspielhaus. Von den vielen schönen Veranstaltungen das ganze Jahr über habe ich schon etliche in der Zeitung angekündigt. Aber dort gewesen bin ich noch nie. Da befindet sich auch die Touristinfo und ich stecke mir einen Packen Info-Material ein. Gleich für die ganze Region.

Für einen Einkaufsbummel habe ich natürlich keine Zeit. Viele Geschäfte kann ich auch nicht ausmachen. Wieder im Auto lasse ich mich vom Navi zum „Haus der vier Jahreszeiten“ leiten. Das Jugendstil-Haus kenne ich von Bildern. Einfach mal so vorbei kommt man da nicht. Schade. Das Haus ist wirklich sehenswert. Nächste Station ist das einstige Nähmaschinenwerk. Im Internet hatte ich gelesen, dass die Uhr mit ihrem Durchmesser von 7,30 Metern als größter freistehender Uhrenturm auf dem europäischen Festland gilt. Ich fahre zur Betriebseinfahrt. Ein Pförtner sitzt in einem Häuschen vor der Schranke. Rein will ich ja nicht. Aber wenn ich nun schon mal hier bin...

Ich sage ihm, dass ich nur ein Foto vom Uhrenturm machen will. „Da melden Sie sich am besten beim Verwalter.“ Mmm, ich will doch nur ein Foto machen. Aber gut, ich gehe zum Verwalter. Vom Namen her kenne ich ihn, stelle ich dann fest. Ralf von Hagen betreibt das Blaulichtmuseum in Beuster – das ist auch einen Ausflug wert, weiß ich von einem Besuch vor etlichen Jahren. Ich erzähle, was ich will und dass ich wenig Zeit habe. Abends wartet ja noch die Info-Veranstaltung Natura 2000 in Havelberg auf mich. Im kurzen Gespräch erfahre ich, dass auf dem Werksgelände rund 40 Firmen ansässig sind. Wäre auch mal eine Geschichte wert. Mal sehen, vielleicht besuche ich ihn wieder. Er gibt mir zwei Tipps, von wo der Turm sich am besten fotografieren lässt. Ich wähle den kürzeren Weg. Die Zeit!

Auf der Rückfahrt halte ich noch an der Evangelischen Kirche an. Ihr Turm gehört zur imposanten Silhouette Wittenberges, fährt man auf der Elbebrücke auf die Stadt zu. Gern hätte ich auch reingeguckt. Doch sie ist zu. Auf dem Weg zum Auto fragt mich ein Ehepaar, ob ich mich auskenne. „Eher nicht“, sage ich, „aber fragen sie mal.“ „Wo geht‘s denn hier ins Zentrum?“. Ich muss schmunzeln und erkläre, dass ich das bisher auch nicht wusste. „Aber wenn Sie sich Richtung Bahnhof halten, sind Sie auf einem guten Weg.“

In Perleberg fahre ich gleich ins Zentrum. Hey, hier würde sich ein Einkaufsbummel sicher lohnen. Doch ich schreite zielsicher, dem Hinweis Rathaus folgend, durch die Straßen. Und stehe vor der Kirche. Es gibt viel Sehenswertes im Innern, weiß ich von meiner Recherche. Die Tür ist zum Glück offen. Schnell ein paar Fotos. Doch da habe ich nicht mit Frau Richter gerechnet. Sie will mich gern mit Wissen ausstatten und als sie erfährt, wofür ich das mache, gibt sie mir Tipps, was ich alles fotografieren soll. Ich darf auf die Kanzel und auf die Empore. Tolle Blicke auf die Glasmalereien und den geschnitzten Schutzpatron der Sankt Jacobi Kirche eröffnen sich mir. Das ist übrigens kein Privileg, das darf jeder Besucher.

Ich hole mein Heft raus und notiere, was Ros­witha Richter berichtet. Sie gibt mir viel Info-Material nicht nur zur Kirche und Tipps, was ich rings um den Marktplatz fotografieren soll. Erkenne ich das? Klar, sagt sie und kommt dennoch kurz mit raus, um mir die ältesten Bauten Perlebergs zu zeigen. Ich bin beeindruckt und erfreut über diese Hilfe. Ein wenig beschleicht mich ein schlechtes Gewissen, komme ich mir doch vor wie die Japaner. Überall ruckzuck ein Foto machen, ohne sich intensiver mit dem Objekt zu befassen. Doch die Zeit drängt. Es ist fast 17 Uhr und die Sonne geht bald unter.

Roswitha Richter erzählt mir noch, dass der Posaunenchor in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiert und bietet mir an, meine Kontaktdaten an den Leiter Dr. Andreas Draeger weiterzureichen, damit er mich über Termine informiert. Er ruft ebenso an wie Rilana Gericke vom Evangelischen Kirchenkreis Prignitz, die mich nun in ihren Presseverteiler aufgenommen hat. Die Kirchbaufahrt des Kirchenkreises führt am 28. Oktober auch ins sachsen-anhaltische Vehlgast in die frisch sanierte Kirche.

Die Rückseite des Rathauses ist faszinierend. Dann stehe ich auf dem Markt. Das Rathaus von vorn, den Roland im Rücken. Es gefällt mir in Perleberg und spätabends erzähle ich meinem Mann, dass wir da unbedingt mal hinfahren müssen.

Für Mittwoch nehme ich mir Neustadt/Dosse oder Kyritz vor. Nach getaner Zeitungsarbeit entscheide ich mich für Kyritz. Da war ich noch nie so richtig. Zumal ich – wie es der Zufall manchmal will – mittags einen Anruf vom Kulti Kyritz bekomme. Geschäftsführerin Ruth Schulze erzählt mir von einem Havelberger, der durch Zufall an einer Veranstaltung teilgenommen hat, ganz begeistert war und es bedauert, das Kulti bisher nicht gekannt zu haben. Ich kenne es auch nicht, aber ich weiß durch Pressemitteilungen, dass da oft was los ist. Und etliches davon haben wir auch schon angekündigt. Zum Beispiel die neue Ausstellung zu den Religionen der Welt. Ich verabrede mich mit ihr. Um halb vier starte ich meinen Streifzug durch Kyritz und beginne ihn im Kulti. Mit ihrer Kollegin Marina Reiche berichtet mir Ruth Schulze von der Entstehung des Kulturhauses und dem Verein, der dieses Haus ehrenamtlich betreibt. Hut ab!

In der Hoffnung, die ­Marienkirche offen vorzufinden, fahre ich als nächstes in die Altstadt. Doch die Kirche ist zu. Dafür stoße ich sofort auf den Bassewitzbrunnen. Wasser sprudelt leider nicht. An dem ebenfalls sonnigen Tag sitzen unter der Friedenseiche am Rathaus Frauen mit ihren Kindern und schleckern Eis. Ich erkläre ihnen, dass ich ein Foto machen möchte. „Oh, dann gehen wir mal aus dem Bild.“ Nein, sie sollen ruhig sitzen bleiben. Ich frage ja nur, ob sie ein Problem damit haben, mit auf dem Foto zu sein. Haben sie zum Glück nicht.

An den Info-Tafeln zur Alten Stadt erfahre ich einiges zur Historie. Aber die Zeit sitzt mir im Nacken. Die alte Stadtmauer will ich dennoch sehen. Wie ich da hin komme, erklären mir drei nette Passanten. Wieder zurück auf dem Markt, bestaune ich das alte Gebäude der Volksbank und ziehe weiter. Ein kleiner achteckiger Fachwerkbau fällt mir ins Auge. Die Schenkbox. Drin liegen Kleidung, Geschirr, Bücher. Wer was abzugeben hat, legt es dort rein. Wer etwas braucht, holt es sich raus. Coole Idee. Die Johann-Sebastian-Bach-Straße mit ihren imposanten Bürgerhäsuern wird gerade saniert. Die Arbeiten sind bald beendet, dann werden Bauten noch mehr strahlen.

Mein nächstes Ziel ist der Untersee. Ich bin die Einzige, die an dem Abend an Fährstelle und Schiffsanleger entlang wandelt. Ich sehe die Insel, die in Kyritz Insl heißt. Einen Schwan als Wassertreter kann ich erkennen. Schön wäre jetzt ein richtiger, denke ich. Oder wenigstens Enten, um im Vorderteil des Fotos Bewegung zu haben. Da höre ich es plätschern. Tatsächlich ein Schwan. Und Enten. Ich versuche sie irgendwie so zu locken, dass sie zu meinem gewünschten Fotomotiv passen. Das gelingt fast. Man kann nicht alles haben.

Was ich aber habe, sind Dutzende Fotos, diverses Info-Material und vor allem Ziele für nächste Ausflüge. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Nachbarschaft zu erkunden. Dabei habe ich ja noch nicht mal alles geschafft.