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Turmmusik Trompetentöne gegen drückende Stille

Jeden Tag um 12 Uhr ertönt in Sandau Trompetenmusik vom Kirchturm. Der Pfarrer will damit Trost in Krisenzeiten spenden.

Von Ingo Freihorst 26.03.2020, 00:01

Sandau l Ein scharfer Ostwind weht durch die Glockenstube der Sandauer Kirche. Gegen den Wind spielt Pfarrer Hartwig Janus mit seiner Taschentrompete an, weit wird der Schall hier sicher nicht getragen. Das Ostfenster war das letzte, was an dem Tag geöffnet wurde, begonnen wurde auf der Südseite, wo der Blick aufs Rathaus geht.

Denn damit die Töne überall in der Elbestadt zu hören sind, ertönt die mittägliche Turmmusik in allen vier Himmelsrichtungen. Der Pfarrer will damit Trost spenden in der Pandemie-Krise und „zeigen, dass man noch da ist, auch in Zeiten ohne Gottesdienste, Andachten oder Hausbesuche“. Auch beim Hochwasser 2013 hatte er vom Turm geblasen, doch war damals ob des geschäftigen und hektischen Treibens überall mehr von der Bedrohung zu spüren. Jetzt lastet eine unheimliche Stille schwer auf dem Land.

Der scharfe Wind kühlt die Temperaturen oben im Turm noch mehr herunter, Kälte ist schlecht für die Lippen zum Blasen. Die Finger schützen Handschuhe, die sind jetzt ohnehin auch als Schutz gegen Viren angebracht.

Mit dem Ruf aus der „Sandauer Turmmusik“ von ehemaligen Stendaler Domkantor Manfred Schlenker, einem Auftragswerk zum Turmbau, eröffnet Hartmut Janus das Mittagsständchen an jeder Schallluke. Danach folgt „Lobet den Herrn“, wo es im weiteren Text heißt „der dir Gesundheit verliehen“. Diese kann man vor allem jetzt sehr gebrauchen. Zuletzt ertönt „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Der Pfarrer bekam schon etliche positive Rückmeldungen, unten sammeln sich immer wieder Zuhörer. Sogar ein Geburtstagsständchen hatte er von hier oben schon gespielt.

Der letzte Gottesdienst war am 8. März in Garz, mit Konfirmandenvorstellung. Tags darauf tagte noch der Vorstand vom Förderverein, am Folgetag war er in Schönhausen zu den Proben für den Bläsergottesdienst. Danach wurde alles abgesagt.

Jeden zweiten Tag dreht der Pfarrer in jeweils zwei Dörfer seine Runden, aus den Hausbesuchen wurden wegen der Abstandsregelung „Türbesuche“. Aber man kommt mit den Gläubigen ins Gespräch.

Ansonsten ist die Pfarrersfamilie mit ihren vier Kindern bei der „Heim-Schule“ gut ausgelastet – wie so viele andere.

Richtig still ist es am Turm allerdings nicht: Die Dohlen machen mächtig Lärm und der Turmfalk kreist. Wie in ganz normalen Zeiten.