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Verbandsgemeinde Sparen ist kaum möglich

Die Gemeinden im Elbe-Havel-Land beschäftigen sich mit den Haushalten 2016. Die Volksstimme sprach darüber mit Bürgermeister Bernd Witt.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 06.09.2016, 15:45

Volksstimme: Es ist September und lediglich Kamern und Sandau haben einen beschlossenen Haushalt. Alle anderen Kommunen befinden sich in der Diskussion. Es wird also noch Wochen dauern, bis die Finanzen freigegeben sind. Warum dauerte es so lange, bis die Entwürfe vorgelegen haben?

Bernd Witt: Durch die erschwerte Situation mit den anfangs nur gering zur Verfügung stehenden Daten aus den Gemeinden, die ja 2015 keine Haushalte hatten, und durch die veränderten Gesetze mit der doppischen Haushaltsführung kam es zu dieser Verzögerung. Unser Kämmerer Steve Tangelmann leistet hier eine super Arbeit. Ohne den doppischen Haushalt wurden in der Vergangenheit die Entwürfe erarbeitet, den Gemeinden vorgestellt und beschlossen. Jetzt aber nehmen wir uns die Zeit, die Entwürfe zunächst mit den Bürgermeistern zu besprechen, und auch die Gemeinderäte haben mehrfach Gelegenheit, darüber zu diskutieren. Auch ohne Haushalt können dringliche Investitionen per Einzelbeschluss realisiert werden. Soweit mir bekannt ist, liegen keine wichtigen Projekte auf Eis. In allen Gemeinden haben wir auch noch genug mit der Flutschadensbeseitigung zu tun.

In diesem Jahr gibt es bis auf Kamern keine Gemeinde, die auf Anhieb einen ausgeglichenen Etat hat, fast alle brauchen ein Konsolidierungskonzept, mit dem das Minus in den kommenden Jahren ausgeglichen werden soll. Selbst Schönhausen, bislang nie in finanziellen Schwierigkeiten, ist in Schieflage geraten. Woran liegt es?

Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen sind da die immer geringer werdenden Zuweisungen vom Land, zum anderen die erhöhte Umlage an die Verbandsgemeinde. Und die trifft Schönhausen mit den vielen Einwohnern eben besonders hart mit einem Minus im sechsstelligen Bereich.

In den Räten wird vor allem die hohe Umlage an die Verbandsgemeinde kritisiert. Warum steigt sie in diesem Jahr so drastisch an?

Weil wir die flutbedingt erhöhten Personalkosten allein zu tragen haben. Bis März 2015 hatte es vom Land noch einen finanziellen Zuschuss gegeben, der weggefallen ist. Das allein sind rund 150 000 Euro im Jahr. Das zusätzliche Personal wird aber weiterhin gebraucht, um all die Arbeit zu bewältigen. Dazu kommen dann noch Investitionen wie beispielsweise der Kauf der Drehleiter für 269 000 Euro, geplant waren maximal 200 000 Euro, die Finanzierung erfolgt über einen Kredit. Aus finanzieller Sicht eine Anschaffung, die wir uns nicht leisten können, aber die Sicherheit der Bürger geht vor.

Wo sehen Sie seitens der Verbandsgemeinde Einsparmöglichkeiten?

Leicht ist das nicht deutlich sichtbar zu gestalten, wir haben noch nie auf großem Fuß gelebt. Es besteht Haushaltssperre, also jede Investition kommt auf den Prüfstand. An den Personalkosten in der Verwaltung und in den Kitas, die den größten Anteil ausmachen, können wir nicht sparen, auch in allen anderen Bereichen nicht, da sind wir schon am Limit. Den von außen hereingetragenen Vorschlag, einen zentralen Bauhof zu schaffen, trage ich nicht mit. Sicher würden wir Kosten sparen, aber das ginge auch nur zu Lasten der Gemeinden, in denen genug Arbeit anfällt.

In den Mitgliedsgemeinden immer wieder angesprochen wird die geplante Investition in Schönhausen über das Förderprogramm Stark III.

Dass hier in einigen Räten die Tatsachen nicht klar dargestellt werden, ärgert mich. Es wird ja keine neue Schule gebaut, um die Wuster Kinder aufzunehmen. Sondern es geht um den dringend nötigen Neubau eines Kindergartens. Und das jetzige Kindergartengebäude wird für den Hort benötigt. Zeitlich begrenzt sollen diese Räume vormittags für die Schule genutzt werden, weil die Schule mit den Schönhauser Kindern ausgelastet ist und die Wuster Kinder in zwei Jahren ja dazu kommen. Wir sind auf die Fördermittel angewiesen, ohne können wir nicht bauen. Die Umlage würde weiter steigen und andere Dinge könnten über Stark V nicht realisiert werden.

Wann entspannt sich die Personalsituation im Amt?

Erst, wenn der größte Teil der Schäden beseitigt ist, das dauert noch drei, vier Jahre. Solange arbeiten alle Mitarbeiter absolut am Limit. Denn die Aufgaben, die eigentlich das Hauptgeschäft darstellen, müssen ja auch erledigt werden. Ich habe einen Antrag an den Ministerpräsidenten zur Personalkostenübernahme für die Abarbeitung der Flutschäden gestellt und hoffe inständig, dass wir Gehör finden. Wir haben gerade die Sekretärinnen aus den Gemeinden in die Verbandsgemeinde übernommen. Sie sind überwiegend entsprechend der Aufgaben weiterhin in den Gemeinden beschäftigt, aber unterstützen auch in unserer Verwaltung. Das ist schon mal eine Hilfe.

Um überhaupt aus den roten Zahlen rauszukommen, sind die Kommunen gezwungen, an den ohnehin stark begrenzten Personalkosten zu sparen – zu Lasten der Jugendlichen und Senioren ...

Das soll eigentlich nicht passieren. Diese Bereiche sind schon minimal begleitet, da kann man gar nicht weiter sparen. Denn es bedeutet einen großen Verlust für die Gemeinden. Ich hoffe, dass man diese Kürzungen umgehen kann. Denn weitere Kürzungen würden die Jugendlichen und die älteren Bürger noch mehr vergraulen.

Was erwarten Sie von der Landespolitik, um aus der Misere heraus zu kommen?

Dass die Kommunen finanziell vernünftig ausgestattet werden. Da helfen zwar ein wenig die dieser Tage zusätzlichen finanziellen Mittel von 270 000 Euro für die Gemeinden im Elbe-Havel-Land, mehr aber auch nicht. Ich kann diese „Wir-schaffen-das-Politik“ nicht mehr nachvollziehen. Da werden Millionen ausgegeben, auch für millionenschwere Beraterverträge, und wir hier unten an der Basis müssen Steuern erhöhen und an 200 Euro für einen Neujahrsempfang oder an Kränzen zum Volkstrauertag sparen – das geht nicht! Ich verstehe beispielsweise auch nicht, wa­rum die Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Stendal nicht zusammengelegt werden. Alle sind nicht mal zur Hälfte belegt. Warum werden die Klietzer nicht in Stendal untergebracht, und die Kaserne wird schon vorfristig der Bundeswehr übergeben? Es gibt so einige Dinge, an denen Land und Bund sparen könnten, um das Geld an die Kommunen weiterzugeben. In punkto schnelles Internet wäre es auch das richtige Signal vom Land gewesen, das Breitbandnetz flächendeckend überall zu verlegen, ohne den Zwang zu haben, dass sich 60 Prozent der Haushalte dafür entscheiden. Ich appelliere hier noch einmal an die Bevölkerung, sich dafür zu entscheiden, sonst verbauen wir uns ein wichtiges Stück Zukunft im Elbe-Havel-Land.

In einigen Räten wurden Stimmen laut, dass man so und so nichts mehr zu entscheiden habe – da könne man aus der Verbandsgemeinde auch gleich eine Einheitsgemeinde machen. Wie stehen Sie dazu?

Natürlich ist das Konstrukt Verbandsgemeinde nicht einfach. Aber die Einheitsgemeinde würde eine weitere Beschneidung der Eigenständigkeit jeder Kommune bedeuten – ob das jede Gemeinde wirklich möchte? Sicher ist in einer Einheitsgemeinde vieles einfacher – beispielsweise statt jetzt sieben Haushalten würde es nur einen geben. Dennoch bin ich skeptisch, dass das der bessere Weg wäre.