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Vernissage Freie Sicht aus Fenstern des Rathauses

Inzwischen gibt es kaum noch Menschen, welche den Beschuss von Sandau erlebt hatten. Eine Ausstellung im Kirchturm erinnert nun daran.

Von Ingo Freihorst 16.04.2019, 15:00

Sandau l Noch immer sind die Wunden, welche der elftägige Beschuss durch die Amerikaner in Sandau hinterließ, nicht verheilt: Etliche Lücken klaffen in den einst vollständigen Häuserzeilen. Eine große Wunde jedoch konnte geschlossen werden: Der zerschossene Kirchturm ist wieder intakt. Es fehlt nur noch der Dachreiter.

In der Ausstellungsebene des Turmes öffnete am Sonnabend eine Ausstellung, welche an das für Sandau schlimme Geschehen in den letzten Kriegstagen von 1945 erinnert. Den Anstoß zur Ausstellung hatte Claus Mielke aus Genthin gegeben: Er vermittelte bei einem Kirchbesuch den Kontakt zu seinem Schwager Wieland Schmidt, dem Sohn des einstigen Genthiner Stadtplaners Gerhard Schmidt. Er besaß noch ein Kiste mit Modellhäusern, welche für den geplanten Wiederaufbau von Sandau entstanden waren. Pfarrer Hartwig Janus reichte die Kiste an Ernst Busse weiter, welcher sich mit Ex-Bürgermeisterin Berta Meyer dranmachte, die Modelle auf einem alten Stadtplan anzuordnen.

Dieser bildet nun das zentrale Exponat der Ausstellung zum Beschuss, welche jetzt eröffnet wurde. Der 13. April war bewusst gewählt: Um 13 Uhr fiel am 13. April 1945 der erste Schuss auf die bis dato unzerstörte Stadt. Es waren Panzer am anderen Elbufer, welche das Feuer eröffneten. Die ersten Geschosse schlugen auf dem Fährdamm ein, der Fährmann setzte rasch nach Sandau über. Später folgte die Artillerie, welche mit Phosphorgranaten das Stadtzentrum in Brand setzte.

„Für die Planung vom Wiederaufbau von Sandau hatte sich mein Vater extra ein Reißbrett angeschafft“, berichtete der Sohn zur Vernissage. Doch war es nie zum Wiederaufbau gekommen, die Sandauer wollten nicht warten und behalfen sich selbst. Ställe und Scheunen wurden zu Wohnhäusern, noch heute wohnt manch Sandauer im Garten. Oder am Stadtrand, wie Gerhard Bienemann. Dort, wo im Stadtzentrum sein zerstörtes Elternhaus gestanden hatte, sollte beim Wiederaufbau ein Hotel hin. Also blieb die Familie in der Königsallee.

Dank Silvio Wulfänger hatte auch das Kreisarchiv seine Pforten geöffnet. So erfuhr man, dass es gleich nach Kriegsende Pläne für den Wiederaufbau gab. Der Planer musste in kurzer Zeit unter anderem Flächen vermessen und Eigentumsfragen klären – und fuhr dazu immer mit dem Zug. Immer wieder schrieb der Kreis mahnende Briefe an den Bürgermeister: Die Einwohner mögen doch bitte warten.

Der Abtransport der Trümmer dauerte bis in die 1950er Jahre. Berta Meyer wunderte sich, warum die Stelle vorm Rathaus nicht wieder aufgebaut werden sollte. Doch wollte der Planer freie Sicht aus dessen Fenstern. Erstaunt war sie von den winzigen Details an den Häusermodellen, teils waren auf Schildern die Namen der Handwerker zu lesen.

Fotos und Chroniken – so von Lehrer Willi Berger sowie Irmgard Schmidt – gehören ebenfalls zu den Exponaten. Ebenso alte Stadtpläne, welche Olaf Wier zur Verfügung stellte, die großen Fotos an den Wänden stammen von David Heller, das Kirchmodell und den großen Stadtplan spendete das Planungsbüro von Stefan Tietke aus Havelberg.