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Vorderlader Ein Schuss benötigt hier viel Zeit

Eigentlich werden Perkussionswaffen seit 150 Jahren nicht mehr genutzt. Schützenwettkämpfe werden damit noch ausgetragen.

Von Ingo Freihorst 12.04.2017, 18:00

Kabelitz l Perkussions- und Steinschlosswaffen zählen zu den Vorderladern, mit denen am Sonntag die Kreismeisterschaften auf dem Schießstand in Kabelitz ausgetragen wurden. Die Perkussionswaffen, bei denen ein Zündhütchen den nötigen Funken zum Schuss erzeugt, waren in der Überzahl. Es gab aber auch Schützen, welche mit den noch älteren Steinschlosswaffen – hier erzeugt ein Feuerstein den Funken – schossen. Insgesamt gab es 20 Starts, wobei einige Schützen sowohl mit der Kurz- (Pistole, Revolver) als auch mit der Langwaffe (Gewehr) an den Start gingen.

Die Teilnehmer kamen von Schützenvereinen aus Stendal, Tangerhütte, Mörigen und Eichstädt, aus dem Altkreis Havelberg waren Jörg Villbrandt vom Nitzower Verein sowie Michael Schrader und Friedrich Klühe aus Kabelitz vertreten. Der Nitzower zeigte denn auch, wie eine Perkussionspistole geladen wird.

Es ist schon ein aufwendiges Prozedere, ehe der Schütze mit seinem Vorderlader auf die Zielscheibe anlegen kann. Dazu führt jeder einen Koffer mit diversen Utensilien mit sich. Zuerst wird das Schwarzpulver, was er zu Hause genau abgewogen und in dichte Ampullen gefüllt hat, durch einen Trichter in den Pistolenlauf gefüllt.

Das Hantieren mit dem Pulver ist nicht ungefährlich, weshalb jeder Vorderladerschütze einen Pulverschein besitzen muss. Dazu ist wiederum eine amtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung der Polizei erforderlich, eine Art verschärftes Führungszeugnis, erklärte Friedrich Klühe, der Vorsitzende des gastgebenden Schützenvereins.

Ist das Pulver eingefüllt, wird auf die Mündung ein rundes gefettetes oder geöltes Pflaster gelegt. Das verleiht der Kugel beim Schuss im gezogenen Lauf einen besseren Drall, auch wird der Lauf dabei schon etwas gesäubert.

Auf dieses Pflaster wird dann die Kugel gelegt. Bei Jörg Villbrandt besaß diese das Kaliber .45 (0,45 Zoll). Er schoss übrigens mit dem Nachbau einer Le Page, welche im 19. Jahrhundert als Duellwaffe genutzt wurde. Mit einem Ladehammer wird die Kugel samt Pflaster etwas in den Lauf gestopft, danach wird der Ladestock genommen, mit dem dann alles bis ans Ende des Laufes zum Pulver befördert wird. Zuletzt muss dann noch das Zündhütchen auf den Piston aufgesteckt werden, auf diesen schlägt beim Schuss der Hahn drauf.

Ehe der Schütze zum Schuss kommt, vergeht also einiges an Zeit. Insgesamt 13 Schuss dürfen pro Bahn abgegeben werden, wovon die besten zehn Treffer in die Wertung fließen. Genutzt wurden bei der Kreismeisterschaft neben Pistolen auch Revolver und Gewehre.

Gastgeber Friedrich Klühe wurde gleich mehrfacher Kreismeister: Mit seiner Steinschlosspistole brachte er es auf 91 von 100 möglichen Ringen, mit der Perkussionspistole schaffte er sogar 92 Ringe, mit dem Revolver 87 Ringe. Michael Schrader schaffte mit dem Revolver 90 Ringe.

Friedrich Klühe hatte sich intensiv mit der Waffenhistorie befasst. Er berichtete, dass beim preußischen Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm I. die Grenadiere nach zweijähriger (!) Ausbildung in der Lage waren, pro Minute immerhin neun Schuss abzugeben. Dazu wurden die Vorderlader aber in einer weit schnelleren Art geladen. Vorgegangen wurde in Reihen – während die vordere Reihe schoss, luden die hinteren nach. Das Ganze wurde so weit perfektioniert, dass es wie ein einziger Schuss klang.

Das aufwendige Laden war denn auch der Grund, warum die Vorderlader aus dem Militär verschwanden. Die Steinschlosswaffen wurden bis etwa um 1820 genutzt, die Perkussionswaffen wurden ab 1870 ausgemustert. Im deutsch-französischen Krieg, welcher 1871 mit dem Sieg der Deutschen endete, kamen die ersten Messingpatronen der Firma Werder aus Bayern zum Einsatz. Diese Munition war wesentlich schneller zu verschießen, so dass alsbald Nachschub geordert werden musste – was aber nicht so schnell klappte.