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Wildschaden Marderhund tötet sechs „Italiener“

Einem Tierhalter blutet das Herz, wenn seine gefiederten Freunde durch Raubwild gerissen werden.

Von Ingo Freihorst 01.07.2020, 01:01

Wulkau l „Das Raubwild ist hier bei uns in Wulkau in der letzten Zeit sehr aktiv geworden, nun hat sich der Marderhund bei mir auf dem Hühnerhof so richtig bedient!“ Die Aufregung steht Karl-Heinz Liermann noch immer ins Gesicht geschrieben. Er hörte den Lärm auf dem Hühnerhof, eilte dort hin und konnte den Marderhund, welcher gerade hinter dem Hahn herrannte, in den angrenzenden Wald vertreiben. Dem Hahn konnte er noch das Leben retten, für sechs Hühner der Rasse Ita­liener kam sein Eingreifen zu spät. Das geschah nicht etwa in der Dunkelheit, sondern am Vormittag gegen 9.30 Uhr.

Die Hühner waren erst ein Jahr alt gewesen. „Als Kleintierhalter bin ich von unseren Jägern enttäuscht“, ist der Wulkauer Altmeister verärgert. Schon des Öfteren hatte er bei Manfred Kuhnert, dem Leiter der örtlichen Jagdgruppe, angerufen und um Hilfe gebeten. Doch mit Verweis auf Schonzeit und Naturschutz habe dieser die Hilfe ausgeschlagen.

Der Senior ist nicht der einzige Wulkauer Tierhalter, der zu Schaden kam. Im Vorjahr hatte wahrscheinlich ein Fuchs bei Karin Witt die Glucke samt Kücken vom Nest geholt, der Räuber hatte sich unter der Wand hindurchgegraben. Bei Jürgen Lemme verschwanden eine brütende Ente samt ihrer zwölf Eier, gleiches geschah mit einer Gans.

Karl-Heinz Liermann hatte wie andere Wulkauer auch schon selbst Fallen aufgestellt, nachdem er Fuchs und Waschbär auf seinem Hof entdeckt hatte. Die ehemaligen Jäger, erinnert er sich, hätten dem Raubwild intensiver nachgestellt – wie Fritz Schenk, Förster Hans Hirsche oder Bernhard Handke. „Es ist zur Zeit eine Katastrophe!“ Denn auch das Niederwild leide unter dem Druck des Raubwildes.

Zwar sind Marderhund, Waschbär und Fuchs ganzjährig jagdbar, die Jagd auf diese Tierarten ist aber in der Brut- und Aufzuchtzeit (diese endet in der Regel am 1. Juli) ebenfalls gesetzlich verboten. Wer dagegen verstößt, zahlt bis zu 5000 Euro Bußgeld und verliert seinen Jagdschein, erklärte Manfred Kuhnert. Auch in den Orten könne den Tieren nicht nachgestellt werden, das seien befriedete Bezirke.

Eine Fallenjagd auf Fuchs und Marderhund ist nicht praktikabel, das gelingt nur bei Waschbären – oft finden sich aber auch Katzen in der Falle. Da es Lebendfallen sind, müssen diese täglich kontrolliert werden, was sehr zeitaufwendig ist. Ist ein Waschbär gefangen, muss er waidgerecht von einem Jäger erlegt werden. Ansonsten drohen bis zu drei Jahre Gefängnis und ein Tierhaltungsverbot.

Mit ihrer Raubwildstrecke brauchen sich die Wulkauer Waidgenossen nicht zu verstecken: Im vergangenen Jagdjahr, was am 31. März endete, erlegten die sieben Wulkauer Jäger 98 Stücken Raubwild, darunter 43 Waschbären und 20 Füchse, zwei Minke und zwei Marder – sowie zwei Marderhunde. Im Jahr zuvor waren es 84 Tiere gewesen, mit 42 Waschbären und 26 Füchsen. Jedes Jahr im Frühjahr beteiligen sich die Wulkauer auch an der revierübergreifenden Baujagd, welche vom Hegering organisiert wird. Dabei wurden diesmal vier Füchse gefangen, teils sogar ausgegraben. In den Orten ist das verboten. Überdies gilt Meister Reinecke als eifriger Mäusevertilger, die Landwirte sind wiederum froh über möglichst viele Füchse.

Dass die Wulkauer Waidmänner im Landkreis mit ihrer Statistik relativ gut abschneiden, ist vielleicht auch der von Gerd Schulz geleiteten Jagdgenossenschaft zu verdanken. Denn pro erlegtem Tier gibt es – natürlich mit Nachweis – eine Aufwandsentschädigung von fünf Euro. „Damit sind wir so ziemlich die einzigen in der Region“, erklärte der Wulkauer. Andere Jagdgenossenschaften zahlen dem besten Schützen eine Prämie, er findet es aber gerechter, wenn jeder Raubwild-Schütze etwas bekommt. Denn dieser hat ja auch einen gewissen Aufwand.

Gerd Schulz hatte ebenfalls schon Besuch von Waschbären, sie fraßen seine Erdbeeren ab. Drei Junge hatte er selbst in der Falle gefangen. Er würde sich freuen, wenn er umgehend Informationen von den Geschädigten bekommt, um rascher reagieren zu können.

Dass Raubwild auch am Tage durch die Orte streift, findet Kreisjägermeister Günter Scheffler aus Scharlibbe schon recht ungewöhnlich. Ebenso, dass ein Marderhund Hühner angreift. Vielleicht hänge das aber mit der Jungenaufzucht zusammen.

Während der Fuchsbestand über die Jahre gesehen schwankt, bleiben die Waschbärenbestände trotz des Jagddrucks weiterhin auf hohem Niveau – Entwarnung ist also leider nicht in Sicht.