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Premiere Näh-LAN statt W-LAN-Party

Einen Trend greift die Kuseyerin Josefine Zander jetzt auf. Sie lud Frauen zu einer „Näh-LAN-Party“ ein.

Von Siegmar Riedel 09.11.2015, 02:00

Kusey l Wenn sich Freunde von elektronischen Spielen treffen, ist das Bild immer gleich: Auf langen Tischreihen flimmern Computerbildschirme, türmen sich Getränkedosen, Kaffeekannen und anderes. Davor sitzen mehr oder weniger müde Gamer, die bis in die Nacht über die vernetzten Rechner mit ihren Tischnachbarn um den Highscore spielen. Im evangelischen Landjugendzentrum (elz) sah das am Sonnabend anders aus. Dort saßen elf Frauen an den Tischen, überall ratterten Nähmaschinen, lagen Stoffe und Schnittmuster umher.

Eingeladen zu dieser „Näh-LAN-Party“ hat Josefine Zander. „Das Nähen ist gerade wieder cool“, sagt sie. „Da dachte ich mir, warum soll jeder abends allein zuhause nähen, wir könnten uns doch zusammensetzen.“ Die Idee zur ersten Näh-Party war geboren. Josefine Zander sprach im Vorfeld mit einigen Gleichgesinnten. Die meisten der Frauen waren gleich Feuer und Flamme von der Idee. Elf von ihnen kamen am Sonnabend in das elz. Einige sind aus Kusey, andere aus Salzwedel, Celle, Wolfsburg oder Kunrau. „Jede Frau braucht einen eigenen Tisch. Deshalb ist das Maximum hier im elz schon fast erreicht“, sagt Josefine Zander.

Die englische Abkürzung W-LAN steht für ein kabelloses lokales Netzwerk von Computern. Gewissermaßen hatten sich auch die Näherinnen bei ihrer Näh-LAN-Party vernetzt. Sie tauschten, allerdings ganz ohne Rechner, Erfahrungen aus, reichten Schnittmuster aus dem Internet herum und zeigten sich gegenseitig ihre Stoffe.

Das Gros der Frauen näht für die Kinder und für sich selbst. Das ist nicht nur praktisch, sondern spart viel Geld. „Meine Tochter hat sich vergangene Woche ein Bein gebrochen, deshalb brauche ich schnell Hosen mit nur einem Hosenbein. Die gibt es nun mal nicht zu kaufen“, nennt Josefine Zander ein Beispiel. Andere Frauen an den Tischen nähten Adventskalender oder Taschen, die gerade angesagt sind. Frauen vom Verein „Wolfsburger Elfen helfen“ fertigten Kleidung für eine Frühchenstation an.

Für die Frauen im Alter zwischen 25 und 50 Jahren hat das Nähen längst sein verstaubtes Image verloren. Ein Grund dafür scheint, und hierbei kommen auch die Näherinnen nicht um einen Computer herum, das Internet zu sein. „Es gibt eine große Community für das Nähen auf Facebook und anderswo“, erklärt Josefine Zander. „Dort werden zum Beispiel Schnittmuster ausgetauscht. Das Nähen ist inzwischen ein Internet-Phänomen.“ Moderne Computertechnik verhilft so einem uralten Handwerk zu neuer Blüte.

Für Kathrin Klähn aus Mechau ist das Nähen mehr als ein Hobby. „Viele Frauen fangen damit an, wenn sie Kinder bekommen und Elternzeit nehmen“, weiß sie aus Erfahrung. Die Vorteile: „Wenn ich zuhause nähe, kann ich bei meinem Kind bleiben und trotzdem etwas für mich machen.“ Die 33-Jährige sagt, dass sie drei Berufe ausübt: Sie verkauft online Stoffe, arbeitet 40 Stunden in einer Kita und näht. „Das Nähen wird schnell zur Sucht“, findet die Mechauerin. „Treffen Pakete mit neuen Stoffen ein, werden sie regelrecht aufgerissen, die Stoffe müssen angefasst und beschnuppert werden.“ Manche Frauen würden das Tuch sogar vor ihren Männern verstecken - aus Angst vor Streit über die Ausgaben. Oder sie geben Ausweichadressen für die Pakete an, sagt Kathrin Klähn.

„Hier kauft keiner Kleidung von der Stange“, hebt Josefine Zander hervor. „Wenn ich das so sehe, wird das nicht die letzte Näh-LAN-Party sein.“