1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Klötze
  6. >
  7. Grabsteine stehen unter Druck

EIL

Friedhöfe Grabsteine stehen unter Druck

Die Standfestigkeit von Grabsteinen wird in der Stadt Klötze überprüft. Die Prüfer erklären ihr Vorgehen.

Von Tobias Roitsch 20.04.2016, 03:00

Klötze l Rund ein Viertel der Grabsteine auf den Friedhöfen in der Stadt Klötze wurde im vergangenen Jahr als nicht standsicher eingestuft. So lautete das Ergebnis der Standfestigkeitsprüfung, die im Auftrag der Stadt vorgenommen wurde. Zu dieser ist die Stadt einmal im Jahr verpflichtet. Dadurch sollen Unfälle durch umstürzende Grabmale vermieden werden.

Bei vielen Grabnutzern rief die Prüfung allerdings Unmut hervor: Nicht wenige vertraten die Meinung, dass die Steine erst durch den Test gelockert worden sind. Wurden Mängel festgestellt, waren diese durch die Nutzungsberechtigten der Gräber zu beseitigen. Zuletzt hatte sich auch der Klötzer Steinmetzmeister Hans-Hermann Zeplin negativ zu den Tests geäußert. Er führte an, dass der Einsatz des sogenannten Kipp-Testers zur Instabilität der Grabsteine führe.

Diesen Vorwurf wollen Horst und Björn Neumann, die seit Dienstag wieder im Auftrag der Stadt die Grabmale kontrollieren, nicht im Raum stehen lassen. Einen Kipp-Tester würden sie für ihre Arbeit nicht verwenden, wie sie der Volksstimme bei einem Ortstermin auf dem Neustädter Friedhof in Klötze sagen. Diese Geräte wären lediglich mit einer analogen Uhr ausgestattet, die zwar den ausgeübten Druck anzeigt, jedoch kein Protokoll als Nachweis über die Messung anfertigen. „Den Kipptester kann jeder im Internet bestellen. Eine Prüfung damit wäre aber angreifbar“, erklärt Björn Neumann. Er bezieht sich damit auf das fehlende Messprotokoll.

Die beiden Diplom-Sicherheitsingenieure, Horst Neumann und sein Sohn Björn, arbeiten hingegen mit einem elektronischen Gerät, das nicht frei verkauft wird. „Darauf liegt ein Patent und es ist eine eigene Entwicklung“, sagt Björn Neumann. Dieses elektronische Kraftmessgerät ist ein langer Metallstab mit zwei Haltegriffen am oberen Ende. Daran angebracht ist eine Halterung, an der sich Sensoren befinden. Gedrückt werden diese gegen den Stein und erkennen dabei, wie viel Kraft bei der Prüfung ausgeübt wird.

Angezeigt wird der Wert auch auf einem Display. „Aufgebaut wird der Druck mit dem Körper“, erklärt Björn Neumann das Vorgehen. Dies geschehe kontinuierlich und nicht ruckartig. Ein Mini-Computer erstellt dabei ein Last-Zeit-Diagramm für jeden geprüften Grabstein und vergibt eine Nummer. Bewegt sich der Stein dabei, wird die Messung abgebrochen und ein Protokoll mit dem Computer angefertigt. Darin werden unter anderem der Name auf dem Grabstein und der festgestellte Schaden dokumentiert. Anschließend kriegt der Stein einen Aufkleber, der Friedhofbesucher auf die Gefahrenquelle hinweisen soll. „Es ist aber kein offizielles Siegel“, sagt Björn Neumann.

Die Drücke, die jeder Stein standhalten muss, sind definiert und richten sich nach der Höhe des Grabmals. Ist es bis zu 50 Zentimeter hoch, sind es 200 Newton, das entspricht 20 Kilogramm. Zwischen 50 und 70 Zentimetern, immer gemessen ab der Oberkante des Fundaments, sind es 300 Newton, bis maximal 120 Zentimeter sind 500 Newton vorgeschrieben. Standhalten müssen die Steine dem Ganzen zwei Sekunden lang, dann ist die Messung vorbei.

Gemessen wird in horizontaler Richtung. „Ob wir dabei vor oder hinter dem Grab stehen ist nicht vorgeschrieben. Es ist also egal, ob wir gegen den Stein drücken oder ob wir ziehen“, sagt Horst Neumann.

Seit 1999 prüft der Ingenieur nun schon Grabsteine. In Klötze war er mit seiner Firma zum zweiten Mal. „Ich habe einen Sachkundenachweis von der Deutschen Naturstein Akademie“, sagt Horst Neumann über seine Ausbildung. Dafür habe er einen Lehrgang abgeschlossen und eine Prüfung abgelegt.

Aus ihrer Arbeit auf den Friedhöfen wollen die beiden kein Geheimnis machen. „Wir melden uns meist vier bis sechs Wochen vorher an. Es besteht die Möglichkeit daran teilzunehmen“, erklärt Björn Neumann. Fragen, die dabei aufkommen, würden sie beantworten.

Eingeladen hatten sie zur Prüfung auf dem Neustädter Friedhof auch den Klötzer Steinmetzmeister Hans-Hermann Zeplin, damit dieser sich selbst einen Eindruck von dem Prüfgerät machen könne. Per E-Mail habe man diese Einladung aber abgelehnt, wie Marlies Zeplin, die in der Firma ihres Mannes mitarbeitet, auf Nachfrage der Volksstimme erklärt. „Wir waren der Ansicht, dass eine Zusammenkunft nichts an unserem Standpunkt zu den Standsicherheitsprüfungen ändern wird“, sagt Marlies Zeplin. Die Handhabung des Prüfgerätes sei ihnen wohl bekannt. Wie auch die Innung der Steinmetze erachte man den Einsatz dieser Prüfgeräte als unverhältnismäßig. Durch das wiederholte Prüfen mit den Geräten würden die Steine mit der Zeit gelockert, so die Ansicht im Steinmetz-Betrieb. Marlies Zeplin betont, dass es diese Tests in anderen Städten nicht gebe, etwa in Wolfsburg.

Nachdem Horst und Björn Neumann am Dienstag ihre Prüfung auf dem Neustädter Friedhof beendet hatten, nahmen sie eine kleine Auswertung vor. Demnach waren 167 der knapp 1000 Steine lose. Einige ließen sich sogar mit der Hand bewegen.