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Blumenstrauß Im Dienste der Wissenschaft

Seit 40 Jahren arbeitet Henry Meyer aus Ristedt ehrenamtlich für den Deutschen Wetterdienst. Dafür bekommt er den Blumenstrauß des Monats.

Von Markus Schulze 19.11.2017, 02:00

Ristedt l Manchmal ist einem das Glück besonders hold. Das gilt zumindest für Henry Meyer aus Ristedt. Erst kam Lasse, das vierte Enkelkind, zur Welt, tags darauf erhielt er die Bundesverdienstmedaille und obendrauf erhält er von der Volksstimme jetzt auch noch den Blumenstrauß des Monats. Der Grund für die Würdigung ist, dass Meyer bereits seit 40 Jahren ehrenamtlich für den Deutschen Wetterdienst (DWD) arbeitet und die Natur genau im Blick behält. Das ganze Jahr über. In sage und schreibe 184 Beobachtungsphasen. Er achtet zum Beispiel darauf, wann die Schneeglöckchen blühen, wann bei der Kiefer der Maitrieb einsetzt, wann sich bei der Lärche die Blätter entfalten oder wann der Winterweizen aufläuft. Seine Erkenntnisse meldet Meyer stets aktuell dem DWD. Via Internet. Als Gedächtnisstütze dient ein Tagebuch. Demnächst soll es dafür auch eine App geben, kündigte Falk Böttcher, stellvertretender Niederlassungsleiter des DWD in Leipzig, bei der Übergabe der Bundesverdienstmedaille im Klötzer Rathaus an.

Bundesweit ist Henry Meyer einer von 1300 phänologischen Beobachtern. In Sachsen-Anhalt gibt es etwa 80. Der DWD ist auf die Nachrichten seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter angewiesen. Aus drei Gründen, wie Böttcher erklärte. Zum einen können daraus Rückschlüsse auf den Klimawandel gezogen werden. Zum anderen müssen Landwirte, die gerne auf die Foren des DWD zurückgreifen, wissen, wann sie auf ihren Feldern zu spritzen oder zu düngen haben. Und zum dritten wollen Allergiker erfahren, wann sie mit welchen Pollen zu rechnen haben.

Zwar gibt es Satelliten, aber diese sind laut Böttcher technisch noch nicht auf dem Stand, um erkennen zu können, wann etwa der Holunder blüht oder wann die Äpfel reif sind. Deshalb braucht es Menschen wie Henry Meyer. Menschen, die gerne im Freien unterwegs sind und bestenfalls auch über biologische Kenntnisse verfügen. Meyer bringt diese Voraussetzungen mit. Schließlich ist er Diplom-Landwirt und hat demzufolge Ahnung von dem, was in der Region so grünt und blüht. Außerdem geht er täglich mit seiner Hündin spazieren. „Dann ist das quasi ein Abwasch“, sagt Meyer. „Wenn ich mit Nele Gassi gehe, kann ich gleich gucken, was sich in der Natur so rührt.“ Für ihn ist das „keine große Sache“. Stattdessen bereitet es ihm Freude.

Gleichwohl, so betonte Böttcher, stellt Henry Meyer mit seiner Zuverlässigkeit und Treue eine absolute Seltenheit dar.

Die meisten, die so lange für den DWD im Einsatz sind, haben das Rentenalter längst überschritten. „Dagegen ist Herr Meyer mit seinen 61 Jahren noch ein Benjamin“, scherzte Böttcher, der darauf hinwies, dass der Ristedter den Job bereits an drei Standorten erledigt hat. So beo-bachtete er die Natur anfangs in Tangeln (von 1977 bis 1985), dann in Kusey (von 1986 bis 1990) und seit 1991 in Ristedt. Phänologischer Sofortmelder ist Meyer, der die Aufgabe von seinem Vater Hans und dem Lehrer Joachim Reisener übernommen hatte, seit 2009.

Wie Böttcher informierte, wurde auf die Phänologie schon im alten Japan großer Wert gelegt. Stichwort: Kirschblüte. In Europa widmete man sich dieser Wissenschaft erst ab dem späten Mittelalter, als die Adelshäuser begannen, Prachtgärten anzulegen. Zunehmend bedeutender wurde die Phänologie im Zuge der Industrialisierung, als die Weltbevölkerung wuchs und die Ernährung eine immer wichtigere Rolle spielte. Damals ging es auch darum, Pflanzenkrankheiten festzustellen.

Zu den ersten Gratulanten bei der Übergabe der Bundesverdienstmedaille an Henry Meyer gehörten Klötzes Hauptamtsleiter Christian Hinze-Riechers und Landrat Michael Ziche. „Ich musste erstmal recherchieren, um herauszufinden, was Phänologie eigentlich bedeutet“, gestand Hinze-Riechers, der betonte, „dass es an der Zeit war, Herrn Meyer zu ehren.“

Der gleichen Ansicht war auch Ziche, der daran erinnerte, dass Meyer einst Mitglied des Ristedter Gemeinderates war, dazu Vorsitzender der Hegegemeinschaft Heidau-Hartautal ist und noch dazu im Vorstand des Ristedter Schützenvereines mitwirkt. Der Landrat machte deutlich, dass ein kommunales Gemeinwohl ohne die Ehrenamtler, die sich nie in den Vordergrund drängen, nicht möglich wäre. Zu diesem Personenkreis zählt auch Henry Meyer, den Falk Böttcher „ein scheues Reh“ nannte, das ungern aus der Deckung tritt. Ein scheues Reh, das nun im Besitz der Bundesverdienstmedaille ist und sich den Volksstimme-Blumenstrauß des Monats in die Vase stellen darf. Herzlichen Glückwunsch!

 

Kennen auch Sie, liebe Leser, jemanden, der sich ehrenamtlich einsetzt und den Blumenstrauß verdient hätte? Wenn ja, dann sagen Sie uns Bescheid, Telefon 03909/40 29 23 oder per E-Mail an redaktion.kloetze@volksstimme.de