1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Klötze
  6. >
  7. Mit Nadel und Faden fern der Heimat aktiv

Integration Mit Nadel und Faden fern der Heimat aktiv

Seit 15 Monaten weilt Sahki Kamiri aus Afghanistan in Deutschland und hat nun ein Praktikum in Oebisfelde erhalten.

Von Jens Pickert 22.02.2017, 02:00

Oebisfelde l Sahki Kamiri legt jedoch nicht die Hände in den Schoß. Er übernimmt, was bei zahlreichen Flüchtlingen nicht unbedingt üblich ist, selbst die Initiative. Er geht auf die Menschen zu, sucht den Kontakt. Zum Beispiel in der Jugendbegegnungsstätte an der Klötzer Straße. Seit knapp zehn Monaten lebt er mit anderen Landsleuten in Oebisfelde im ehemaligen Pfarrhaus der Nicolaikirche. Der 21 Jahre alte Flüchtling möchte gerne in Deutschland bleiben. Doch ihm droht die Abschiebung. Im kommenden Monat wird die Entscheidung fallen.

Mittlerweile erhielt er sogar ein Praktikum bei Bogumila Jacksch. Sie ist nicht nur Oebisfeldes Bürgermeisterin, sondern betreibt am Einkaufzentrum an der Magdeburger Straße auch eine Änderungsschneiderei.

„Sahki kam mit Maria Bade von der Jugendbegegnungsstätte zu mir und fragte nach, ob ein Praktikum möglich wäre. Wir haben anschließend mit einem Bildungsinstitut in Haldensleben Kontakt aufgenommen, einen Vertrag aufgesetzt und abgeschlossen und es ging los. Seit vergangener Woche ist Sahki nun für sechs Wochen mein Praktikant. Ich freue mich darüber“, sagte Bogumila Jacksch.

Erfreulich sei ebenfalls, dass Sahki zum Praktikum nicht angestoßen werden musste. Er selbst habe nach Möglich- keiten gefragt. Der junge Afghane habe sich außerdem selbst etwas Deutsch beigebracht und nutze jede Möglichkeit, dazuzulernen. Die Verständigung zwischen Praktikant und Chefin sei zwar mühsam, aber es klappe. „Es gibt kleinere Verständigungsprobleme, doch Schneiderleute verstehen sich“, so Jacksch. Ganz unbedarft in Sachen Schneiderei sei Sahki Kamiri indes nicht. „Ich habe vier Jahre im Iran als Näher gearbeitet“, erzählte der Praktikant in seinem noch gebrochenen Deutsch. Das sei ein harter Job gewesen. Sahki, damals fast noch ein Kind, habe bis zu zwölf Stunden am Tag bei kärglichem Lohn nähen müssen. „Wir kennen Bilder oder Berichte von großen Textilbetrieben in Asien. Dort, wo Sahki als Näher gearbeitet hat, war es ähnlich“, betonte Bogumila Jacksch. Mit dem Nähen an der Maschine klappe es daher gut. Aber es müsse auch mit Nadel und Faden gearbeitet werden. „Damit hat er natürlich noch Schwierigkeiten. Er fragt jedoch ständig nach und es wird besser“, erzählte die Ortsbürgermeisterin weiter und ergänzte: „Nach einer Woche kann ich sagen, dass ich mit meinem Praktikanten äußerst zufrieden bin. Sahki ist höflich, fleißig, wissbegierig und, was in Deutschland natürlich sehr wichtig ist, pünktlich. Er möchte etwas lernen, um hier Fuß fassen zu können. Ich hoffe, dass er das kann und die Abschiebung ausbleibt.“

Sahki Kamiri habe mit seinen erst 21 Jahren bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Geboren wurde er in der Stadt Gezab. Der 75 500 Einwohner zählende Distrikt Gezab befindet sich in der Provinz Urusgan, praktisch in der Mitte von Afghanistan.

Wie bei den meisten afghanischen Familien haben die seit Jahrzehnten andauernden kriegerischen Unruhen auch um Familie Karimi keinen Bogen gemacht. So habe mit der Ermordung seines Vaters vor zehn Jahren durch die radikal-islamischen Taliban das Schicksal hart zugeschlagen.

Jahre später machte sich Sahki mit anderen Landsleuten schließlich auf den Weg. Er verließ seine Familie, Mutter, zwei Brüder sowie andere Verwandte, und landete nach langer Reise per pedes, Lkw, Bus, Pkw und Schiff zunächst in der Türkei. Von dort aus ging es nach Deutschland weiter. Nach kurzem Aufenthalt in Bayern kam Sahki über Hillersleben bei Haldensleben nach Oebisfelde.

„In meinem Land sehe ich derzeit keine Zukunft. Es ist dort sehr, sehr unsicher. Ich möchte gern in Deutschland bleiben. Dafür werde ich hart arbeiten und vor allem lernen“, erzählte der junge Mann. Sahki weiß aber auch, dass er trotz aller guter, von ihm bereits in Angriff genommenen Vorsätze möglicherweise nicht in Deutschland bleiben kann.

„Menschen wie Sahki, die es wirklich ernst meinen und selbst die Initiative ergreifen, sollten nicht abgeschoben werden, sondern in unserem Land eine Chance erhalten. Angesichts der vielen Flüchtlinge ist es aber nicht einfach, stets die richtige Entscheidung zu treffen. Ich möchte dafür nicht verantwortlich sein“, sagte Bogumila Jacksch.