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Demenz Wenn Vergessen zum Drama wird

Sie sind selbst nicht an Demenz erkrankt und doch leiden sie unter dieser Krankheit: pflegende Angehörige von Demenzpatienten.

Von Siegmar Riedel 15.07.2016, 03:00

Klötze l Sie kennen sich alle, sind längst per Du. Denn sie hat ein gemeinsames Schicksal zusammengebracht. Die Frauen und Männer, die sich einmal im Monat in der EFA zu einer Gesprächsrunde treffen, pflegen einen lieben Menschen, der an Demenz erkrankt ist. Hier können sie sich über den Umgang mit Ämtern informieren, Anträge ausarbeiten oder Pflegestufen erklären lassen. Noch viel wichtiger: Hier können sie ihre Erfahrungen mit anderen pflegenden Angehörigen austauschen und sich gegenseitig Mut machen.

Ursprünglich war die „Oase für pflegende Angehörige“ für alle Krankheitsbilder gedacht. „Doch es hat sich herauskristallisiert, dass hauptsächlich Angehörige von Demenzkranken kommen“, erläuterte Thekla Putzke. Die Leiterin der EFA pflegt selbst einen daran erkrankten Menschen.

Als Expertin ist die Alltagsbegleiterin Ute Weichsler mit in der kleinen Runde. Sie ist angestellt beim Sozialzentrum und freiberufliche Fachberaterin für Demenz. Die Pflegenden oder Angehörigen, eigentlich kann beides nicht voneinander getrennt werden, sollen sich „Zeit nehmen für sich selbst“, wie das Ziel des Treffens in einem Flyer auf einen Nenner gebracht wird. Und das ist bitter nötig. Denn die Pflege eines an Demenz erkrankten Menschen zerrt an den Nerven, kann im schlimmsten Fall mutlos und depressiv machen.

Das Programm der Treffen ist vielschichtig. Für einen theoretischen Teil sorgt Ute Weichsler. Manchmal hilft ein Rollenspiel, sich in die Lage eines Demenzkranken zu versetzen. Oder es wird über Symptome der Demenz gesprochen wie Sprachstörungen, motorische Handlungssymptome und Ähnliches. Aber hauptsächlich berichten die Pflegenden selbst vom Umgang mit ihren kranken Angehörigen, von Erfahrungen mit den Ämtern und anderen Dingen, die ihnen auf den Nägeln brennen.

„Wenn die Pflegenden dem Kranken schon genervt gegenüberstehen, reagiert er auch genervt“, erklärt Ute Weichsler. „Ziel ist es zu lernen, mit dem Kranken umzugehen.“ Denn wer die Krankheit besser versteht, kann ihr besser begegnen. Er kann verstehen, warum der Angehörige immer wieder nach der Uhrzeit fragt, warum er Dinge versteckt oder ihn nicht mehr erkennt oder warum er fünf Mal am Tag zum Fleischer geht. Die Angehörigen können ein Lied davon singen und wirken dennoch in der Runde fröhlich. Trotz des Dramas, das sie fast täglich erleben. Auch den Kranken sieht man ihr Problem nicht an. „Einen Beinbruch kann man sehen“, sagt Ute Weichsler, „Demenz nicht.“

Die „Oase“ in der EFA wollen die Angehörigen nicht mehr missen. „Es hilft uns sehr, hier zu hören, dass andere gleiche oder schlimmere Probleme haben“, begründet Carola Schmidt. „Hier bekommen wir Tipps und Verständnis dafür, dass die Kranken so etwas nicht mutwillig machen.“

Diese Krankheit verändert den Menschen komplett. Auch damit würden sie jetzt ganz anders umgehen können. Das sei körperlich und seelisch sehr anstrengend. In der Gruppe finden sie Trost.

Manfred Rasch pflegt seine Frau. „Heute habe ich ihre Sachen gewaschen, doch sie nimmt alles wieder aus dem Schrank.“ Rasch ist verzweifelt, „weil sie Marmelade, Eier und anderes versteckt“. Hilfe bekommen sie nur wenig, sagen sie. „Für die Pflege aus der Pflegestufe bleiben nur Minuten. Ich habe das Gefühl, der Medizinische Dienst der Krankenkassen ist nicht auf Demenzkranke abgestimmt“, sagt Rasch, weil er für seine Frau keine andere Pflegestufe bekommt. In der Gruppe können sie auch mal Frust ablassen und aufatmen. Das ist die Hilfe, die sie in der EFA bekommen. Jeden ersten Mittwoch im Monat treffen sie sich dort um 19 Uhr. Betroffene sind immer willkommen, sagt Thekla Putzke. Die nächsten Termine sind am 3. August und 7. September, Telefon 03909/27 15.