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Eichenspinner Raupenrückzug ist nur Schein

Der Eichenprozessionsspinner bleibt ein Problem. Die Klagen mehren sich.

Von Siegmar Riedel 11.08.2016, 03:00

Klötze l Von massiven Problemen mit dem Eichenprozessionsspinner spricht Helmut Jachalke, Leiter des Betreuungsforstamtes in Klötze. „In einigen Bereichen ist es scheinbar besser geworden. Wir haben aber noch immer große Probleme“, sagt er und kritisiert, dass es keine zentrale Koordination zur Bekämpfung der Raupen und kaum Beratung dazu geben würde. Ein weiteres Problem: Die Bekämpfung aus der Luft sei nur mit extrem strengen Auflagen machbar, berichtet Jachalke. Die Genehmigung solcher Aktionen sei sehr langwierig und erfolge meist dann, wenn der optimale Zeitpunkt bereits überschritten sei. Die Folge: In den Wäldern wird der Eichenspinner derzeit kaum bekämpft. Zudem ist grundsätzlich der Eigentümer der Flächen zuständig, was aufgrund vieler Privateigentümer einen flächendeckenden Einsatz chemischer Mittel verhindert. Im Altmarkkreis Salzwedel gibt es laut Helmut Jachalke mehrere Bereiche, in denen die Raupen ganze Arbeit geleistet haben. „Nördlich von Pretzier ist ein knapper Hektar kahl gefressen. Stark betroffen sind der Süden, Südwesten und Südosten des Kreises“, zählt der Experte auf. „Außerdem der Drömling, nördlich von Gardelegen, Berge, Regionen in Richtung Kalbe bis Arendsee und dieses Jahr wieder der Nordwesten.“

Helmut Jachalke stellte fest, dass auch Linden vom Eichenspinner befallen werden. Ein Novum. Diesen Fakt bestätigt Birgit Eurich vom Altmarkkreis Salzwedel. „In Einzelfällen besteht auch die Möglichkeit, dass der Eichenprozessionsspinner an anderen Baumarten seine Nahrung findet“, informiert sie.

Die Raupen sind laut Helmut Jachalke „mehr in der freien Landschaft und an Waldrändern zu finden“. „Offensichtlich brauchen die Raupen Wärme durch die Sonneneinstrahlung“, vermutet er und fordert eine konzertierte Aktion, um den Eichenspinner wirksam und dauerhaft bekämpfen zu können. Alle Beteiligten sollten sich an einen Tisch setzten und eine Strategie beraten: der Kreis, die Kommunen, die Forstamtschefs, die Waldeigentümer. „An den Straßen und in Ortschaften wird bekämpft, in den Wäldern nicht. Das spielt dem Spinner zu“, sagt Helmut Jachalke. Damit würde das Problem aber nur verlagert und im nächsten Jahr sind die Raupen wieder da.

In der Kreisverwaltung wird ebenfalls von einer „ständig ansteigenden Ausbreitung“ des Eichenspinners und gesundheitlicher Gefährdung gesprochen, weshalb die Raupen auch außerhalb der Wälder bekämpft werden müssten. Der Altmarkkreis hat zur Koordinierung der Maßnahmen im Jahr 2013 eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Kommunen und der Straßenbaulastträger, gebildet.

Der Kreis schreibt die Bekämpfung des Eichenspinners - chemisch und mechanisch - für die Eigentümer aus. In diesem Jahr betraf das 20 800 Bäume, davon 19 200 zur chemischen Bekämpfung. Dafür waren und sind zwei Phasen vorgesehen: Vom 20. April bis 20. Mai kam Chemie zum Einsatz, von Juni bis Ende August erfolgt das Absaugen der Raupennester. 2016 hatten die Ausschreibungen einen Umfang von insgesamt 160 000 Euro.

Die Intensität des Befalls sei laut Kreissprecherin Birgit Eurich unterschiedlich zu betrachten: „Insbesondere im Drömling ist ein starker Befall zu verzeichnen.“ Hier sei allerdings eine Bekämpfung mit chemischen Mitteln auf Grund der Schutzkriterien schwer zu realisieren. Jedoch bestätigt Birgit Eurich, dass es für die Abstimmung der Maßnahmen keine Absprachen mit den Forstämtern gibt. Lediglich im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie sei eine „interministerielle Arbeitsgruppe“ gebildet worden.

Besonders schlimm ist die Gefahr von Entzündungen durch Nesselhärchen der Raupen für alle, die im Freien arbeiten müssen. Hagen Müller vom Unterhaltungsverband Obere Ohre und Aller kann ein Lied davon singen. „Die Eichenspinner sind in Gehölzen an den Gewässern zugange, an Straßen und Wegen“, berichtet er. Stark betroffen seien im Einzugsbereich des Verbandes Dannefeld, Buchhorst, Köckte und Peckfitz. „Er hat bemerkt: „Es ist immer mehr geworden, dieses Jahr ist es katastrophal mit dem Eichenspinner. Da hilft nur eine gezielte Aktion mit Kreis, Naturparkverwaltung, Kommunen und Forst.“

Die Mitarbeiter von Hagen Müller sind gerade dabei, Windbruch zu beseitigen. Einige hatten schon gesundheitliche Probleme wegen des Eichenspinners. „Aber nicht so schwer“, schätzt Müller ein.

Von „stellenweise massivem Auftreten der Raupen“ spricht Wolfgang Sender von der Naturparkverwaltung. „Einige Bäume waren schon kahl, sind aber jetzt wieder grün.“ Doch irgendwann seien sie so geschwächt, dass sie absterben. Wolfgang Sender bekommt als Landschaftspfleger selbst mit dem Eichenspinner zu tun. „Das ist nicht lustig und recht schmerzhaft“, ist seine Erfahrung. „Einige Wege sind deshalb schon aus der Pflege heraus genommen worden, weil das den Mitarbeitern nicht zugemutet werden kann“.

Die Stadt Klötze hat sich bei der Bekämpfung für 12 000 Euro auf soziale Treffpunkte konzentriert. „Hort Kusey, Waldbad in Klötze und Tierpark, die Straße zwischen Altferchau und Schwarzendamm“, zählt Gordon Strathausen auf, „auch der Wiesenweg in Neuferchau, der Weg zwischen Neuendorf und Jemmeritz sowie zwei ländliche Wege in Jahrstedt.“ Zusätzlich seien für 500 Euro Raupennester im Röwitzer Weg in Wenze abgesaugt worden. Das alles scheine zwar Wirkung zu zeigen. Er hatte gehofft, dass die Eichenspinner weniger werden. „Aber im Gegenteil. Alle befallenen Bäume zu bekämpfen würde den Kostenrahmen sprengen.“ Man könne nicht flächendeckend in der ganzen Gemarkung bekämpfen. Deshalb würden weitere Meldungen von Raupensichtungen aufgenommen, um Schilder aufstellen zu können.

Ende September wird es eine Auswertung mit allen Beteiligten geben, wobei eine Strategie aufgestellt werden soll. Der Kreis empfiehlt eine zentrale Ausschreibung der Bekämpfung auch für 2017. Gordon Strathausen: „Die Hoffnung bleibt, dass sich das Problem auf natürliche Weise löst, ähnlich wie vor einigen Jahren mit den Raupen des Goldafters.“