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Musikwettbewerb Einmal Kiew und zurück

Um den Eurosvion Song Contest hautnah zu erleben, ist eine Fan-Gruppe aus Kusey in die Ukraine gefahren.

Von Petra Schütte 18.05.2017, 16:13

Kiew/Kusey l Nun ist unsere aufregende Fahrt in die ukrainische Hauptstadt Kiew schon wieder Geschichte. Am Montag erreichten wir wohlbehalten Kusey. Eine Umleitungsstrecke blieb uns auf der Rücktour erspart, worüber wir sehr glücklich waren. An der Grenze Ukraine/Polen wurde es noch etwas nervig. Ganze zwei Stunden benötigten wir, um in Polen anzukommen. Gefühlte 25 Mal mussten wir unseren Pass und die Fahrzeugpapiere zeigen. Die Kontrollen werden sehr streng vollzogen, was man als EU-Bürger gar nicht gewohnt ist.

Wir waren noch nicht einmal zu Hause, da wussten wir bereits, dass der Austragungsort 2018 Lissabon sein wird. Das ging ja ziemlich schnell, in Lichtgeschwindigkeit könnte man sagen. Das war in diesem Jahr nicht so.

Denn im Vorfeld auf den diesjährigen Eurovision Song Contest gab es heftige Diskussionen darüber, ob der ESC 2017 aufgrund des bewaffneten Konfliktes in der Ost-Ukraine und der Annexion der Krim durch Russland überhaupt in der Ukraine stattfinden könne. Es wurde vielerorts angezweifelt, ob die Ukraine finanziell in der Lage sei, die Austragung des Wettbewerbes zu bewältigen.

Nach langem Hin und Her entschied man sich aber doch für Kiew. Allerdings erhielt die von Russland nominierte Sängerin Julia Samoylova ein Einreiseverbot, da sie 2015 bei einem Konzert auf der von Russland annektierten Krim aufgetreten war. Kein gutes Zeichen für die Austragung des größten europäischen (und australischen) Gesangswettbewerbes. Russland verzichtete im Ergebnis dieses Jahr auf die Teilnahme.

Vom 9. bis zum 13. Mai nahmen also ohne Russland 42 Länder am Europäischen Song Contest in Kiew teil. Nach 2005 richtete die ukrainische Hauptstadt zum zweiten Mal diesen Wettbewerb aus. Das Motto „Celebrate Diversity“ wurde durch ein Logo ergänzt, das auf der traditionellen ukrainischen Perlenkette namens Namysto basiert. Sie besteht aus vielen verschiedenen Perlen, jede mit einem eigenen Design als Ausdruck für Vielfalt und Individualität.

Kiew ist eine wunderschöne Stadt. Sie ist ein altes historisches und kulturelles Zentrum, eine grüne Stadt, eine Stadt für Spaß und Unterhaltung.

Die 1000 Jahre alte siebenkuppelige Sophienkathedrale mit ihren Wandmalereien ist herrlich anzusehen und gehört zum Weltkulturerbe. Auch das Höhlenkloster (Kiew-Pecherskaya Lavra) ist seit 1990 UNESCO-Weltkulturerbe. Im großen von Mauern umgebenen Klosterkomplex findet man eine Vielzahl von kulturell bedeutenden Kirchen, Klöstern und Museen mit mumifizierten Mönchen.

Zentraler Punkt ist der Maidan, der Platz der Unabhängigkeit. Er ist Knotenpunkt auf dem Chreschtschatyk-Boulevard, der abends oft für den Autoverkehr gesperrt wird, damit die Kiewer dort flanieren können. Überall wird musiziert.

Als Gast in Kiew merkt man, dass hier vieles noch nicht richtig funktioniert. Aber es ist eine Stadt im Aufbruch. Die Einwohner geben sich freundlich, selbstbewusst und weltoffen. Und so schaffte es Kiew auch, ein hervorragender Gastgeber für den diesjährigen Eurovision Song Contest zu werden. Die Fanmeile auf dem Chreschtschatyk Boulevard bot eine Menge für die Besucher, die Veranstaltungen im Euro-Club waren gut organisiert und die Sicherheitskräfte überall in der Stadt präsent. Die Shows verliefen reibungslos. Es gab an keiner Stelle Probleme mit dem Ablauf.

Meiner Meinung nach hat sich auch das neue Bewertungssystem, bei dem Jury und Publikum getrennt voneinander betrachtet werden, bewährt. So gab es viele spannende Momente, weil sich während der Verkündigung der Televotingergebnisse noch allerlei drehte und es bis zum Schluss offen blieb, wer nun Sieger werden würde.

Erfreulicherweise hatten dieses Jahr Jury und Publikum denselben Gewinner. Auch der 2. Platz für Bulgarien war identisch. Es gab einige Songs, die entweder stark von der Jury profitierten oder besondere Favoriten des Publikums darstellten. So wurde durch das Televoting dem Spaß der Zuschauer an Liedern aus Rumänien oder Moldawien Rechnung getragen. Dank der Jury wurden aber Songs aus den Niederlanden oder Österreich vor einem Totalabsturz bewahrt, was mich persönlich sehr freute. Beide Länder gehörten neben Norwegen zu meinen Favoriten.

Ob die guten Jury-Ergebnisse in allen Fällen auf eine fachmännisch professionelle Einschätzung zurückzuführen sind, wage ich allerdings zu bezweifeln. Nach wie vor scheint es keine festen Regularien oder Kriterien zu geben und nach wie vor werden von vielen Ländern wie durch Zufall die Höchstpunkte an die befreundeten Nachbarländer vergeben. Ich finde das nicht in Ordnung. Und weil dies kein Land für Deutschland macht und auch Deutschland keine „Freundschaftspunkte“ vergibt, wird es unser Land immer schwer haben, einen guten Platz zu belegen. Das ist einfach so!

Zum Sieger Salvador Sobral mit seinem Liebeslied „Amor pelos dois“ (Liebe für zwei) aus Portugal ist zu sagen: Er ist noch mehr als seine Vorgängerin Jamala ein Exot in der Eurovisionswelt, da er komplett auf eine konventionelle Bühnenaufbereitung seines Songs verzichtete, sich keiner Choreographie oder Lichtshow unterwarf, seinen Song jedes Mal neu präsentierte und gerade damit die Blicke und Wertungsstimmen auf sich zog. Sehr erstaunlich.

Das Siegerland hat mal wieder gezeigt, dass beim ESC entgegen aller Vorurteile nicht das Land gewinnt, das die meisten und freundlichsten Nachbarn hat. Portugal bekam quer durch die Bank aus allen anderen Ländern Punkte.

Der portugiesische Sieg macht deutlich, dass man einen ESC-Sieg nicht planen kann. Es gibt ihn nicht, den garantierten ESC-Siegersong, den Auftritt, der zum Sieg führt. Aber es gibt den Moment, in dem alles, was notwendig ist, zusammenkommt.

Im Gegensatz zum Portugiesen, der eine Einheit mit seinem Song bildete, musste „Perfect life“ an Levinas Persönlichkeit angepasst werden. Lied und Sängerin passten meiner Meinung nach nicht zusammen. Levina kann viel, viel mehr.

Bereits beim Vorentscheid in Köln im Februar dieses Jahres waren wir komplett von Levina begeistert, aber nicht vom Lied. Wir hatten eine gewisse Vorahnung, dass es auch in diesem Jahr wieder nichts wird. Das Lied ist zu schwach, es fällt nicht auf. Und genau das braucht man, um Leute zu motivieren, für ein Lied anzurufen.

Levina ist eine tolle Sängerin. Ich bin mir sicher, mit einem anderen Lied wäre sie weiter vorn gelandet. Für ihren vorletzten Platz ist sie nicht verantwortlich. Es liegt daran, dass beim Vorentscheid nur zwei Lieder zur Auswahl standen, die beide nicht wirklich ESC-tauglich waren.

ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber reagierte wie folgt: „Das Ergebnis ist für Levina und unser Team eine herbe Enttäuschung. Levina ist eine wunderbare junge Frau, die uns alle mit ihrer Herzlichkeit und Professionalität verzaubert hat; sie hat eine herausragende Stimme und ihre Performance war strahlend. Wir stellen uns dem Ergebnis und werden es analysieren.“

Na dann Herr Schreiber, schreiten Sie zur Tat!