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Festakt „Sein Wirken erleichtert das Leben“

Mit einem Festakt ist Adolph Frank im Klötzer Altmarksaal gewürdigt worden. Auch eine Biografie über den Klötzer wurde vorgestellt.

Von Siegmar Riedel 30.05.2016, 21:00

Klötze/Staßfurt l Vor rund 180 Gästen sagte Klötzes Bürgermeister Matthias Mann, dass „diese Feier im Zeichen des Erinnerns, des Gedenkens und der Versöhnung steht“. In der Vorbereitungsphase seien von Klaus Pacholik, Initiator des Gedenkens, viele Puzzleteile zusammengetragen worden. Eine Biografie sei entstanden und der Kontakt zu Nachfahren von Adolph Frank in den USA und Großbritannien hergestellt worden, berichtete der Bürgermeister.

„Franks Wirken hat unser Leben erleichtert, Industrie und Landwirtschaft beeinflusst.“

Die Grabstätte von Frank auf einem Friedhof in Berlin-Charlottenburg konnte ausfindig gemacht werden. Details seiner wissenschaftlichen Arbeit und seines Privatlebens offenbarten sich. „Dabei zeigte sich, dass das Wirken von Adolph Frank von den Nationalsozialisten, weil er jüdischen Glaubens war, getilgt worden ist“, informierte Mann und betonte: „Franks Wirken hat unser Leben erleichtert, Industrie und Landwirtschaft beeinflusst.“

Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit stellten danach die beiden Autoren Ulrike Krauße und Steffen Dobin vor. Die von ihnen geschriebene Biografie mit dem Titel „Der Chemiker und Unternehmer Prof. Dr. Adolph Frank“ ist in zwei Abschnitte geteilt: 1. Der Privatmann, 2. Der Chemiker und Unternehmer; Rezeption und Würdigung.

Ulrike Krauße stellte eingangs klar, dass die Forschung mit dem Buch längst nicht abgeschlossen sei. „Gleich nach Druckschluss bekamen wir neue Informationen“, sagte sie und bezeichnete Adolph Frank als „Arbeitstier und Universalgenie“. Krauße ging auf einige Stationen des Lebens von Adolph Frank ein, seine glücklichen Kindertage in Klötze, die Apotheker-Lehre in Osterburg, das Studium in Berlin. Danach nahm er eine Stelle in Staßfurt an. Dort entdeckte er Kaliumchlorid als Kunstdünger und gründete die erste Kali-Fabrik weltweit, erläuterte Steffen Dobin.

Damit revolutionierte Frank die Landwirtschaft. Später wechselte er nach Berlin. Die Erfindung der Gaslaterne und der braunen Bierflasche zur besseren Haltbarkeit des Inhalts gehen auf ihn zurück. „Er beeinflusste auch die Luftschifffahrt, denn er entwickelte ein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff“, informierte Dobin.

In Vertretung von Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Die Grünen), sie musste ihr Kommen absagen, sprach der Quedlinburger Agrarhistoriker Heinrich Helmut Gäde. Sein Vater besuchte einst die Klötzer Landwirtschaftsschule. Er selbst ist in der Nähe von Diesdorf geboren worden. Gäde erinnerte an den Landwirtschaftspionier Albert Schultz-Lupitz sowie Theodor Hermann Rimpau, der in Kunrau lebte und als Begründer der Moordammkultur gilt. Sie waren auch Verfechter des von Adolph Frank erfundenen Kunstdüngers.

Das Miteinander von Wissenschaft, Gesellschaft und Religion stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Superintendent Matthias Heinrich. Er betonte, dass der Einsatz von Kunstdünger den Menschen Freiräume schaffte.

„Sie hatten mehr Zeit für Religion und Musik, konnten sich auch ein Klavier anschaffen“, verdeutlichte Matthias Heinrich. Das habe ihnen eine neue Lebensqualität gebracht. „Die historische Wurzel dafür liegt bei Adolph Frank. Für ihn spielte die Religion in der jüdischen Gemeinde zeitlebens eine große Rolle“, sagte Heinrich und fragte: „Was mag er wohl gedacht haben, als sein Sohn zum christlichen Glauben konvertierte?“

Beide seien deshalb nicht zerstritten gewesen, sondern arbeiteten zusammen. Sein Fazit: „Religion muss nicht bremsen, sie kann Menschen sogar beflügeln.“

Aus aktuellem Anlass kam Heinrich auf die geplante Schließung des Backwarenherstellers Fricopan in Immekath zu sprechen. Dabei machte er auf die Praxis der Fördermittelvergabe aufmerksam und die Möglichkeit, dass Betriebe dies ausnutzen würden. „Ist die Gesellschaft heute anders als zu Zeiten von Adolph Frank?“, fragte der Superintendent und schloss: „Das Gute ist vor Missbrauch nicht geschützt. Jede Gesellschaft braucht wachsame Geister.“

Mit drei Thesen beendete Matthias Heinrich seinen Vortrag. 1. auf Adolph Frank bezogen: Harte Einschläge führten bei ihm nicht zur Resignation, sondern öffneten den Geist für Wissenschaft und Religion. 2. auf die altmärkischen Bauern bezogen: Sie bekamen Freiraum für Bildung, Religion. 3. auf alle Menschen bezogen: Sie stehen alle in Lebenslinien, die andere vorzeichneten.

Mit den Vertreibungen der Juden in der Geschichte leitete Rabbiner Benjamin David Soussan aus Magdeburg seine Ausführungen ein. „Auch die Nachkommen von Adolph Frank mussten das Land, das sie liebten, wegen der Verfolgung in der Nazi-Zeit verlassen“, betonte der Rabbiner. „Die ewig Gestrigen sagen, die Juden seien selbst schuld, weil sie anders sind als wir. Doch Gott hat allen Menschen einen Körper gegeben mit fünf Fingern an der Hand. Kein Finger gleicht dem anderen und doch gehören alle zu einer Hand.“ Ob nun Juden, Christen, Buddhisten oder andere - alle Menschen haben ihren Platz in der Religion.“

Patricia Frank, die älteste Tochter von Adolph Franks Enkel Robert, stellte zunächst alle Familienmitglieder aus den USA und Großbritannien vor, die mit nach Klötze gekommen waren. „Als wir aufwuchsen, hörten wir Geschichten über Adolph Frank als Wissenschaftler und Familienmitglied“, berichtete sie. Sie selbst wuchsen im Kreis der Großmütter auf, die von ihren deutschen Wurzeln erzählten und den Struwwelpeter vorlasen.

„Ich bin zuversichtlich, dass solche Gedenkveranstaltungen ein Zeichen sind für Toleranz“

„Die dunklen Erinnerungen an Deutschland haben sie uns nicht mitgeteilt“, verriet Patricia Frank. Das ermögliche einen eigen Blick auf Deutschland und die Bildung eigener Einstellungen. „Ich bin zuversichtlich, dass solche Gedenkveranstaltungen ein Zeichen sind für Toleranz“, hob Patricia Frank hervor.

Nach dem gut zweistündigen offiziellen Teil des Festakts konnten die Gäste eine Ausstellung über das Leben von Adolph Frank von Klötzer Sekundarschülern betrachten.