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Geschichte Der 29. Mai 1952 war ein trauriger Tag

Aktion Ungeziefer. Darum ging es am Sonntag im Böckwitzer Museum.

Von Markus Schulze 23.05.2016, 03:00

Böckwitz l Bundesweit ist am Sonntag der 39. Internationale Museumstag begangen worden. Daran beteiligte sich auch das Museum in Böckwitz. Hier stand die sogenannte Aktion Ungeziefer im Mittelpunkt des Geschehens. Vereinsvorsitzende Ingrid Schumann konnte dazu die früheren Lehrer Hartmut Bock aus Jübar und Rainer Bischoff aus der Nähe von Celle als Referenten begrüßen.

Wie Bock erklärte, entfernte die Volkspolizei bei der Aktion Ungeziefer, die ursprünglich Aktion Grenze oder Aktion G hieß, am 29. Mai 1952 generalstabsmäßig Menschen aus dem Sperrgebiet zur BRD und verbrachte diese ins Landesinnere der DDR. Im Bereich des Altmarkkreises Salzwedel waren insgesamt 208 Personen betroffen, davon 67 Kinder. Wie Bock ausführte, handelte es sich um 7 Großbauern, 28 Bauern, neun Gewerbetreibende, 6 Handwerker, 8 Angestellte, 3 Arbeiter, 8 Landarbeiter und 72 Bürger ohne Beruf. Sie galten als politisch unzuverlässig, nicht selten waren sie denunziert worden. Ihnen blieben nur wenige Stunden, um ihr Hab und Gut einzupacken. Kleidung, Geschirr, ein paar Möbel. Keine Tiere. Die Familien wurden auf Güterwaggons verladen und deportiert, ohne das Ziel zu kennen. Die meisten kamen nach Sachsen. Dort wurden ihnen häufig Wohnungen zugewiesen, die unzumutbar waren. Das Heimweh war riesig. Bock erläuterte, dass man auch wieder in die Heimat zurückkehren konnte, aber das eigene Haus war dann tabu. Andere, die im Westen Eigentum hatten, reisten über Berlin in die Bundesrepublik aus.

Um anschaulich darzustellen, wie die Aktion Ungeziefer tatsächlich ablief, zeigte Bock einen etwa 45-minütigen Film, den er vor gut 15 Jahren mit Schülern der Sekundarschule Jübar gedreht hatte.

Darin kommen vor allem Opfer zu Wort. Sie schildern, wie sie die Zwangsaussiedlung erlebt haben, sprechen von einer Reise ins Ungewisse und erinnern sich an allerlei Schikanen. „Uns wurde alles abgenommen“, sagt eine Zeitzeugin. „Wir hatten kein Geld im Portemonnaie und keinen Ausweis mehr in der Tasche. Wir wurden behandelt wie Vieh.“

Der Versammlungsraum des Böckwitzer Museums war proppevoll. Einige der Gäste erzählten von ihren eigenen Erfahrungen. Teilweise war ihnen der Schmerz über das Erlebte anzusehen. Vor allem war man in der Runde über die Gründe schockiert, die von der DDR seinerzeit als Rechtfertigung für die Zwangsumsiedlung angegeben worden waren. „Man nannte uns Lumpen und Verbrecher“, entsann sich eine Besucherin. Und Hartmut Jakobs aus Zicherie hatte sogar ein Schriftstück aus jener Zeit dabei. Darauf werden Argumente wie „gute Verbindung nach dem Westen“ oder „reaktionäre Einstellung“ genannt. Jakobs schimpfte, dass es noch immer Täter gebe, die nicht in der Lage seien, sich für das verübte Unrecht zu entschuldigen.

Nach einer Kaffeepause stellte Rainer Bischoff das Buch „Aktion Ungeziefer“ von Manfred Wolter vor. „Das ist das einzige Buch, das ich beim Lesen weglegen musste, weil mir die Tränen kamen“, sagte Bischoff. Und: „Wer noch immer daran zweifeln sollte, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, der sollte dieses Buch lesen“, empfahl er.