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Interview Im Einheitsboot in ein ruhiges Fahrwasser

Hans-Werner Kraul ist seit 100 Tagen Bürgermeister der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen. Das Interview mit der Volksstimme.

Von Harald Schulz 09.05.2017, 03:00

Welches waren die einschneidenden persönlichen Veränderungen nach dem Wechsel vom Ortsbürgermeister des Fleckens Weferlingen zum Bürgermeister der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen?

Hans-Werner Kraul: Bisher war es im Normalfall so, dass ich zu Hause meine Lebensgefährtin erwartet habe, wenn sie von der Arbeit kam – jetzt ist es umgekehrt. Aber sie schimpft nicht mit mir, weil wir diesen konkreten Fall der Zukunftsmöglichkeit lange vorher diskutiert hatten, meine in Berlin lebenden Enkelkinder sehen das anders. Außerdem wird es mir trotz guten Wetters zukünftig nicht mehr gelingen, meinen Arbeitsplatz zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen.

Wie weit sind Sie nach 100 Tagen Amtszeit in die Strukturen der Verwaltung vorgedrungen? Gab es Veränderungen in der bis dahin bestehenden Struktur, müssen Veränderungen noch erfolgen?

Den groben Überblick hatte ich durch meine langjährige kommunalpolitische Tätigkeit schon vorher, das Erlangen von Detailkenntnissen ist auf den Weg gebracht und läuft. Eine Struktur sollte nur an den Stellen verändert werden, an denen sie Schwachstellen aufzeigt. Viele habe ich davon noch nicht ausmachen können, was ja für die Profis in beiden Standorten spricht. Regelmäßige Besprechungen mit den Amtsleitern und dem Personalmanagement dienen dem Zwecke der Sicherstellung eines gut funktionierenden Ablaufs aller Verwaltungsakte, dabei nehmen die ,,alten Hasen“ den Neuling wohlwollend unter ihre Fittiche, wofür dieser sehr dankbar ist. Alles was hinderlich ist, wird analysiert und im Team werden mögliche Lösungsvarianten diskutiert. Aber die Quadratur des Kreises bekommen wir trotz allem nicht hin.

Gibt es aus Ihrer Sicht bereits Fortschritte, „hin zu einer Einheitsgemeinde nach Auffassung von Hans-Werner Kraul im Wahlkampfmodus“? Wo erkennen Sie diese? Oder aber: Woran mangelt es?

Der Weg zur ,,wirklichen“ Einheitsgemeinde ist lang und steinig, aber man sieht und hört schon auf den ersten Metern von Beteiligten und Interessierten, dass die Gewichtung korrigiert wurde. Nur ein Miteinander kann uns nach vorn bringen, Befindlichkeiten und lokale Egoismen müssen nebensächlich werden. Ich habe den Eindruck, dass es in den Sitzungen sachlicher als vorher zugeht, so findet man viel besser Wege zur Beseitigung von Hindernissen. Mein Fazit: Wir haben den Kurs geändert, aber den schützenden Hafen noch lange nicht erreicht.

Die Konsolidierung der Haushaltslage wird Sie als Bürgermeister und Hauptverwaltungsbeamten weiterhin begleiten. Ist dieses Konsolidierungsziel und mit welchen Mitteln in der gesetzten Frist erreichbar?

Ja, ich bin fest überzeugt, dass uns die Haushaltskonsolidierung bis zum Jahr 2027 – so fordert es der Gesetzgeber – durch weiteren Sparwillen gelingt. Das muss mit Weitsicht gepaart sein. Ohne Investitionen ist jede Kommune zum Scheitern verurteilt, das muss uns immer klar sein. Einnahmen erhöhen und Ausgaben senken – das schreibt sich leicht auf, ist aber schwer erfüllbar. Eine der ritterlichen Tugenden ist das ,,Maß halten“, an das ich hier gern appelliere.

Die freiwilligen Zuwendungen sind zu einem Stiefkind im Haushalt verkümmert. Das führt besonders in der Öffentlichkeit immer wieder zu Kritik und wird auch in den Ortschaftsräten weiterhin, allerdings ohne eigene Optionen, kritisiert. Sehen Sie Möglichkeiten, diesen Mangel an finanziellen Zuwendungen abzumildern?

Dies ist ein ewiger Kreislauf. Jeder Euro, der ausgegeben werden soll, muss erst verdient werden. Unternehmen müssen diesen Part über die Gewerbesteuer übernehmen. Dies müssen Mandatsträger und Verwaltung im Schulterschluss erleichtern helfen, jedoch immer streng nach Recht und Gesetz. Die Ortschaftsräte sind selbstverständlich bei der Vergabe der Zuwendungen mit im Boot und können sachlich ihre Bedenken und Wünsche in die Diskussion zu den Prioritäten der Kommune einbringen. Dabei werden alle vernünftig angehört, aber bisher können leider nur die größten Löcher gestopft werden. Das muss ja nicht immer so sein, wenn wir kontinuierlich am Ball bleiben, kann es besser werden.

Der Ausbau der Breitbandversorgung zählt sicherlich auch zu Ihren persönlichen Herausforderungen als Bürgermeister. Weshalb halten Sie diese Initiative, trotz Haushaltskonsolidierung, trotz für die Breitbandinitiative notwendiger Kreditaufnahme in zweistelliger Millionenhöhe und Risiko beim technologischen Fortschritt, für sinnvoll, zukunftsweisend und leistbar?

Auf einer kommunalen Tagung habe ich in den letzten Tagen gehört, dass jede Kommune im 21. Jahrhundert unbedingt die ,,3 großen B´s“ im Auge behalten muss, wenn sie zukunftsfähig bleiben will, also Betreuung, Bildung und Breitband. Da wir als Kommune auf das erste ,,B“ so gut wie keinen Einfluss haben, werden die beiden anderen umso wichtiger. Den Kritikern, ich vermeide absichtlich den Begriff ,,Übervorsichtigen“, sage ich immer, dass wir in fünf Jahren unseren Kindern und Enkeln Rede und Antwort stehen müssten, wenn wir diesem Zukunftszug nur vom trockenen und sicheren Bahnsteig hinterherschauen können, aber nicht drinsitzen. Die Tatsache, dass es am Anfang der Reise eventuell kalt im Abteil sein könnte, nehme ich der nächsten Generationen und der Firmen wegen billigend in Kauf.

Die heimische Wirtschaft stärken, das wird immer wieder gefordert. Dafür wurde dem Stadtrat eigens ein Wirtschaftsbeirat an die Hand gegeben. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die regionale Wirtschaft zu stärken? Wäre eine engere Zusammenarbeit mit Nachbarregionen ein richtiger Schritt?

Damit treffen Sie den Nagel genau auf den Kopf, nur die auch länderübergreifende Kooperation mit allen möglichen Partnern kann den Weg zu einer sozialen Marktwirtschaft ebnen, bei der beide Begriffe wortwörtlich gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen. Ich erwähnte schon, dass man nur das Geld segenbringend verteilen kann, welches man vorher verdient hat.

Schlankere Strukturen in der Verwaltung ist ein öffentlich gern genutztes Schlagwort. Gibt es aus Ihrer Sicht solche Synergiemöglichkeiten in der eigenen Zuständigkeit, beispielsweise durch Zusammenlegung von Ämtern, Abgabe von städtischen Einrichtungen (Kinderbetreuungen, Wirtschaftshof) und Serviceleistungen?

Hier bewegen wir uns auf einem sehr schmalen Grat. Es ist leicht zu schreien, dass die Verwaltung ein aufgeblähter Wasserkopf ist, den es zu verschlanken gilt. Wer aber hinter die Türen der Amtsstuben blickt, sieht dort keine Kaffee trinkenden und Privatgespräche führenden Ignoranten (so wird teilweise tatsächlich argumentiert), sondern teilweise ziemlich stark belastete Sachbearbeiter, die den Berg von Arbeit, der vor ihnen aufgetürmt wird, nur mit großer Mühe bewältigen können und dabei auch dem Publikum gegenüber ja immer sehr freundlich zu sein haben. Man möge mich hier nicht falsch verstehen, ich verlange nicht Mitleid für die Verwaltung, das braucht sie nicht, sondern Respekt vor ihrer Arbeit. Die Abgabe städtischer Einrichtungen kann und wird nur dann erfolgen, wenn es auf anderem Wege überhaupt nicht mehr geht, wenn die Entscheidung darüber demokratisch und menschlich vertretbar ist und wenn alle Beteiligten und Betroffenen von Anfang an bei diesem hoffentlich vermeidbaren Prozess mitgenommen werden.

Was wünschen und erhoffen Sie sich von den Bürgern der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen?

Ich wünsche mir von unseren Mitbürgern, dass sie kritisch bleiben, über Missstände nicht nur meckern, sondern konstruktive Lösungsansätze vorschlagen, sich einbringen, ehrenamtlich weiterhin tätig sind und nicht ihre Kompromissfähigkeit verlieren. Dann haben sie es in der Hand, an der Verbesserung unseres Lebens aktiv teilzuhaben.

Nennen Sie bitte drei Ziele, die Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit als höchster Repräsentant der Einheitsgemeinde erreicht haben möchten?

Friedliches und gleichberechtigtes Miteinander von Bürgern, Mandatsträgern in der Einheitsgemeinde und allen Ortschaften, Vereinen, Institutionen und der Verwaltung. Eine finanzielle Stabilität durch solide geleistete Arbeit. Verbesserung der Außenwirkung von Verwaltung und Mandatsträgern, die akzeptiert und nicht mehr belächelt oder gar verhöhnt werden.