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Martinimarkt „Darauf können die Leute stolz sein“

Wenn in Klötze der Martinimarkt stattfindet, entsteht auch ein Schaustellerdorf. Dort findet in Wohnwagen das Familienleben statt.

Von Meike Schulze 26.10.2019, 06:00

Klötze l Ruhig ist es in dem kleinen Schaustellerdorf. Die Wagen stehen dicht beieinander. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Während sich einige Schausteller vom Aufbau ihres Geschäftes auf einer der Festmeilen eine Pause gönnen, machen sich andere auf den Weg zum Rummelplatz in der Innenstadt. Die ruhige Zeit ist kostbar, Störungen sind nicht unbedingt erwünscht. Dennoch gewähren uns Ivonne und Michael Jacob einen Einblick in ihren Alltag. Gerade haben sie es sich auf der kleinen Terrasse vor ihrem Wohnwagen gemütlich gemacht.

„Seit über 70 Jahren kommt meine Familie schon zum Martinimarkt“, sagt Michael Jacob, dessen Heimatstadt Tangerhütte ist. Sein Großvater Werner betrieb einst das Kettenkarussell, danach sein Vater Werner Jacob jun. Die Luftschaukel hingegen „war das Geschäft meines Onkels“, dem Vater von Henry Jacob, der heute mit der Enzianhütte auf dem Markt vertreten ist. Ein Fakt, den die beiden immer mal wieder erklären müssen, wenn langgediente Martinimarkt-Gänger von alten Zeiten schwärmen. In diesen ist Michael Jacob groß geworden. Früher als mitreisendes Kind und heute im Alter von 35 Jahren mit dem eigenen Ballwurfgeschäft und der kleinen Familie, zu der Ehefrau Ivonne (37), Sohn Jason (10) und die Hundedame Sissy (6) gehören.

Zuhause sind sie in Werder /Havel, wo Ivonne Jacob in einer Schaustellerfamilie groß wurde. Samstag sind sie vom Berliner Oktoberfest angereist. Michael mit dem großen Lkw und dem Wohnwagen hinten dran. Ivonne mit dem Sprinter, der ihnen während der Zeit ihres Aufenthaltes unter anderem Mobilität ermöglicht. Während sich die Ehefrau um die Einrichtung des mobilen Heimes und den kranken Jason kümmerte, fuhr ihr Mann nach Berlin zurück, um das Geschäft zu holen. Der Aufbau der Wagenstadt und der Geschäfte erfolge in gegenseitiger Rücksichtnahme. „Es herrscht ein kollegial-freundschaftliches Verhältnis auf dem Platz, manchmal ist es sehr familiär“, erklärt Rocco Sperlich, der sich der Kaffeegesellschaft angeschlossen hat. Er wohnt mit seiner Familie ebenfalls im Camp. „Wir sind hier mit Knobibrot vertreten“, erzählt er.

Mittlerweile sind auch Bernd Nachtigall, Betreiber des Geschäftes „Freier Fall“, und Jeanine Wieser, deren Familie das Piratenschiff „Black Pearl“ betreibt, dazugekommen. „Der Klötzer Martinimarkt hat Kultstatus. Darauf können die Leute hier wirklich stolz sein“, bekräftigt Sperlich. Das Zuvorkommen der An- und Einwohner sei herausragend. „Das gibt es nirgendwo anders“, hat er festgestellt. Und die Runde ist sich einig: „Dass der Markt eine kommunale Veranstaltung ist, ist für die guten Rahmenbedingungen und den Erfolg mit ausschlaggebend.“ Die erfolgreichsten Volksfeste Deutschlands seien städtisch organisiert. Hamburger Dom und Münchener Oktoberfest genauso wie die Martinimärkte in Neuruppin, Parchim und Grabow, zählen sie auf.

Bei vielen Festen Ostdeutschlands sind die Schausteller vertreten. Familie Jacob reist von Klötze zum Martinimarkt nach Neuruppin. „Ich fahre eine Woche nach Hause und dann nach Grabow“, erzählt Nachtigall, der aus Elster/Elbe kommt. „Wir bringen die Pearl in den Heimathafen und fahren mit unserem Làngos-Geschäft nach Grabow“, ergänzt Wieser aus Jessen. Danach folgen Weihnachtsmärkte in Greifswald, Neubrandenburg und Meißen.

Bevor der Martinimarkt öffnet, ist noch einiges zu tun. „Bude säubern, einrichten, technische Wartung, Lichtkontrolle und und und“, heißt es aus der Runde. Für Ivonne Jacob steht die Hausaufgabenzeit mit Jason an, der im Wohnwagen den versäumten Schulstoff nachholt.

Mit den ungewöhnlichen und langen Arbeitszeiten hadern die Schausteller nicht. „Es gibt viele Branchen, in denen lange und nachts gearbeitet wird, Landwirtschaft, Gesundheitswesen und etliche andere“, zählt Jacob auf.

Anders ist aber, dass Schausteller während der Saison von einem Ort oft gleich zum nächsten reisen. Und die Saison ist lang, dauert von März bis Dezember, manchmal bis in die erste Januarwoche hinein. Danach ist Zeit für Erholung, aber auch für die Instandhaltung der Geschäfte und für die Neubewerbungen für die Feste 2020. „Klötze steht für uns natürlich mit im Programm“, bekräftig die Runde, so dass der Parkplatz an der Zinnberghalle auch 2020 wieder zum Schaustellercamp wird.