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Schüleraustausch Corona vermasselt Auslandsjahr

Nach sieben Monaten musste Ludwig Lenz aus Quarnebeck wegen der Pandemie aus Amerika zurückkehren. Ohne Tränen ging das nicht ab.

Von Markus Schulze 12.05.2020, 19:00

Quarnebeck l „Das war die beste Erfahrung, die ich je gemacht habe“, sagt Ludwig Lenz und gerät ins Schwärmen, wenn er an seine sieben Monate in den USA denkt. Über den American Field Service (AFS), eine Organisation, die Jugendlichen einen Aufenthalt im Ausland vermittelt, lebte er seit August 2019 bei einer Familie im Bundesstaat Indiana, genauer gesagt in Walton. Dort besuchte er die Lewis Cass High School, stieg mit der Nummer 32 zum Star des Football-Teams auf, wurde sogar zum besten Kicker der Gegend gekürt. Auch die Mannschaft war sehr erfolgreich, gewann den Regionalwettbewerb und avancierte zur zweitbesten Truppe in ganz Indiana. Der Sport half Ludwig auch dabei, schnell neue Freunde zu finden. „Das ist das Beste, was man als Fremder machen kann“, betont er.

Über Familie Deter, die ihn aufnahm, kann der Quarnebecker ebenfalls nur Positives berichten. Die „Eltern“, Blain und Jennifer, „waren 1 a“, ebenso die „Geschwister“ Oaklee, Maleigh und Brennan, die in ihm sofort den großen Bruder sahen. Entsprechend gerne hätte Ludwig das Schuljahr in Amerika zu Ende gebracht. Es war sogar schon klar, dass er vier Wochen länger bleiben kann. Doch dann kam das Coronavirus. Der AFS meldete sich bei seiner Gastmutti und Ludwig merkte sofort, dass etwas nicht stimmt. „Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und weinte. Die Kinder genauso. Ich habe gefragt, ob ich zurück nach Deutschland muss. Sie nickte. Da bekam ich auch feuchte Augen.“ AFS hatte beschlossen, die Austauschschüler zurückzuholen.

„Wir haben noch versucht, dass er dableiben kann“, erzählt Vater Andreas. „Es war aber nichts zu machen.“ Zumal mit Ende des Schuljahres auch die Aufenthaltserlaubnis von Ludwig erloschen wäre. Dazu die Krankenversicherung. Es nützte nichts. Die Zeit des Deutschen in Amerika war vorbei, der geplante Ausflug mit seiner Gastfamilie nach Florida wurde abgeblasen. Schon kurz darauf ging es heimwärts.

Für Ludwig bedeutete das einen 24-Stunden-Trip. Mit dem Flieger von Indianapolis nach New York. Vom „Big Apple“ über den Atlantik nach Amsterdam. Von Amsterdam nach Frankfurt. Dort fiel der erste Zug nach Wolfsburg aus. Ludwig erwischte den nächsten, schlief aber ein und landete in Berlin. Am Ende dieser Odyssee erreichte er schließlich doch noch Wolfsburg, wo ihn der Papa „im zweiten Anlauf“ endlich in die Arme schließen und nach Quarnebeck chauffieren konnte.

Dass es zum vorzeitigen Abbruch seines Auslandsjahres kommen könnte, hatte Ludwig in Anbetracht der Nachrichtenlage geahnt, wenngleich es rund um Walton noch keinen einzigen Infizierten gegeben hatte. Im Rest der USA sah das aber anders aus. Die Politik ergriff Maßnahmen und brachte das öffentliche Leben zum Stillstand. Einzig Supermärkte und Restaurants mit Außer-Haus-Verkauf durften weiter geöffnet bleiben. Andere Geschäfte hingegen mussten schließen.

Schulunterricht fand seit Mitte März nicht mehr statt. Die Aufgaben erhielt Ludwig per E-Mail. „In den USA sind die Schüler darauf aber besser vorbereitet“, sagt er. So ist das sogenannte E-Learning im Schulalltag gang und gäbe und jeder Schüler ist verpflichtet, sich von der Schule einen Laptop auszuleihen. Tafeln und Kreide gehören längst der Vergangenheit an. „Was das Multimediale angeht, ist man in den Staaten viel weiter als in Deutschland.“ Auch die Gasteltern reagierten prompt und baten Ludwig, das Haus nicht mehr zu verlassen. Andere waren weniger diszipliniert, stellte Ludwig fest. „Die haben weiter Party gemacht.“ Obwohl ihnen hätte auffallen müssen, dass es wirklich ernst geworden ist. Schließlich wurde sogar der Sport gestoppt. Und der genießt in den USA ein unheimlich großes Ansehen.

Seit dem 30. März ist der Quarnebecker wieder zuhause. Von hier aus, diese Option stand ihm frei, wird er das Schuljahr in den USA abschließen. Das World Wide Web macht es möglich. Im nächsten Schuljahr kehrt Ludwig dann an das Beetzendorfer Gymnasium zurück und wird die zehnte Klasse besuchen, die er aufgrund des Auslandsjahres verschoben hatte. Mit seiner Klassenlehrerin stand er stets im Kontakt. Weiter Kontakt hält der 15-Jährige nun auch mit seiner amerikanischen Familie und den Freunden dort. „Das ist wirklich schade, dass er sich nicht richtig verabschieden konnte“, bedauert Vater Andreas. Auch die Willkommensfeier in Quarnebeck musste wegen Corona abgesagt werden.

„Als Ludwig in die USA ging, war er noch ein halbes Kind. Jetzt ist er ein richtiger Teenager“, meint der Papa. „Er ist selbständiger geworden.“ Und ein richtiger USA-Fan. „Wenn ich mein Abi in der Tasche habe, würde ich gerne ein Jahr in die Staaten gehen, um da zu arbeiten“, sagt Ludwig. Dass er sein Schuljahr in Amerika nicht vollenden konnte, macht ihn traurig. Aber wenigstens hat er eine neue Kultur kennengelernt und sein Englisch verbessert. „Und von den Erfahrungen, die er gemacht hat, wird er sein Leben lang zehren können“, ist Papa Andreas überzeugt. Und eines gibt es noch, das Ludwig Lenz ein Leben lang bleiben und an die schönen Monate in Walton erinnern wird: eine Tätowierung auf dem Popo. Dort prangt nun die Nummer „32“.