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Sportplatz Kusey Anonymer Brief aufgetaucht

Der Zaunbau auf dem ehemaligen Sportplatz ließ die Wellen in Kusey hochschlagen. Ein anonymer Brief erreichte die Vorbesitzer der Fläche.

Von Meike Schulze 21.04.2016, 03:00

Kusey l Der Zaun, der einen Sportplatz teilt, erhitzt die Gemüter in Kusey weiterhin und zog deutschlandweit mediales Interesse auf sich. Doch was jetzt in dem kleinen Ort ans Licht kommt, geht unter die Gürtellinie.

Meist bekommt Herwig Bierstedt, er ist der selbstständige Landwirt, der die Fläche gekauft hat und nun betrieblich nutzen will, den „schwarzen Peter“ zugeschoben. Doch wie jede Medaille zwei Seiten hat, gibt es in Kusey nicht nur den Bauern, der in der öffentlichen Wahrnehmung meist „alle Kuseyer“ gegen sich vereint. Einwohner einzeln nach ihrer Meinung befragt, äußern, dass sie Bierstedts Beweggründe durchaus verstehen könnten. Und gleich mehrere verweisen darauf, dass dem Ackerbauern und Pferdezüchter in den Jahren zuvor auch Pachtflächen und Wegerechte entzogen worden sein sollen.

Bei neuen Recherchen der Volksstimme tauchte jetzt ein anonymer Brief auf, adressiert an die Verkäufer des Grundstücks. Der Brief, er liegt der Redaktion vor, hat den Absender „Wir sind Kusey“ und schließt mit der Verabschiedung „Alles Gute für die Einsamkeit, Kuseys Einwohner“. Dazwischen finden sich haarsträubende Textzeilen.

„Der Brief hat uns sehr aufgewühlt. Wir haben nächtelang nicht geschlafen“, sagt Rolf Uchereck. Er und seine Frau Inge hatten den Brief bereits am 25. Oktober 2013 im Postkasten – gut drei Monate, nachdem sie das Flurstück verkauft hatten, für das sie zuvor pro Jahr 28,14 Euro Pacht bekamen. „Man mochte gar nicht mehr ins Dorf gehen, das war eine schlimme Zeit“, ergänzt Inge Uchereck.

Kein Wunder bei Passagen wie: „In einem Dorf kommt euer Verhalten einem Selbstbegräbnis bei lebendigem Leibe gleich“ oder „Mit Freude an eigenen Enkelkindern und Kindern im Ort, wäret ihr wohl nicht so eigennützig und starrsinnig geworden.“

Überhaupt sei seit dem Verkauf „im Dorf alles anders“. Ucherecks würden aber nicht nur Ignoranz erfahren, sondern auch Zuspruch. „Dass der Sportplatz jetzt weg ist, finde ich nicht toll. Aber alles hat ja eine Vorgeschichte, die weit zurückliegt, und dann hat sich alles über die Jahre aufgeschunkelt“, sagt eine Kuseyerin.

Herwig Bierstedt erklärt: „Angefangen hat das alles im Jahr 2007, da hat die Gemeinde begonnen, mir alle Zufahrten und Flächen wegzunehmen, die ich gepachtet hatte.“ Schon lange vor der Wende habe seine Familie am sogenannten Park Grünland als Weidefläche für ihre Pferde gepachtet. 2007 sei die Fläche umgewidmet worden, hätte die Gemeinde ohne sein Wissen Abholzungen vorgenommen, den Zaun beschädigt. So sei es für ihn als Landwirt nach und nach immer enger geworden.

Als er 1993 von der Berliner Humboldt-Universität nach Hause kam, um in den elterlichen Betrieb einzusteigen, verfügte dieser über 30 Hek­tar. Als genügend Geld erwirtschaftet war, investierte er in neue Maschinen und Land. Über die Jahre 300 Hektar zusammen zu bekommen, sei nicht einfach gewesen. Im Ort gibt es weitere Landwirtschaftsbetriebe, die aus LPGen hervorgegangen sind. „Die haben viele Flächen gebunden, da ist es schwer, als Alleinkämpfer gegen anzukommen“, so Bierstedt.

Rolf und Inge Uchereck, 74 beziehungsweise 76 Jahre alt, wollten „einfach nur Gerechtigkeit walten lassen und Herwig helfen“. „Das ist ein ganz freundlicher, fleißiger und ordentlicher Landwirt. Auf dem Hof ist immer alles pikobello. Ich weiß nicht, warum man ihm so viele Steine in den Weg gelegt hat“, sagt Inge Uchereck. Sie berichtet, dass Bierstedt zunächst den einen Weg nicht mehr habe benutzen dürfen, um die Pferde auf die Weide zu bringen, „und den anderen Weg sollte er mit seinem Wasserwagen dann auch nicht mehr befahren“. Wie solle er denn unter solchen Umständen vernünftig arbeiten können? Also hätten sie sich entschieden, dem Bauern beizustehen. Es sei nichts Unrechtes dabei, wenn Ackerland in Bauernhand gelange. „Mein Vater hat das Land damals von Dr. Schultz-Lupitz gekauft. Ich habe das geerbt. Wir sind über 70 und werden auch nicht jünger“, begründet Rolf Uchereck, weshalb die Eheleute schon des Öfteren Land verkauft hätten.

Im Übrigen auch an die Gemeinde. Diese hatte beispielsweise vor Jahren für Gewerbeansiedlungen darum gebeten. „Wir tun keinem Menschen was, gehen mit jedem ordentlich um und waren immer zufrieden“, sagt Inge Uchereck.

Das bestätigen auch etliche Kuseyer in der Volksstimme-Umfrage. Mit Passagen des anonymen Briefes konfrontiert, distanzierten sie sich davon und bekundeten, dass das nicht ihrem Niveau entspreche und sie „nicht zu den Kuseyern gehören möchten, die so etwas unglaublich Schlimmes verfasst haben“.

Andere sagten: „Menschen persönlich so angehen, das würde ich auf keinen Fall.“ „Es ist schlimm, dass es so einen Brief überhaupt gibt.“ „Wer solchen Brief schreibt, sollte auch dazu stehen und seinen Namen darunter setzen.“ „Die Verwaltung hat jahrelang geschlafen, spätestens als auf dem Platz Ballfangnetze installiert wurden, hätte man zuvor das Land erwerben müssen.“ „So oft wie dargestellt, wurde der Platz von den Kindern auch nicht genutzt.“ „Die Weitsprunggrube und die Aschebahn zeigen ja, wie oft dort Sport getrieben wurde – eher wenig.“ „Den Brief verurteile ich. Überhaupt: Die Sache ist gegessen, jetzt muss nach vorne geschaut werden. Es gibt andere Flächen, die man so herrichten kann, dass im nächsten Jahr wieder Schulsport möglich ist.“

Bezeichnend für die Situation in Kusey ist jedoch, dass bis auf einen Befragten keiner seinen Namen hier genannt wissen wollte.