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Störche Nachwuchsrekord haarscharf verfehlt

2017 ist ein erfolgreiches Jahr für die Störche von Klötze bis Oebisfelde. Darüber berichtet Wolfgang Sender von der Naturparkverwaltung.

Von Siegmar Riedel 27.07.2017, 03:00

Klötze l Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schaut Wolfgang Sender auf die Zahlen in seiner Statistik. Die weist aus, dass 2017 eigentlich ein Rekordjahr für die Störche in der Region hätte werden können. Wenn es da nicht einige tragische Vorfälle gegeben hätte. Aber der Reihe nach.

„Viele Störche kamen in diesem Jahr sehr früh aus ihren Winterquartieren zurück“, informiert Wolfgang Sender. „Gefühlt schiebt sich die Ankunft immer weiter nach vorn.“ Für seine Erklärung muss er etwas weiter ausholen: Vor zehn Jahren hätten er und seine Kollegen befürchtet, dass die sogenannten Westzieher unter den Störchen, die über Spanien ihre Winterquartiere in Afrika erreichen, aussterben werden. Denn sie fliegen über die Sahelzone, die sich immer weiter ausbreitet. In dem Übergangsgebiet zur Savanne im Süden herrschen oft verheerende Dürren. Diese sich ausdehnenden Trockenbereiche zu überfliegen, würden die meisten Störche nicht überleben. „Aber Störche sind anpassungsfähig und erschließen sich neue Nahrungsquellen“, erklärt Sender. Die Westzieher überwintern deshalb kurzerhand in Spanien und sparen sich den Flug nach Afrika.

Begünstigt wird dieser Wechsel unbeabsichtigt durch die Politik der EU. Die Entscheider in Brüssel fördern die spanische Landwirtschaft, wo jetzt sogar Reis angebaut wird. „Das passt zwar hinten und vorne nicht, da der Reisanbau sehr wasserintensiv ist“, findet Wolfgang Sender. „Aber weil die Reispflanzen ständig im Wasser stehen müssen, entwickeln sich kleine Krebse in Massen – eine gute Nahrungsquelle für Störche.“ Die Adebare fühlen sich dort inzwischen so wohl, dass sich der Bestand der Störche in Spanien in einem Jahrzehnt verdoppelt hat. Zudem gilt in Spanien noch eine Sonderregelung für die Müll­entsorgung. Dort muss der organische Müll noch nicht getrennt werden, sodass die Störche auf den Deponien viele Leckerbissen finden.

Da die Westzieher nun nicht mehr den langen Weg bis nach Afrika zurücklegen müssen, sondern in Spanien überwintern, treffen sie im Sommer viel früher in unseren Breiten ein. Wie seit Jahren kamen die Miester Störche am 2. und 10. Februar als erste an. In Dannefeld trafen sie am 10. und 14. Februar ein, in Kunrau am 25. und 27. Februar. „Die Westzieher kommen bis März an, die Ostzieher von März bis Mitte Mai“, weiß Wolfgang Sender.

Er zählte in diesem Jahr 47 Brutpaare, eines weniger als im besten Jahr 2016. Insgesamt zogen sie 104 Jungvögel groß. „Das ist das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen 1985“, freut sich Sender. Im Rekordjahr 2004 sind 116 Störche flügge geworden.

Der Wermutstropfen: „Die Zahl 104 hätten wir locker überbieten können, wenn da nicht diese unnatürlichen Verluste gewesen wären“, bedauert der Experte. In Calvörde ist zum Beispiel ein Altstorch überfahren worden. „Die Jungen haben wir zur Pflege zum Storchenhof nach Loburg gebracht“, berichtet Wolfgang Sender. Drei der vier Jungtiere überlebten. Weil sie in der Natur aber keine Chance gehabt hätten und nur durch den Eingriff des Menschen nicht gestorben waren, fließen sie nicht mit in die Statistik ein.

Auch in Taterberg ist ein Altstorch überfahren worden. Zwei Jungtiere konnten nicht mehr versorgt werden und starben. Alles in allem gibt Wolfgang Sender die Verluste bei den Jungvögeln durch unnatürliche Vorfälle mit zehn an. In diesem Jahr hätten also nicht nur 104 Störche flügge werden können, sondern locker 114.

Zudem forderte das Unwetter vor drei Wochen seinen Tribut. In der Kolonie Krügerhorst ist ein Nest zerstört worden. Stromleitungen waren gerissen, aber die Avacon konnte nicht gleich eingreifen. Ein Junges fiel unterkühlt aus dem Nest und starb.

Dramatisch auch der Vorfall auf „Tante Lottis Gehöft“ in Kahnstieg. Durch den Sturm fiel ein Schornstein um – zwei junge Störche starben. In Buchhorst zerstörte der Sturm ein Nest und verschüttete drei kleine Störche unter Nistmaterial. Mit Hilfe der Feuerwehr und der Avacon rettete Wolfgang Sender die Kleinen und päppelte sie unter Rotlicht auf. Nachdem das Nest schnell hergerichtet und die Jungen eingesetzt worden waren, bekamen sie nach einigen Stunden wieder Futter von den Eltern.

Insgesamt schätzt Wolfgang Sender das Wetter als sehr durchwachsen ein. „Anfangs war es gut“, sagt er. „Störche, die früh eintrafen, zogen viele Junge groß.“ Die später ankommenden Adebare seien dagegen gestresst gewesen vom schlechten Wetter in Afrika und legten weniger Eier. Außerdem hätten sie noch die Unwetter hier verkraften müssen.