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Abschiebung Unternehmerin fühlt sich bestraft

Der 31-jährige Gazmend Syla soll trotz Job zurück in den Kosovo. Die Behörden wollen ihn ausweisen.

Von Christina Bendigs 29.09.2015, 01:01

Magdeburg l Gazmend Syla ist am vorigen Mittwoch zum Mitarbeiter des Monats gewählt worden. Dabei hat er erst am 1. September seine Ausbildung bei Intersport am Breiten Weg begonnen. Die Wahl zeigt: Das Team ist höchst zufrieden mit dem Azubi. Doch nun bangt er um seine Zukunft. Denn Gazmend Syla kommt nicht aus Deutschland, sondern aus dem Kosovo. Und morgen läuft seine Aufenthaltsgenehmigung ab. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seinen Antrag auf Asyl abgelehnt, den er lange bevor klar war, dass er eine Ausbildung beginnen können würde, gestellt hatte. Verärgert ist darüber Unternehmerin Sabine Große.

„Er ist aus allen Hilfesystemen raus, trotzdem soll er abgeschoben werden.“

Schließlich hatte sie, nachdem sie keine Azubis aus Deutschland fand, ganz bewusst den Weg zum Asylbewerberheim in Wolmirstedt gewählt, um einem Flüchtling eine Chance zu geben. „Jetzt ist er aus allen Hilfesystemen raus, trotzdem soll er abgeschoben werden“, erzählt sie. Das kann sie nicht verstehen, schließlich trage sie als Unternehmerin das volle Risiko.

Warum er sein Heimatland verließ? „Es ist sehr schwer, dort zu leben“, sagt Gazmend Syla. Sechs Monate habe er beispielsweise in einem Restaurant gearbeitet – und 500 Euro als Lohn erhalten. Also machte er sich auf nach Deutschland. Am 30. Januar reiste er aus dem Kosovo aus – über Serbien nach Ungarn, wo er fünf Tage im Gefängnis saß und dann 1000 Euro investierte, um von „Leuten“, wie er sagt, nach Deutschland mitgenommen zu werden. Am 9. Februar kam er in Deutschland an – von Dortmund ging es nach Düsseldorf, von Düsseldorf nach Krefeld, von Krefeld nach Köln, von Köln nach Halberstadt und von Halberstadt schließlich am 17. April in ein Wohnheim in Wolmirstedt. Als Jugendlicher schon einmal Kriegsflüchtling in Deutschland, kann Gazmend Syla auf gute Deutschkenntnisse zurückgreifen. Er hilft in Wolmirstedt als Übersetzer.

Von Anfang an habe er arbeiten wollen, sagt er. Doch in den ersten drei Monaten durfte er nicht, hätten ihm Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Wolmirstedt gesagt. Danach habe er sich in Magdeburg umgehört, doch nur ablehnende Antworten erhalten. Schließlich klopfte das Glück in Person von Sabine Große an die Tür des Asylbewerberheimes. Ein erstes Gespräch und ein Praktikum folgten, und schließlich stand fest: Der 31-Jährige darf seine Ausbildung bei Intersport beginnen. Eine Wohnung ist sogar auch schon gefunden.

Für Sabine Große war es mit Aufwand verbunden. Doch der hat sich aus ihrer Sicht gelohnt, so sehr, dass sie sich nun dafür einsetzen möchte, dass ihr Azubi, der so selbstständig, korrekt und engagiert arbeitet, in Deutschland bleiben kann. Doch bisher haben all ihre Bemühungen nichts gebracht – auch nicht das Gespräch mit Innenminister Holger Stahlknecht. Die Ausländerbehörde in Wolmirstedt habe ihr erklärt, dass der Kosovo-Albaner keine Chance auf ein Bleiberecht habe, weil er aus dem Kosovo stamme, die Ausländerbehörde in Magdeburg habe sie ans Innenministerium verwiesen.

„Uns interessiert der Mensch dahinter.“

Dort warte man nun auf Zeugnisse, die Gazmend Syla aber aufgrund der Umstände nicht vorweisen kann. Sabine Große ist das egal. „Uns interessiert der Mensch dahinter“, sagt Große, auch bei deutschen Jugendlichen stünden beim Auswahlverfahren nicht die Noten im Vordergrund. Ihr Eindruck ist, dass Asylbewerber wie Nummern behandelt werden. „Aber das sind keine Nummern, sondern Menschen. Viele von ihnen haben Berufe, die bei uns gesucht werden“, sagt sie. Und: „Ich als Unternehmerin werde für meine Initiative bestraft.“

Ihre Motivation sei inzwischen stark eingeschränkt, „und Deutschland lebt davon, dass es engagierte Unternehmer gibt“. Ob sie noch einmal einen Asylbewerber als Auszubildenden nehmen würde, ist fraglich. Das liegt jedoch nicht an Gazmend Syla. Ganz im Gegenteil. Es liegt an der Bürokratie.

Eine grundsätzliche Information zu diesem Fall erfährt gestern auch die Volksstimme nicht. Das Bundesamt für Migration verweist an die Ausländerbehörde, die zuständige Behörde im Landkreis Börde an das Innenministerium, die Magdeburger Ausländerbehörde ist nicht zuständig. Die Antwort des Innenministeriums steht noch aus.