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Bürgerforum Neue Zast: 3 oder 4, aber keine 15 Jahre

Gegen die vom Land geplante Zentrale Aufnahmestelle (Zast) für Flüchtlinge in Magdeburg formiert sich weiter Widerstand.

Von Jana Heute 05.10.2015, 01:01

Magdeburg l Das heilige Dach der katholischen Sankt-Petri-Kirche kann die aufgeheizte Stimmung am Freitagabend kaum dämpfen. Und das liegt nicht nur am schlecht eingestellten Mikro. Über zwei Stunden lang versucht das mit Polizeipräsident, Innenminister und Fachbereichsleitern besetzte Podium die Wogen zu glätten. Eine fast unmögliche Aufgabe. Zu groß ist der Frust über die Entscheidung, mitten in das idyllische Wohngebiet im Herrenkrug (rund 1000 Bewohner) eine Erstaufnahmestelle des Landes mit bis zu 1500 Flüchtlingen zu pflanzen. Zu groß sind die Ängste um die Sicherheit der Anwohner oder vor dem Wertverfall der Häuser. Zu klein das Verständnis für die Not der Flüchtlinge, die in der Zast in Halberstadt zurzeit noch in Zelten leben. „Wir haben keine Zeit. Das ist der Grund, warum wir das Gelände in der Breitscheidstraße ausgewählt haben. Es ist landeseigen, sofort verfügbar und voll erschlossen. Wir brauchen schnelle Lösungen“, versucht es Stahlknecht mit Argumenten. Es hilft nichts. Er und die anderen im Podium müssen sich immer wieder Beschimpfungen anhören: „Lügner“, „Herr Stahlknecht, hören Sie auf zu grinsen“, „Schnapsidee“ und Ähnliches hallt laut durch das Kirchenschiff.

Die 500 verfügbaren Plätze waren Minuten vor Beginn komplett besetzt, etwa 250 Besucher müssen die Diskussion außerhalb der Kirche via Lautsprecher verfolgen. Drinnen kämpfen Stahlknecht & Co. weiter gegen Windmühlen. Seine Bitte, „trotz aller Emotionen“ sachlichen und respektvollen Umgang zu wahren, erstickt weithin. Populisten vor allem aus der rechten Ecke mischen kräftig mit und heizen unter anderem durch Zwischenrufe die Stimmung weiter an. Die Veranstaltung droht endgültig zu kippen, als rechtsgerichtete Teilnehmer Richtung Podium stürmen und ein Banner mit der Aufschrift „Alle sagen Nein zu neuen Asylantenheimen!“ entrollen. Beamte gehen dazwischen und zwingen sie zurück an ihren Platz.

Wie tief der Riss ist, zeigen auch Wortmeldungen aus dem linken Lager. Es gibt zugleich Buhrufe und Applaus, etwa als es um die Frage geht, ob die Flüchtlinge auch menschenwürdig untergebracht und vor Übergriffen geschützt werden.

An den Plänen für den Standort Herrenkrug bleibt derweil kein gutes Haar. Immer wieder werden Sorgen und Ängste der Anwohner laut. Die Polizeipräsenz solle erhöht werden, kündigt Stahlknecht an. Als ein Vater zu bedenken gibt, dass viele der Flüchtlinge junge Männer mit „einem natürlichen Bedürfnis“ seien, schnappt Stahlknecht nach Luft. „Sie wollen jetzt nicht sagen, dass alle Asylbewerber aus Notdurft Frauen vergewaltigen“, empört er sich und meint: „Manchmal fehlen mir die Worte.“

Kritik gibt es auch wegen der späten Information sowie fehlenden Beteiligung der Bevölkerung. Die Aussage des Ministers, die neue Erstaufnahmestelle im Herrenkrug werde die erste in Sachsen-Anhalt sein, die zurückgebaut wird, ist da nur ein schwacher Trost. „Ich kann Ihnen heute nicht sagen, ob es zwei, drei oder vier Jahre sind, aber 15 oder 20 Jahre sind es nicht“, so seine Prognose. Viel ruhiger lässt das die Anwohner der Breitscheidstraße vermutlich nicht schlafen.