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Demonstrationen Polizei lässt Wissenschaftler abblitzen

Team um Leipziger Wissenschaftlers Stephan Poppe wollte die Teilnehmerzahl auf den Demos am Mittwoch ermitteln. Die Polizei ließ sie nicht.

16.10.2015, 01:01

Magdeburg l  Wie das dreiköpfige Team über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, seien sie daran aber von der Polizei gehindert worden. Die drei Studenten - Projektleiter Poppe war selbst nicht in Magdeburg - wollten Übersichtsaufnahmen von einer Brücke am Schleinufer machen, wurden aber von Einsatzkräften vor Ort des Platzes verwiesen.

Die Polizei bestätigte den Vorfall auf Nachfrage. „Wir haben beide Veranstaltungen getrennt. Das Team hatte sich vorher nicht angemeldet und hatte keine Presseausweise dabei“, sagt Marc Becher. Grundsätzlich wäre die Zählung aber kein Problem gewesen. Auch die Volksstimme und andere Medien konnten am Schleinufer fotografieren. Nach übereinstimmenden Medienberichten waren bei der AfD-Demo und beim Gegenprotest am Mittwoch 4000 Leute – jeweils 2000 Teilnehmer auf beiden Seiten. Grundlage für die Zahl ist eine Zählung der Polizei. Je nach Lager und Anhängerschaft werden diese Zählungen regelmäßig angezweifelt und infrage gestellt. Ein Phänomen, das sich landauf, landab regelmäßig zeigt.

Aus diesem Grund hat Poppe vor neun Monaten das Projekt „Crowd Counting“ ins Leben gerufen. „Man darf keiner Zahl trauen, hinter der ein Interesse steckt“, begründet Poppe. Erfahrungen hätten gezeigt, dass Veranstalterangaben oft falsch seien. Auch Zählungen von Behörden seien oft ungenau.

Schuld daran ist unter anderem der Faktor Zeit. Wer als Erstes eine Zahl nenne, setze damit einen Pflock, an dem sich andere abarbeiten müssten. „Das ist ein bisschen wie beim Autokauf. Wer zuerst einen Preis nennt, hat die bessere Verhandlungsposition, an der sich die Gegenseite abarbeiten muss“, so Poppe. Das Team um den Wissenschaftler geht in zwei Stufen vor. In einem ersten Schritt schätzen die geübten Wissenschaftler vor Ort mit Reihenzählungen, Flächenabschätzungen und direkter Zählung. In einem zweiten Schritt werden Videos ausgewertet. „Da zählen wir jede einzelne Person“, sagt Poppe. Das dauere bis zu einem Tag. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass Vor-Ort-Schätzungen in der Regel um 20 bis 30 Prozent vom Endergebnis abweichen würden. Infos zum Projekt: www.crowdcounting.de