EIL

Lebenshilfe-Bau Ton verschärft sich

Das Lebenshilfewerk Magdeburg mahnt beim Land grünes Licht für die Finanzierung des Ersatzneubaus an.

Von Marco Papritz 17.10.2015, 01:01

Magdeburg l Die Lebenshilfe findet deutliche Worte, die an das Land adressiert sind: „Die Lebenshilfe fordert die Politik auf, sich diesem Projekt zu stellen und den notwendigen Ersatzneubau zu refinanzieren. Oder den 72 betroffenen behinderten Menschen und ihren Angehörigen klar zu sagen, dass zeitgemäßer, barrierefreier Wohnraum für diesen Personenkreis in Sachsen-Anhalt nicht gewünscht ist, weil sie es nicht wert sind!“, heißt es in einer Erklärung, die von Heike Woost (Geschäftsführerin) und Klaus-Dieter Pantke (Vorstandsvorsitzender des Lebenshilfe-Vereins) unterschrieben ist. Die Erklärung ist bei einem Krisentreffen am Montag, an dem u. a. eine Vertreterin des Sozialministeriums teilnahm, verteilt und nun abermals publik gemacht worden.

Was ist passiert? Die Lebenshilfe hat 2013 ein Grundstück von der Stadt erworben mit dem Ziel, zwei Neubauten zu errichten, in denen u. a. barrierefreies Wohnen in Einzelwohnungen mit eigenen Bädern ermöglicht wird und es weg von Gemeinschaftsunterkünften geht. Seit Juni liegt dafür eine Baugenehmigung vor. Seit März 2014 stünden Vorstand und Geschäftsführung in Kontakt mit dem Sozialministerium und der Sozialagentur in Halle. Bewohnerbeirat und der Behindertenbeauftragte des Landes stimmten für das Bauvorhaben – die Sozialagentur verweigert bislang als Träger der Kosten für die Unterbringung von behinderten Menschen mit Hinweis auf den zu hohen Preis des Bauvorhabens die Bewilligung. Ohne diese kann die Lebenshilfe, die das knapp 19 Millionen Euro schwere Bauprojekt über Eigenkapital und Darlehen stemmen will, keine Abschreibung vornehmen, womit das Projekt gescheitert wäre.

Im Blickpunkt steht bei den Differenzen ein als Appartementhaus geplantes Haus, das die Lebenshilfe als Ersatz für jenen Wohnblock am Schrotebogen errichten möchte, dessen Zukunft aufgrund seines desolaten Zustandes ungewiss ist. Modernes Wohnen in barrierefreien individuellen (einzelnen) Wohnungen als Anspruch für die zukünftige Gestaltung auf der einen steht dabei Zweifeln an der Kostenhöhe sowie der Notwendigkeit der Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in Einzelappartements auf der anderen Seite gegenüber. Staatssekretärin Anja Naumann stellte am Montag infrage, ob „nur Einzelzimmer die wahre Lösung“ zur Unterbringung von behinderten Menschen seien.

Der Verweis der Sozialagentur auf die „zu hohen Kosten“ würde laut Lebenshilfe nicht berücksichtigen, dass die barrierefrei geplanten Wohn-, Sanitär- und Aufenthaltsräume den gestiegenen Sicherheitsstandards (Auflagen der Bau- und Genehmigungsbehörden) unterliegen“. Eine Unterbringung der behinderten Menschen in geeigneten Wohnungen der freien Wohnungswirtschaft, die von der Lebenshilfe als Alternative geprüft wurde, „kann weder baulich noch wirtschaftlich vertretbar zur Verfügung gestellt werden“. Und: „Es sind weder eine konsenzfähige Verständigung noch fachliche Einsichten in die Realität seitens der zuständigen Behörden erkennbar“, resümiert die Lebenshilfe, die einen akuten Handlungsbedarf seitens des zuständigen Sozialministeriums sieht.

„Die Schärfe im Ton seitens der Lebenshilfe macht betroffen. Mit wüsten Beschimpfungen und Unterstellungen kommen wir nicht weiter“, äußert sich Ministeriumssprecher Holger Paech auf Volksstimme-Nachfrage. Das Sozialministerium verwahre sich entschieden gegen „die bodenlose Behauptung der Lebenshilfe, das Land würde behinderten Menschen unterstellen, dass sie zu hohe Kosten verursachten, oder dass sie es nicht wert seien, mit zeitgemäßem, barrierefreiem Wohnraum versorgt zu werden“. Das Sozialministerium geht davon aus, dass die Sozialagentur und die Lebenshilfe in „sachlich-konstruktiver Atmosphäre eine Lösung finden werden“, so Paech weiter. Es sei dabei ausdrücklich auch an der Lebenshilfe selbst, diesen gemeinsamen Weg nicht zu verlassen, auch um dem von ihr selbst beschriebenen akuten Handlungsbedarf gerecht zu werden.