1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Wiedersehen nach 19 Jahren

Zwillinge Wiedersehen nach 19 Jahren

Sonja und Marga sind Zwillinge, leben auf unterschiedlichen Kontinenten und haben sich 19 Jahre nicht gesehen - bis zu ihrem 80. Geburtstag.

Von Karolin Aertel 02.02.2016, 00:01

Magdeburg l Zwillinge wollen in der Regel nicht getrennt werden. Doch das Leben nimmt selten Rücksicht darauf. So, wie bei Sonja Uherek und Marga Anram (gebürtige Weber). Ihre Wege trennten sich vor über 60 Jahren.

Marga Anram entschied sich Anfang der 50er Jahre für ein Leben in Westdeutschland, ehe sie 1968 nach Amerika auswanderte. Zurück ließ sie neben ihrer Zwillingsschwester Sonja auch ihre Schwestern Monika und Hildegard, sowie ihre vier Brüder Konrad, Walter, Hans-Jürgen und Rainer Weber. Ein paar Mal war sie noch nach Deutschland zurückgekehrt. Manch einer aus der Familie besuchte sie auch in ihrer neuen Heimat Augusta /Georgia.

Nur ihre Zwillingsschwester hat die weite Reise nie auf sich genommen. Zwar haben sie über Video-Chat und Whats-App Kontakt gehalten, nur in die Arme schließen konnten sie sich nicht. Und das 19 Jahre lang. Bis zum vergangenen Sonntag, ihrem 80. Geburtstag.

Die Familie feierte in einem Hotel in Ebendorf. Um die Schwester in Amerika an der Familienfeier teilhaben zu lassen, versuchten sie Marga per Video-Chat zu erreichen. Doch die Internetverbindung war äußerst schlecht. Und das aus einem einfachen Grund: Marga Anram befand sich zu dieser Zeit schon in einem Konferenzraum im Keller des Hotels. Niemand ahnte etwas. Schickten ihr gar noch Grüße per Handynachricht.

Und plötzlich stand Marga im Raum vor ihrer Zwillingsschwester und ihren Geschwistern. Die Überraschung war groß. „Ich fiel in eine Schockstarre“, erzählt Sonja Uherek. „Ich konnte nichts sagen; ich konnte es gar nicht glauben.“

Ihre Schwiegertochter Petra, die neben Sonja Uhereks Söhnen Bodo, Detlef und Ronald als Einzige eingeweiht war, beobachtete den besonderen Moment. „Alle haben den Atem angehalten“, erzählt sie. Keiner habe auch nur annähernd damit gerechnet gehabt. Sie seien sich mit Tränen in den Augen in die Arme gefallen. Es war eine unglaublich emotionale Überraschung zum 80. Geburtstag der Zwillingsschwestern.

Vier Wochen lang wird Marga Anram nun in Magdeburg bei ihren Geschwistern bleiben. Beim gestrigen gemeinsamen Frühstück mit ihrer Zwillingsschwester Sonja und der jüngsten Schwester Monika wurde tief in den Erinnerungen gekramt. Erinnerungen an ihre Mutter Hilde Henne und ihren Vater Walter Weber, die mit ihren Kindern von Wanzleben nach Magdeburg zogen. „Wir wohnten damals in der Leibnizstraße und konnten auf den Innenhof der damaligen Humboldtschule schauen“, weiß Marga Anram, als wäre es gestern gewesen. Sie sei gespannt, wie sich Magdeburg entwickelt hat und ob ihre Erinnerungen noch damit übereinstimmen.

Sie habe seit jeher ein gutes Gedächtnis, da sie seit der Geburt an Grauem Star litt und die Welt immer schon mit geschärftem Sinn wahrnehmen musste. Den Grauen Star habe sie als 16-Jährige in Tübingen operieren lassen. Wegen der Nachbehandlungen habe sie lange Zeit dort bleiben müssen. Als sie nach Magdeburg zurückkehrte, fühlte sie sich nicht mehr wohl in ihrer Heimat. So entschied sie sich, nach Baden-Württemberg zurückzukehren, wo sie letztlich auch ihren Mann kennenlernte, der im Dienst der Army stand und dem sie 1968 in die Staaten folgte.

1997 sei Marga Anram das letzte Mal in Deutschland gewesen. Es gibt viel zu erzählen, was sie mit Freude tut. Ihre Schwestern kommen kaum zu Wort. So sei es nicht immer gewesen. Als Kind habe Sonja den Ton angegeben. „Sie war wie eine Mutter. Sie war die Bestimmerin“, erzählt ihre Schwester. Doch heute habe sich das ein wenig geändert. Inzwischen scheint Sonja Uherek die Ruhigere zu sein. „Ich komm ja nicht zu Wort“, sagt sie scherzend. Woraufhin ihre Zwillingsschwester zugibt: „Ja, ich bin immer ein bisschen hyper.“

Übrigens: Obgleich sie Zwillinge sind, hätten sie beinah nicht am selben Tag Geburtstag gehabt. Denn wäre Sonja Uherek nur wenige Sekunden eher geboren, hätte sie auch einen Tag eher Geburtstag. 24 Uhr habe sie das Licht der Welt erblickt, ihre Zwillingsschwester folgte zehn Minuten später. Doch egal, ob zehn Minuten oder ein Tag? Ein Zwillingsherz schlägt stets im gleichen Takt. Selbst, wenn ein Herz in Amerika ist.