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RGM Rothensee Mitarbeiter rettet mit Mut 57 Kollegen

Magdeburger Unternehmen wird nach Insolvenz fortgeführt. Mitarbeiter Sascha Scholz rettet seine Kollegen vor der Arbeitslosigkeit.

Von Christina Bendigs 12.03.2016, 00:01

Magdeburg l Einst hatte er den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt, heute ist er Geschäftsführer der RGM Rothenseer Guss- und Metallbearbeitungs GmbH im Gewerbegebiet Nord bei Rothensee. Denn Sascha Scholz hat sich entschlossen, das insolvente Unternehmen fortzuführen und bewahrte auf diese Weise 57  Mitarbeiter vor dem Weg in die Arbeitslosigkeit. „Das war auch von Anfang an so angedacht“, berichtet er. Seinen Arbeitsplatz in den Werkhallen hat er inzwischen mit einem Büro getauscht – nicht immer nur zur Freude. „Hier ist es auch anstrengend, vielleicht sogar anstrengender“, sagt er. Und wenn er dann doch mal in den Hallen unterwegs ist, muss er sich auch so manchen Spruch gefallen lassen: „Willst du dir die Hände nicht mehr schmutzig machen?“, werde er dann gefragt. Doch das ist alles nur Spaß. Seine Kollegen wissen, dass Scholz lieber in den Hallen arbeiten würde. „Ich bin Kfz-Mechaniker, Schlosser“, sagt der 35-Jährige.

Das Unternehmen hat er von seinem Schwiegervater übernommen. 2006 stieg er dort als Arbeitsvorbereiter ein, war später im Qualitätsmanagement tätig. Und sein Aufstieg in die Geschäftsführung war schon länger geplant gewesen. Dass es nun aber auf diese Weise kommen würde, damit hatte Sascha Scholz nicht gerechnet. „Ich war damals in Elternzeit“, sagt der zweifache Vater. Die Aufträge gingen zurück, Kunden hätten Rechnungen nicht gezahlt. Und irgendwann war es zu spät, die Insolvenz sei nicht mehr abzuwenden gewesen.

Worauf Sascha Scholz jedoch stolz ist, ist der Umgang mit den Mitarbeitern während dieser Zeit. Alle hätten immer ihr Geld bekommen, bis zum Schluss. 20 mussten im Zuge der Insolvenz gehen – darunter geringfügig Beschäftigte, Leute, die in den Ruhestand wechseln konnten, aber eben auch einige fest Angestellte. Scholz und sein Schwiegervater bedauern das bis heute: „Wir hätten die Arbeitsplätze gern erhalten“, versichert Scholz. Doch ohne diese Maßnahmen „hätten wir den Betrieb nicht wieder solvent bekommen“. Die Energie- und die Personalkosten bildeten die Stellschrauben, mit denen der Betrieb wieder auf Kurs gebracht werden konnte. Andernfalls hätten wohl auch die jetzt noch 57 Mitarbeiter ihre Jobs verloren und die Tore der damaligen UWS Rothenseer Guss und Metallbearbeitungs GmbH wären komplett geschlossen worden.

Doch das konnte verhindert werden. Und so ist Sascha Scholz jetzt vor allen Dingen damit beschäftigt, neue Verträge mit Kunden zu schließen und neue Kunden zu suchen, damit sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens weiter bessert. Drei bis vier Kundengespräche habe er in den vergangenen drei Wochen täglich geführt. „Und nach Feierabend ist man gedanklich ja trotzdem beim Unternehmen“, sagt er.

Für Freizeitvergnügen und die Familie bleibt da immer weniger Platz. Ans Snowboarden, was Sascha Scholz gern mag, ist seit der Geburt seiner Kinder vorerst nicht zu denken. Und für das Schrauben an Autos, das er durch seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker beherrscht, hat er kaum noch Zeit.

Doch was wird eigentlich in dem Metallbearbeitungsunternehmen im Gewerbegebiet Nord genau gemacht? Eigentlich sei der Betrieb eine Putzerei, erklärt Sascha Scholz. Und in einer Putzerei werden Teile aus Gießereien für den Verkauf oder die mechanische Bearbeitung vorbereitet. Dazu gehört im einzelnen auch das Wärmebehandeln von Gussteilen verschiedener Stahlqualitäten, welches in sieben Öfen der RGM erfolgen kann, bis zur Überprüfung der Qualität der Gussstücke in Form von Magnetpulver-, Farb-eindring- oder Ultraschallprüfungen sowie die anschließende Reparatur dieser Teile durch Schweißungen.

„Das ist der aufwendigste Teil der Arbeit“, sagt Sascha Scholz, und deshalb würden die Gießereien diesen Teil des Produktionsprozesses oft auslagern. Um diese Aufträge bemüht sich Sascha Scholz nun vom Büro aus. „Eigentlich ist es hier viel zu leise“, sagt der Osterweddinger und blickt aus seinem Fenster in Richtung der Werkhallen. Die schweren Geräte, mit denen das Metall bearbeitet wird, sorgen auch für ordentlich Lärm. Wer dort arbeitet, habe einen Knochenjob, weiß Sascha Scholz aus eigener Erfahrung, „ich ziehe meinen Hut vor Leuten, die das machen“. Bei Bewerbungsgesprächen bliebe etwa einer von zwanzig. Doch auf diejenigen ist Verlass. Und seine Hoffnung ist, dass er ihnen auch in Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz bieten kann.