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Altenpflege Der lange Weg zur Kurzzeitpflege

Magdeburgerin beklagt Hürden bei der Suche nach einem Pflegeplatz.

Von Christina Bendigs 14.04.2016, 01:01

Magdeburg l Eigentlich wollte Renate Becker (74) im Sommer gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Mutter verreisen. Doch die Mutter verletzte sich, ist inzwischen pflegebedürftig. Die Suche nach einem Kurzzeitpflegeplatz stellte das Paar vor eine enorme Hürde.

Renate Beckers Mutter lebte bis zum vergangenen Jahr noch in einem „Betreuten Wohnen“ für Senioren. Eigentlich wollte sie gemeinsam mit ihr und ihrem Mann im Sommer verreisen. Auf die Reise hatten sich alle gefreut. Doch daraus wird nun nichts. Denn die 100-Jährige stürzte, verletzte sich schwer und ist nun auf Hilfe angewiesen. In ein Heim sollte sie nicht ziehen müssen. Stattdessen nahmen Renate Becker und ihr Mann die Seniorin zu sich und pflegen sie nun zu Hause.

Ein enormer Aufwand für die Eheleute, der täglich viel Zeit in Anspruch nimmt. Damit sich Renate Becker und ihr Mann auch einmal erholen können und die Urlaubsreise nicht abgesagt werden musste, entschied sich die 100-Jährige, für einen überschaubaren Zeitraum in ein Pflegeheim zu gehen. Gesagt, getan? – Nein, so einfach war es leider nicht, bedauert Renate Becker, die sich frühzeitig um einen Kurzzeitpflegeplatz für ihre Mutter bemühte.

Doch trotz des langen Vorlaufs erhielt sie von fünf Heimen, in denen sie persönlich vorsprach, nur ablehnende Bescheide: „Entweder sie haben gesagt, dass sie keine Plätze haben, oder sie haben gesagt, wir sollen uns acht Tage vorher noch mal melden.“ Ein Unding, findet Renate Becker. Denn der Familie fehlt die Planungssicherheit. Garantien gibt es nicht. Der Urlaub stand zur Debatte. „Es war einfach niederschmetternd“, sagt die Rentnerin, denn auch weitere telefonische Anfragen in anderen Heimen führten nicht zum Erfolg.

Sabine Lüscher leitet das Vitanas Senioren Centrum Elbblick an der Jakobstraße. „Wir sind eine stationäre Einrichtung mit eingestreuten Kurzzeitpflegeplätzen“, sagt sie. Anfragen für Kurzzeitpflegeplätze gebe es immer wieder, mal mehr, mal weniger. Ob Plätze vergeben werden können, hinge von der jeweiligen Belegung der Einrichtung ab. Wenn es zum Beispiel jetzt einen freien Pflegeplatz gebe, könne sie diesen im Fall einer Anfrage nicht Wochen und Monate im Voraus freihalten. „Das ist oft schwierig, auch für Betroffene“, sagt sie verständnisvoll. Sie selbst biete den Leuten an, dass sie sich auf eine Warteliste setzen lassen können.

Manchmal sei es in der Tat sinnvoll, sich erst kurz vorher zu melden. „Hätte ich einen freien Platz, dann würde ich ihn in jedem Fall auch vergeben“, sagt sie, „selbst wenn derjenige nur für zwei Wochen in die Einrichtung kommt.“ Denn aus ihrer Sicht hat das auch etwas mit Service zu tun und mit einem Blick in die Zukunft. Vielleicht entschieden sich Menschen, die Pflegeheimen skeptisch gegenüberstünden und partout in ihrem eigenen Wohnumfeld bleiben wollen, durch die Erfahrung während einer Kurzzeitpflege für den dauerhaften Einzug in ein Seniorenzentrum, gibt sie zu bedenken.

Die selbstständige Pflegeberaterin Daniela Köckert kennt Fälle wie den von Renate Becker und ihrer Mutter gut. „Und es wird immer schlimmer werden, auch in der Zukunft, angesichts des demografischen Wandels“, ist sie überzeugt. Gesetzliche Vorschriften gebe es zu dem Problem nicht. Heime seien nicht verpflichtet, Kurzzeitpflegeplätze vorzuhalten, und wie diese vergeben werden, dafür gebe es ebenfalls keinen gesetzlichen Rahmen.

Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie es in den Einrichtungen oft läuft – seien die Pflegezeiten zu kurz, würden die Verantwortlichen sagen, es gebe keine Kapazitäten. Das Gleiche gelte für Pflegebedürftige, die Probleme bereiten könnten, weil sie aggressiv seien oder eine Fluchtgefahr bestehe, erzählt sie. „Es müssen Verbesserungen geschaffen werden“, fordert sie, die selbst einst als Pflegedienstleiterin gearbeitet hatte.

Inzwischen ist Daniela Köckert auf die Seite der Pflegebedürftigen und Angehörigen gewechselt, „weil mich einfach so viel angepiept hat“. Nun versuche sie „durchzudrücken“, was Gepflegten und Angehörigen zustehe. Denn auch darüber wüssten viele Betroffene häufig nicht genau Bescheid. Und wie groß der Bedarf ist, zeigt sich in ihrem Alltag als Pflegeberaterin. Daniela Köckert: „Wir sind eigentlich immer voll.“

Weil sie um die Schwierigkeiten weiß, engagiert sie sich auch im Netzwerk Gute Pflege Magdeburg. „Dort wird auch das Thema Kurzzeitpflege ganz aktuell diskutiert“, sagt sie. Denn die Entlastung von pflegenden Angehörigen, etwa durch Kurzzeitpflege, sei wichtig. „Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Pflegenden auch bald Herzinfarkte bekommen und selbst zu Pflegefällen werden“, sagt sie.

Wie wichtig das Thema ist, zeigt sich auch angesichts der in der häuslichen Umgebung gepflegten Menschen. Nur 30 Prozent der zu Pflegenden leben in stationären Einrichtungen, 70 Prozent werden von Angehörigen gepflegt. In diesem Zusammenhang verweist sie auf unterschiedliche Zuschüsse. Für einen Pflegeplatz zu Hause erhalten Angehörige weniger Geld als es für einen Pflegeplatz in einer stationären Einrichtung gibt. Politisches Ziel sei, diesen Anteil noch zu erhöhen. Sie ist überzeugt: „Es gibt genügend freie Plätze auch für die Kurzzeitpflege, aber das Organisatorische dahinter ist problematisch.“

Für Renate Beckers Mutter hat sich im Verlauf der Recherche für diesen Beitrag eine Lösung gefunden, so dass sie mit ihrem Mann die Sommerreise antreten kann. „Darüber waren wir wirklich froh, wir fühlten uns super betreut“, sagt Renate Becker.

Das Thema sieht sie dennoch als bedeutsam an: „Es betrifft sicher viele andere auch.“