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Abwasser Alter Magdeburger Kanal wird renoviert

Für die Abwasserentsorgung in Magdeburg wird unter dem Askanischen Platz derzeit der Kanal aus dem Jahr 1891 erneuert.

Von Martin Rieß 30.03.2018, 01:01

Magdeburg l Rund acht Prozent der Magdeburger Kanalisation sind noch gemauert. Mit dieser Methode wurden bis in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinein weite Teile der Magdeburger Abwasserableitung aufgebaut. Folglich gehören einige von ihnen bis heute zum Herzstück des feingliedrigen Abwassersystems im Untergrund und werden von den Städtischen Werken Magdeburg (SWM) seit einigen Jahren Schritt für Schritt instand gesetzt. Die Leitungen werden repariert, renoviert oder erneuert.

Arbeitsort Askanischer Platz, zehn Meter unter der Erdoberfläche. Silvio Koch setzt den Wagen in Bewegung. Der Mitarbeiter von Aarsleff Rohrsanierung GmbH transportiert mit ihm das neue Innenleben für die Kanalisation durch den Magdeburger Untergrund. Er sagt: „Hier unten ist alles ein bisschen eng.“ Und das, obwohl dieser Mischwasserkanal mit einer Höhe von zwei Metern und einer ebenso großen Breite zu den größten in ganz Magdeburg gehört.

Es handelt sich um den Schleinuferkanal, in dem das Abwasser aus weiten Teilen der Stadt Magdeburg zusammenfließt und dann durch den Sandfang am Wissenschaftshafen zum Doppeldüker fließt. Durch die Düker gelangt es unter der Elbe hindurch. Vom Pumpwerk Cracauer Anger wird das Abwasser dann durch zwei Druckleitungen zum Magdeburger Klärwerk in Gerwisch gepumpt.

Nach und nach bringen Silvio Koch und seine Kollegen die Segmente aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) an die Arbeitsstelle. „Schritt für Schritt fügen wir die Einzelteile hier unten zusammen“, erläutert er. Und zwar von der hintersten Stelle beginnend, so dass das Mauerwerk aus dem Jahr 1891 komplett hinter einer Kunststoffwand verschwindet.

Besonders kniffelig ist es in den Kurven. Hier sind die Teile, die zusammengefügt werden, kürzer. Und wo sie zusammenstoßen, tun sich Lücken auf, die mit einer speziellen Masse zum Schluss ausgefüllt und versiegelt werden müssen. Klar: Das Abwasser soll auch im Kanal bleiben und nicht durch die Wand in Richtung Elbe davonsickern.

Um überhaupt hier arbeiten zu können, haben die SWM einen großen Aufwand betrieben. Annett Berdich ist Bauleiterin für diesen Bereich. Sie ist Spezialistin für die Renovierung der Kanäle unter Magdeburg und sagt: „Wir mussten zunächst den Kanal trockenlegen, um hier überhaupt arbeiten zu können.“

Das bedeutete, dass zunächst eine Überleitung gebaut werden musste, durch die das Abwasser umgeleitet wird. Fußgängern und Radfahrern zwischen Petriförder und Wissenschaftshafen sind die braunen Metallröhren inzwischen gut bekannt. Damit im Kanal eine Absperrung gemauert werden konnte, wurden die beiden Zulaufkanäle zeitweilig mit großen Ballons, sogenannte Kanaldichtkissen, abgesperrt. Eines der beiden in Magdeburg eingesetzten Kissen hat einen Durchmesser von fast drei Metern.

An jener Stelle, an der das Abwasser aus der Magdeburger Innenstadt an der Umleitung eintrifft, befindet sich auch ein Überlauf zur Elbe. In extremen Ausnahmesituationen, wenn die Kanalisation der Regenmassen nicht mehr Herr wird, fließt das Wasser an dieser Stelle durch einen Auslass in die Elbe ab.

Im Falle eines Hochwassers müssen Mitarbeiter der Städtischen Werke Magdeburg durch einen Schacht an dieser Stelle in die Tiefe steigen und mit Leichtmetalldammbalken die Schutzwand schließen, damit das Elbewasser nicht ins Magdeburger Abwassersystem drückt. Das System funktioniert ähnlich wie das der mobilen Hochwasserschutzwand, die in Buckau zum Einsatz kommt.

Daneben wurde in Höhe des Max-Planck-Instituts eine Baugrube ausgehoben, berichtet Annett Berdich. Zwar könnten die Mitarbeiter der mit der Kanalsanierung beauftragten Firma problemlos durch einen der ohnehin vorhandenen Schächte zur Baustelle gelangen. Doch um die Bauteile in die Tiefe zu transportieren, ist dieser Zugang viel zu eng. Über mehrere Etagen geht es in dem eigens ausgehobenen Schacht in die Tiefe.

Außerdem mussten Wege abgesperrt und ein Ersatzweg durch die Grünanlage an der Jerusalembrücke angelegt werden. All diese Veränderungen werden die Städtischen Werke Magdeburg nach dem Abschluss ihrer Arbeiten wieder in den Ursprungszustand versetzen müssen.

Die teuerste Variante wäre, den Kanal neu zu bauen. Sehr viel eleganter ist es, ihn mit glasfaserverstärkten Kunststoffrohren auszukleiden. In Magdeburg wird dabei das sogenannte Kurzrohr-Relining zum Einsatz gebracht. Das bringt Stabilität, und das dichtet jene Stellen ab, an denen das Mauerwerk nicht mehr dicht ist. Auch das ist nämlich angesichts der hohen Anforderungen der heutigen Zeit an den Schutz von Umwelt und Grundwasser ein wichtiges Thema.

Bei der Sanierung unterscheiden die Fachleute übrigens zwischen Reparatur, Renovierung und Erneuerung. Im Falle des Schleinuferkanals ist von einer Renovierung die Rede.

Der Kanal hat ein Maulprofil. Dabei handelt es sich um einen besonders geformten Rohrquerschnitt, der wie ein geöffnetes Fischmaul aussieht. Zur Bauzeit des Kanals zu Kaisers Zeiten waren die Profile und Durchmesser zwar genau berechnet und gut geplant. Es gab sogar einen Standard. GFK-Rohre können aber nur bis zu einer gewissen Größe auch geschleudert hergestellt werden, wenn sie kreisrund sind. Das ist billiger als die Maßanfertigung wie für Magdeburg.

„Aber bei unserer Größe und Form müssen die Rohrsegmente einzeln gewickelt werden. Und da wird der Dorn genau so bemessen, dass das Rohr so groß wie möglich wird“, erläutert Andreas Lehnert, der bei den Städtischen Werken Magdeburg der Bereichsleiter für die Abwasserentsorgung ist. So groß wie möglich – das bedeutet, dass die GFK-Rohre gerade noch in den Kanal eingebracht werden können. Es geht darum, so wenig wie möglich Kanalquerschnitt zu verlieren.

Alle Rohre haben dabei den gleichen Querschnitt, nur die Baulänge variiert von 50 Zentimetern über Stücke von einem und 1,50 Metern bis hin zu 2,35 Metern. Nur mit den kürzeren Stücken können die Abschnitte in den Kurven des Kanals verkleidet werden.

Andreas Lehnert erläutert, warum das alte Gemäuer saniert werden muss – wo es doch über Jahrzehnte tadellos seinen Dienst getan hat. Er sagt: „Im Laufe der Jahrzehnte ist eine Reihe von Schäden aufgetreten, für die es an der Zeit ist, sie zu beheben.“

Zwar sei die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Schleinuferkanals nicht akut gefährdet – wenn er jetzt aber nicht instand gesetzt werde, würden die zukünftigen Reparaturkosten deutlich höher ausfallen. In einem Gutachten heißt es, dass ein „beginnendes statisches Versagen“ des Kanals zu erkennen sei.

Der Chef über den Abwasserbetriebsbereich hat in einem dicken Ordner eine lange Liste mit Schäden dokumentiert. So gibt es schadhafte Anschlüsse am Kanal. An einer Stelle ist ein Anschlussrohr ausgebrochen. An einigen Stellen fehlt der Mörtel zwischen den Steinen, von den Mauern sind Stücke abgeplatzt und es gibt Risse. Diese Unebenheiten erschweren überdies die Kanalreinigung.

Daneben ist die Rede von Wurzeln, die eingewachsen sind. Dies ist ein Thema, das nicht allein jene beschäftigt, die für die Abwasserkanäle verantwortlich sind. Die Landeshauptstadt Magdeburg und die SWM haben eigens eine Arbeitsgruppe gebildet, die klärt, an welchen Stellen Bäume Leitungen aller Art gefährden. Daher werden dieser Tage ein paar Meter weiter östlich, am Ostufer der Alten Elbe, sogar Bäume gefällt.

Andreas Lehnert berichtet: „In den Jahren 2006 bis 2016 haben wir übrigens pro Jahr etwa 0,3 Prozent der bestehenden Kanalisation saniert. Man sieht also: Es braucht seine Zeit, um unsere Kanalisation nach und nach den heutigen Anforderungen anzupassen.“ Rund 473 Kanalkilometer wurden seit 1990 neu gebaut, erneuert, renoviert oder repariert.