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Anfeindungen Magdeburger Retter brauchen dickes Fell

Immer wieder kommt es vor, dass Retter im Einsatz angefeindet werden. Was Magdeburger Helfer erleben:

Von Ivar Lüthe 02.07.2019, 01:01

Magdeburg l 122 Feuerwehrleute und Sanitäter sind im Jahr 2018 in Sachsen-Anhalt Opfer von Gewalt geworden. Beleidigungen, Bedrohungen oder gar tätlichen Angriffen sehen sich die Retter ausgesetzt. Auch Magdeburger Helfer sind betroffen.

Wenn die freiwilligen Helfer der Feuerwehr Magdeburg-Olvenstedt zum Einsatz ausrücken, dann wird ihr ehrenamtliches Engagement nicht von jedem geschätzt. Gerade, wenn für einen Einsatz eine Straße gesperrt werden muss, bekommen die Feuerwehrkräfte so einiges zu hören.

„Es gibt schon ein gewisses Unverständnis, wenn es zu Sperrungen kommt und die Leute eben mal warten müssen. Da reagieren einige im Tonfall nicht angemessen.“ Annette Siedentopf, Leiterin der Feuerwehr Magdeburg-Olvenstedt, drückt vorsichtig aus, was sich ihre Kameraden so an Pöbeleien und Beleidigungen von Autofahrern anhören müssen.

Tätliche Übergriffe seien selten, kämen aber auch vor. „Meist sind dann Alkohol oder Drogen im Spiel“, berichtet die Wehrleiterin aus ihrer Erfahrung. Zu Silvester sind die Einsatzkräfte sogar schon mit Raketen und Böllern beschossen worden.

Zugenommen hat auch das Problem mit Gaffern bei Einsätzen. Besonders schlimm ist es, wenn die Kameraden zu Unfällen auf die Autobahn ausrücken müssen. „Da wird dann auf der anderen Fahrbahnseite langsam gefahren, um zu gaffen oder zu fotografieren“, sagt Annette Siedentopf. Dabei steigt die Gefahr, dass es zu weiteren Unfällen kommt. Und wenn es darum geht, Verletzte oder gar Tote zu bergen, müssen Kameraden abgestellt werden, die mit Decken verhindern, dass die Opfer gefilmt oder fotografiert werden.

Das Problem der Gaffer kennen auch Rettungssanitäter – bis hin zu Neugierigen, die bis auf das Trittbrett des Rettungswagens steigen, um ins Innere sehen zu können. „Gaffer hat es schon immer gegeben, nur heute haben die alle ein Handy“, sagt Marko Trenkler, Leiter des Rettungsdienstes des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), Regionalverband Magdeburg.

Über eine gestiegene Aggression ihnen gegenüber können einige der ASB-Rettungsassistenten ebenso berichten. Vor allem bei Betrunkenen nehme dies zu. „Man braucht schon Fingerspitzengefühl und eine gewisse Gelassenheit“, sagt Andreas Lautenbach. Seit 28 Jahren fährt er Rettungseinsätze und hat schon einiges erlebt. Vor allem gereizte Autofahrer, die wegen eines Einsatzes nicht schnell genug an ihr Ziel kommen, haben zugenommen. „Das liegt sicher aber auch an den vielen Baustellen in Magdeburg im Moment, dass Autofahrer schnell überreagieren“, sagt er. Man müsse eben damit umgehen können. „Ins eine Ohr rein, aus dem anderen raus ...“, pflichtet ihm ein Kollege bei.

Ein dickes Fell brauchen auch Polizisten in Magdeburg. „Eine gewisse Verrohung der Gesellschaft ist schon festzustellen. Und die zieht sich querbeet durch die Gesellschaftsschichten“, sagt Sebastian Alisch, Sprecher der Polizei Magdeburg. Der Respekt gegenüber Staatsdienern und Rettern sei geringer geworden. Beleidigungen gehören dabei schon fast zum Alltag, sagt der Polizist.

Selbst tätlichen Angriffen sehen sich die Beamten immer öfter ausgesetzt. Jüngste Beispiele sind ein Einsatz am Hasselbachplatz zum Herrentag, wo Betrunkene auf Polizisten losgingen, sie schlugen, traten und mit Pfefferspray attackierten, und ein Einsatz vor wenigen Wochen, bei dem aus einer Gruppe von 18 Personen heraus drei Männer und eine jugendliche Frau nach Polizisten traten und schlugen, um sich einer Kontrolle zu entziehen. Hier wurden zwei Polizisten im Gesicht beziehungsweise am Bein verletzt.

Ein Blick in die Statistik zeigt auch, dass die Zahl von Anzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zugenommen hat. 2016 waren es 110 Anzeigen, 2017 sank die Zahl auf 87, um dann im vergangenen Jahr auf 149 Anzeigen wieder anzusteigen. Dennoch will Sebastian Alisch kein zu düsteres Bild zeichnen: „In Magdeburg hält es sich noch in Grenzen.“