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Ausstellung Biedermanns im Doppelpack in Magdeburg

Die Zwillingsbrüder Helmut und Hans-Joachim Biedermann stellen in Magdeburg aus. Zu sehen sind Selbstportraits.

Von Christina Bendigs 11.05.2019, 11:54

Magdeburg l „Ich habe ihn immer für den Begabteren von uns gehalten“, sagt Maler Helmut Biedermann. „Und ich dachte das Gleiche“, ergänzt sein Zwillingsbruder Hans-Joachim Biedermann. „Wir haben gegeneinander gemalt, nicht füreinander“, erwidert wiederum der andere. Beide spornten sich gegenseitig an, jeder wollte den anderen übertreffen. Gemeinsame Ausstellungen gab es im Verlauf ihres langen Künstlerlebens trotzdem immer wieder, und auch an gemeinsamen Projekten haben die 78-Jährigen gearbeitet.

Die Galeristen Leilani Heinicke und Stephan Groth führen die Brüder nun in einer Ausstellung in der Buckauer Kunstwerkstatt in Magdeburg erneut zusammen. Zum ersten Mal überhaupt zeigen die Zwillinge gemeinsam und ausschließlich Selbstbildnisse – aus sechs Jahrzehnten und in diversen Techniken von der Malerei über Drucktechniken bis hin zu skulpturalen Arbeiten. Etliche Bilder von sich selbst haben sie sich angesehen, „da geht einem das ganze Leben durch den Kopf“, sagt Helmut Biedermann.

„Es ist immer spannend, wie sich ein Künstler mit der Außenwelt auseinandersetzt. Und wenn er sich selbst oder sein Inneres zur Außenwelt macht, ist das wie eine Verdopplung“, begründet Leilani Heinicke ihre Idee zu der Ausstellung. In Selbstbildnissen habe sie schon immer eine besondere Kraft und Stärke gespürt. Als Helmut Biedermann im vorigen Jahr in der Kunstwerkstatt ausstellte, haben seine Selbstbildnisse sie besonders beeindruckt.

Dass nun auch noch die Selbstporträts von Zwillingen zu sehen sind, macht die Ausstellung besonders spannend – umso mehr, wenn man dabei auf zwei urige Typen wie Helmut und Hans-Joachim Biedermann trifft, die im gegenseitigen Schlagabtausch zuweilen amüsant und unterhaltsam, dann wieder ernsthaft und bedacht erscheinen, gern mit einer Prise Ironie gewürzt.

Und wenn der eine nicht auf einen Namen oder ein Wort kommt und mit ausgestrecktem Arm energisch auf den anderen zeigt und von ihm das fehlende Bruchstück kommt, dann merkt man, dass auf die Biedermänner zutrifft, was die Zwillingsforschung belegt – eine besondere Verbundenheit.

1940 geboren, haben die Brüder Krieg und Nachkriegszeit am eigenen Leib erfahren, und bei aller Liebe und allem Behütet-sein sich „fast täglich geprügelt“. In der Grundschulzeit habe sich das gegeben, da stromerten die Brüder gemeinsam durch Museen. „Eine Tante hat unser Talent entdeckt und uns gefördert“, erzählen sie. Zunächst gab sie Anstöße, sich mit Kunst zu befassen, „als wir Blut geleckt hatten, war das nicht mehr nötig“. Halle mit seiner Kunstsammlung in der Moritzburg und einigen Privatgalerien ermöglichten den beiden, „Weltkunst zu schnuppern“.

Dass nur einer von beiden an der Arbeiter- und Bauernfakultät in Dresden angenommen werden könnte, als sie sich für ein Kunststudium bewarben, „darüber haben wir nie nachgedacht“, sagt Hans-Joachim Biedermann. Beide bewarben sich, „und die Idioten haben uns genommen“, sagt Helmut Biedermann schmunzelnd. Als die beiden die Hochschule verließen, hätten sich viele gedacht: „Nie wieder Biedermann“.

Beim Blick in Fotoalben aus ihrer Kindheit, Jugend und dem Erwachsenenleben müssen die beiden oft selbst überlegen, wer nun wer ist. Und so war für die Professoren und Dozenten nie richtig klar, „wer welche Dummheiten gemacht hat“, sagt Hans-Joachim Biedermann, „und wir waren renitent“, ergänzt sein Bruder.

Hans-Joachim Biedermann wurde der Hochschule gar verwiesen. Seinen Abschluss machte er später trotzdem. „Wir haben uns bewusst jeder eine eigene Wohnung genommen, und wir waren auch in unterschiedlichen Klassen, um uns nicht zu sehr zu beeinflussen“, erzählen sie. Und inzwischen hat auch die Hochschule wohl ihren Frieden mit den beiden gemacht, denn Helmut Biedermanns Diplomarbeit wird im Rahmen der Ausstellung „Malerei in der Kunsthochschule Dresden von 1950 bis 1990“ gezeigt.

Die ersten Selbstporträts haben die beiden schon im Kindesalter gemalt. Diese seien aber leider nicht mehr aufzufinden. Und so gibt es Bilder ab der Jugendzeit zu sehen. Für die Ausstellung haben die beiden auch noch Altersbildnisse von sich gemalt. „Auch mit fast 80 Jahren hat die Selbstbefragung noch nicht aufgehört“, sagt Helmut Biedermann.

Selbstporträts seien nicht aus einer Eitelkeit heraus entstanden, sondern weil bei beiden immer auch das Menschenbild eine Rolle gespielt hat. „Mindestens zwei Bilder, die in der Ausstellung zu sehen sind, habe ich im Frust gemalt, im Zorn auf die Welt“, sagt Helmut Biedermann. Sein Bruder nutzte das Selbstbildnis unter anderem, um den Verlauf einer schweren Krankheit zu dokumentieren.

Die Ausstellung haben die Brüder selbst kuratiert – sowohl im Hinblick auf die Auswahl der Werke als auch hinsichtlich der Platzierung innerhalb der Räume im Buckauer Engpass. Die Ausstellung endet am 29. Juni 2019.