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Autobahn 2 Vergebliche Suche nach der Rettungsgasse

Kein Einzelfall: Bei dem Auffahrunfall auf der A2 bei Magdeburg kamen die Einsatzkräfte nicht durch, weil die Rettungsgasse fehlte.

Von Jana Heute 07.12.2018, 00:01

Magdeburg l „Die vorgeschriebene Rettungsgasse funktioniert in weiten Teilen nicht“, konstatiert Magdeburgs Feuerwehrchef Helge Langenhan einigermaßen frustriert. Jüngstes Beispiel ist der Auffahrunfall am 4. Dezember 2018 auf der A2 bei Magdeburg, als ein voll beladener Sattelzug ungebremst auf ein Stauende fuhr und so drei Laster aufeinanderschob.

Einsatzkräfte mussten einen eingeklemmten und schwerverletzten 36-Jährigen aus der Fahrerkabine befreien, doch sie kamen zunächst gar nicht richtig an die Unglücksstelle heran.

Die Folge: Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Rothensee mussten sich mehr als 100 Meter zu Fuß bis zur Unglücksstelle durchkämpfen. Das Problem wieder einmal: Es fehlte die Rettungsgasse, mit der die Verkehrsteilnehmer den Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht den Weg freihalten sollen.

„Man lernt das eigentlich schon in der Fahrschule“, stellt der Leiter des Magdeburger Amtes für Brand- und Katastrophenschutz fest. Nur, daran gehalten wird sich in der Praxis viel zu selten. Es gebe fast immer Verzögerungen wegen schlecht oder gar nicht gebildeter Rettungsgassen. Er habe es selbst bei Einsätzen schon erlebt. „Da bewegt sich oft erst etwas, wenn die Rettungsfahrzeuge mit Blaulicht im Rückspiegel zu sehen sind“, berichtet Helge Langenhan. Doch dann seien oft die Abstände zu eng, um noch ausweichen zu können.

Dabei zähle jede Minute für die optimale Versorgung von Opfern, für die Rettung von Leben, für die Brandbekämpfung. „Das muss einfach jeder vor Augen haben“, appelliert der Feuerwehrchef. Das Problem sei auch, dass die Feuerwehr z. B. bei eingeklemmten Personen wie am Dienstag mit Spezialwerkzeug wie Spreizern und Schneidern schnell an den Unglücksort muss. „Es ist frustrierend und enttäuschend für die Retter, wenn man dann nicht durchkommt“, sagt Helge Langenhan.

Die Magdeburger Berufsfeuerwehr, aber auch die freiwilligen Wehren unterstützen bei Einsätzen auf der A14 und A2 im Magdeburger Bereich. Bei den freiwilligen Wehren seien besonders häufig die Wehren Rothensee, Olvenstedt, Ottersleben, Beyendorf-Sohlen oder Diesdorf gefordert. Jedes Jahr wird die Magdeburger Feuerwehr laut Langenhan im Schnitt zu 50 Brandeinsätzen sowie 260 Hilfeleistungen mit Beteiligung von Kraftfahrzeugen alarmiert.

Doch warum ist die Bildung der Rettungsgasse in der Praxis ein solch großes Problem? Für Langenhan ist es eine Frage mangelnder Voraussicht sowie Disziplin der Fahrer auf der Straße. „Ich denke, die meisten haben die Hoffnung, dass es doch gleich weiter geht und sich kein Stau bildet“, sagt er. Man müsse jedoch immer die Möglichkeit, dass es zu einem Stau kommt, im Auge haben und entsprechend Abstand halten.

Das sieht auch Doreen Günther, Sprecherin des Autobahnpolizeireviers Börde, so. „Sobald der Verkehr stockt, ist eine Rettungsgasse zu bilden, nicht erst, wenn alles steht. Dann ist es zu spät“, betont sie.

Günther bestätigt, dass es häufig Probleme mit der Rettungsgasse gebe. „Viele denken auch, wenn die ersten Einsatzwagen durch sind, hat sich das Thema erledigt. Einige fahren in die Mitte hinein, um vielleicht was sehen zu können. Wir haben auch erlebt, dass Fahrer im Stau einfach ihr Auto abschließen, um hinter dem nächsten Gebüsch ihrer Notdurft nachzugehen.“

Vergessen werde dabei, dass als Letztes oft noch Abschleppwagen hindurch müssten. Große Fahrzeuge also. „Wenn die Unfallautos nicht beräumt werden können, wird es natürlich auch nichts mit der Freigabe der Fahrbahn“, berichtet sie aus diversen Erfahrungen.

Sorgen mit fehlenden Rettungsgassen gibt es aber offenbar bundesweit: Nicht umsonst hat der Gesetzgeber die Bußgelder für die Missachtung der Regel erst vor einem Jahr drastisch erhöht. Sie stiegen von 20 auf 200 Euro, sagt Doreen Günther. Doch es gibt noch ein Problem: die Ahndung des Vergehens. Wenn die Autobahn wegen eines Unfalls dicht ist, haben Polizei und Rettungsdienste anderes zu tun, als Rettungsgassen-Muffel zu verfolgen. „Dazu bräuchten wir extra Personal“, erklärt Günther. Und das fehle. Vorrang habe zunächst immer der Einsatz am Unglücksort.