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Azubi kehrt zurück Ende für Magdeburger Flüchtlingsodyssee

Unternehmerin Sabine Große hat es geschafft: Ihr Azubi Gazmend Syla aus dem Kosovo darf seine Ausbildung in Magdeburg fortsetzen.

Von Christina Bendigs 03.09.2016, 01:01

Magdeburg l Einen herzlichen Empfang haben die Mitarbeiter von Intersport Große ihrem Azubi Gazmend Syla am 1.  September bereitet. Sie freuen sich, dass der junge Mann aus dem Kosovo wieder in ihren Reihen ist. Und auch Gazmend Syla scheint erleichtert, dass er es endlich geschafft hat, ein Visum für Deutschland zu erhalten, und will nun, hoffentlich mit weniger Stress, seine Ausbildung fortführen.

Vor einem halben Jahr hatte er das Land verlassen müssen, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war. Doch damit wollte sich Unternehmerin Sabine Große nicht zufrieden geben. Schließlich hatte sie lange nach einem geeigneten Azubi gesucht und war froh, in einem Asylbewerberheim in Wolmirstedt mit Gazmend Syla einen passenden Kandidaten gefunden zu haben. Der junge Mann sei zuverlässig, umsichtig, selbstständig und höflich, bringe seine Arbeiten zu Ende, ehe er Feierabend mache. Und für Gazmend Syla kam die Stelle ebenfalls wie gerufen, denn sie, so glaubte er, würde ihm Sicherheit bieten.

Doch weit gefehlt. Trotz des noch frischen, aber bestehenden Ausbildungsverhältnisses wird der junge Kosovare abgewiesen – da helfen auch nicht die Unterschriftensammlung von seiner Berufsschulklasse und Gespräche mit Behörden. Nach einem langen Hin und Her mit den Behörden im Landkreis Börde und in Magdeburg muss er Ende Januar dieses Jahres das Land verlassen, um einen Deutschkurs beim Goetheinstitut in Priština zu absolvieren. Der wiederum muss für ein Visum bei der deutschen Botschaft in Priština nachgewiesen werden.

Schon als ihr Azubi ausreisen muss, kündigt Sabine Große an, sie werde notfalls selbst in den Kosovo fahren, um sich für ihn einzusetzen. Aus der bloßen Ankündigung wird Ernst – und die engagierte Frau ist noch heute tief beeindruckt von dem, was sie im Kosovo erlebt hat. Vor der Deutschen Botschaft, die die Visa verteilt, sei es zugegangen wie auf einem Jahrmarkt. Ein Filmteam des Mitteldeutschen Rundfunks hat die beiden begleitet, die Situation eindrucksvoll dokumentiert. Potenzielle Arbeitgeber würden regelrecht bestürmt, selbst wenn nicht einmal sicher sei, dass die Arbeiter am Ende auch einen Lohn erhalten. Bilder zeigen die chaotischen Zustände, die für Sabine Große unvorstellbar schienen. Termine bei der Botschaft gebe es gegen eine Gebühr von 30 Euro. Wer schneller einen Termin haben wolle, müsse etwa eine Reiseversicherung abschließen, sagt sie. Das habe Gazmend Syla getan und nach mehreren Hürden schließlich das Visum erhalten.

Sabine Große hat die Stelle ihres Auszubildenden zwischenzeitlich sogar noch einmal ausgeschrieben, um zu beweisen, dass es tatsächlich keine geeigneten Kandidaten in Deutschland gibt, die die Stelle haben wollen. Fünf Bewerbungen gehen ein, eine weckte das Interesse der Unternehmerin. Doch die Person erscheint nicht zum Vorstellungsgespräch. Also steht Sabine Große nach wie vor ohne Azubi da. Zweiter Kritikpunkt vonseiten der Behörden: Der Azubi könne von dem Ausbildungsgeld kaum leben. Doch da Sabine Große ihm zusätzlich zum Lehrlingsgeld auch die Unterkunft finanziert, ist auch dieser Kritikpunkt schnell ausgeräumt.

Sie freut sich nun, dass Gazmend Syla wieder da ist. Ihr Kampf hat fast ein Jahr gedauert. Und er ist für sie ein persönlicher Erfolg. Sie hat einem Menschen geholfen, der im Kosovo kaum eine Zukunft hätte. Aber sie hat auch eine unternehmerische Entscheidung gegenüber den deutschen Behörden und der deutschen Bürokratie verteidigt. Zwar fehlt dem Azubi ein halbes Ausbildungsjahr in der Berufsschule. Dennoch kann er voraussichtlich in seiner alten Klasse wieder einsteigen.

Sabine Große drückte nun seinem Bekannten die Daumen, der in der Firma ihres Mannes gearbeitet hatte und das Schicksal von Gazmend Syla teilte. Auch er hat den Deutschkurs bestanden. Sein Antrag wurde dennoch abgelehnt, bedauert sie.

Ob Gazmend am Ende in Deutschland bleiben wird, steht für Sabine Große nicht im Vordergrund. „Wenn er nach seiner Ausbildung entscheidet, dass er nun gute Voraussetzungen hat, um sich im Kosovo eine Zukunft aufzubauen, ist das auch gut“, sagt sie. Denn natürlich könne sie auch die Kosovaren verstehen, die eine Ausreisewelle gerade der jungen Menschen befürchten. Doch solange sie keine Zukunft haben, werden sie sich wohl andere Wege suchen müssen.