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Bahn-AG Nachwuchs stellt Weichen im Lehrstellwerk

Ein neues Lehrstellwerk hat die Bahn AG an der Magdeburger Maybachstraße eröffnet. Dort lernt der zukünftige Fahrdienstleiter-Nachwuchs.

Von Martin Rieß 05.08.2015, 01:01

Magdeburg l Die Modelleisenbahn in H0 dreht ihre Runde, wird an einer Weiche vor einem wartenden Güterzug auf ein anderes Gleis gelenkt, durchquert den Bahnhof und setzt ihre Reise fort. Zwischendurch: Klingeln und das Rattern der Kurbel an einer Apparatur am Rande des Raumes. Die Männer und Frauen sind allesamt ein wenig angespannt. Der Grund: Sie haben sich nicht mit einer außerordentlichen Ernsthaftigkeit ihrem Hobby verschrieben. Vielmehr tauchen sie hier in die Abläufe des Eisenbahnbetriebs auf dem deutschen Gleisnetz ein. Ort des Geschehens ist das neue Lehrstellwerk an der Maybachstraße, das jüngst eröffnet wurde (die Volksstimme berichtete).

Was dem unkundigen Besucher an dieser Stelle auffällt: Hier gibt es keineswegs die modernste Technik aus den Betriebszentralen elektronischer Stellwerke zu sehen. Andreas Ecker ist Leiter der Produktionsdurchführung der DB Netze in Magdeburg und erläutert: „Natürlich sind die elektronischen Stellwerke die Zukunft. Aber wir werden auch in den kommenden Jahrzehnten noch mit alter Technik arbeiten.“ Das liegt zum einen daran, dass sie sich bewährt hat und bei guter Pflege auch nach Jahrzehnten in einem tadellosen Zustand ist. Zum anderen ist es die pure Masse, die dafür sorgt, dass auch die alte Technik auf absehbare Zeit in Betrieb bleiben wird: 12 000 Fahrdienstleiter lenken täglich 40 000 Züge über die Gleise in Deutschland. Dazu standen den Bahnmitarbeitern im vergangenen Jahr 3090 Stellwerke zur Verfügung. 839 und damit rund 27 Prozent sind von diesen noch mechanische Stellwerke – Anlagen also, die bis zum Ende des 19. Jahrhundert zurückreichen (siehe Infokasten). 339 Anlagen zählen zu den elektromechanischen Stellwerken – und damit zur zweiten Generation. Rund 45 Prozent macht laut Deutscher Bahn die Gruppe der Relaisstellwerke aus. „Ohnehin“, sagt Andreas Ecker, „ist ja gar nicht notwendig, mit Computertechnik zu arbeiten, wenn man in die Logik und die Komplexität des Bahnbetriebs eintauchen oder Gefahrensituationen simulieren möchte.“

Kurz zuvor hatte Eckart Fricke, der Beauftrage des Bahnkonzerns für Mitteldeutschland, den Magdeburgern ein großes Lob ausgesprochen: „Diese Einrichtung ist auf Eigeninitiative der Mitarbeiter entstanden.“ Wie Lutz Winkler, Leiter der Produktion bei der DB Netz Südost, berichtet, hatten Mitarbeiter die Idee vorgebracht, die Technik des ehemaligen Lehrstellwerks aus dem Keller zu holen und wieder in Betrieb zu nehmen. Im Mai 2014 stand das Signal dafür auf Grün. Im August begann die Renovierung des damals leerstehenden Gebäudeteils an der Maybachstraße. Zwischendurch wurde die alte Technik komplett auseinandergebaut, instand gesetzt, zusammengebaut und überprüft. Lutz Winkler: „Ein besseres Schulungsprogramm gibt es kaum!“ Ab September kann die Anlage offiziell im Rahmen von Aus- und Weiterbildung genutzt werden.

Und nicht nur das. Andreas Ecker sagt: „Ich bin gepannt, wann wir hier die erste Schulklasse begrüßen können.“ Denn um junge Menschen für das Eisenbahnwesen zu begeistern, sei ein solches Lehrstellwerk doch bestens geeignet, meint der Magdeburger.

Für die 250 000-Euro-Investition mit angepackt haben Harald Friedrich und Bernd Minschke. Bernd Minschke berichtet: „Wir waren ja sehr gespannt, ob alles noch funktioniert – und wir waren positiv überrascht. Ich denke, hier kann man hervorragend das System und die Wirkzusammenhänge der Arbeit im Stellwerk kennenlernen.“ Eine besondere Herausforderung habe Harald Friedrich gemeistert, der aufgrund des eigenen Hobbys die anspruchsvolle Verknüpfung von Modelleisenbahn und echter Stellwerkstechnik ermöglicht hat.

Unter den Bahnmitarbeitern, die zum offiziellen Signal „Bahn frei!“ an der Bahnsteigkante der Modellbahnplatte angetreten sind, gehören die Auszubildenden Armin Kretschmann, Alexander Lander, Christian Balster und Sebastian Berg. Ein klein wenig stolz darf man schon sein, hier der erste Ausbildungsjahrgang zu sein – darüber sind sie sich einig.

Armin Kretschmann sagt: „Wir sind hier vielleicht auch ein wenig die Versuchskaninchen, ob alles funktioniert. Aber an solch runderneuerter Technik zu arbeiten – das ist schon etwas Besonderes.“ Und Alexander Langer ergänzt: „Und es ist für uns ganz praktisch, wenn man eine solche Einrichtung gleich vor der Tür hat.“ Von der großen Bedeutung des Lernens auf einem solchen Lehrstellwerk ist auch Christian Balster überzeugt: „Hier kann man die Abläufe austesten, was im laufenden Betrieb natürlich nicht möglich wäre.“