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Balkonsturz 60 Prozent der Notleitern mangelhaft

Der Chef der Magdeburger Metallbauer-Innung schlägt Alarm. Er sagt, dass 60 Prozent der Notleitern im Stadtgebiet mangelhaft seien.

31.05.2016, 01:01

Magdeburg l Für den Obermeister der Metallbauer-Innung Magdeburg, Andreas Behnke (40), kam der Absturz eines Notbalkons in Stadtfeld-Ost vor zwei Jahren nicht überraschend. „Ich schätze, in Magdeburg sind mindestens 60 Prozent der Notleitern und -podeste mangelhaft“, sagt er. Behnke hatte nach dem Unfall an dem Gutachten für das Gericht mitgearbeitet. „Wäre die Leiter gewartet worden, hätte das Unglück verhindert werden können“, ist sich Behnke sicher. Damals wurden zwei Männer aus Magdeburg und eine Frau aus Dresden lebensgefährlich verletzt.

Derzeit läuft vor der Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg ein Verfahren. Zwei der drei Opfer fordern von Vermieter und Erbauer der Konstruktion Schadensersatz und Schmerzensgeld. „Die Konstruktion hatte gleich mehrere Mängel“, erklärt Behnke. So sei das Notpodest mit zu wenig Halterungen versehen worden. Außerdem seien falsche Dübel verwendet und die maximal zulässige Länge von Notleitern (14 statt 10 Meter) deutlich überschritten worden. „In dem Innenhof ist eine weitere, baugleiche Konstruktion. Da wurde bis heute nichts geändert“, sagt der Innungs-Chef.

Behnke verbaut nach eigenen Aussagen mit seinem eigenen Metallbau-Unternehmen sechs bis acht Kilometer Notleitern pro Jahr in Magdeburg und Umgebung. Zu seinen Kunden zählen große Einkaufscenter und große Vermieter. Er wartet Notleitern und Podeste und vergibt Prüfplaketten.

„Gerade in Stadtfeld-Ost ist Mitte der 90er-Jahre viel saniert worden. Viele haben ihre Dachgeschosse ausgebaut und mussten Notleitern und Ausstiegspodeste anbringen“, sagt Behnke. „Nach der Wende war hier im Baugewerbe aber Wild-Wild-West. Heute rächt sich das. Was wir da sehen, ist teilweise lebensgefährlich“, schlägt er Alarm und berichtet von einem Beispiel aus der Annastraße, wo an einem Haus Notleitern angebracht seien, die in Deutschland gar nicht zugelassen sind. Bei einem anderen Haus konnte er die Dübel mit der Hand aus der Wand ziehen.

Die Konstruktion an der Immermannstraße wurde 1995 von einer Schlosserei angefertigt und montiert. „Weder ein Prüfstatiker noch das Bauamt oder die Feuerwehr hatten die Notleiteranlage ordnungsgemäß abgenommen“, sagt Behnke und widerspricht damit der Darstellung der Anwälte des Vermieters. Zum Prozessauftakt hieß es, dass die Leiter damals korrekt abgenommen worden sei. Das hatte auch die Verwaltung kurz nach dem Unglück der Volksstimme versichert.

Behnke sieht auch den Vermieter in der Verantwortung, der eine Sorgfaltspflicht für seine Immobilie habe. „Und dazu gehört auch die regelmäßige Überprüfung der Noleiteranlagen“, sagt er (Verordnung BGI/GUV-I 5189). Viel zu oft würden Prüfungen aber nicht durchgeführt oder schlichtweg ignoriert.