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Baumfällungen Die Axt im Magdeburger Stadtwald

Eine Debatte über Magdeburgs Stadtgrün startet im Stadtrat mit Schuldzuweisungen und endet in Eintracht mit guten Vorsätzen.

Von Katja Tessnow 23.03.2019, 00:01

Magdeburg l „Wir sind gewählt, um uns der Sorgen der Bürger anzunehmen. Das tun wir beim Thema Stadtgrün besonders gerne“, eröffnete Linksfraktionschef Oliver Müller die Debatte im Stadtrat Magdeburg und: „Wir sind fernab von Schuldzuweisungen.“ Die versöhnliche Einleitung erwies sich als so nötig wie zwecklos, den Ärger des Rathauschefs betreffend.
Linke und Grüne haben in der Vergangenheit innig die Wut vieler Magdeburger über die aktuell große Zahl an Baumfällungen geteilt. Lutz Trümper nennt das Aufwiegelei. In einer Presseerklärung im Vorfeld der von ihnen anberaumten Debatte hatten Linke und Grüne von „Generalabholzung“ und „Baumfällorgie“ gesprochen. Trümper konterte in der Vorwoche mit einer Statistik, die belegt, dass die Fällung von 1900 Bäumen 2018 mit Neupflanzungen von rund 2100 Bäumen 2018 und 2019 ausgeglichen werde.
Diese Feststellung und der Umstand, dass wütende Anlieger gerodeter Straßenzüge im Kannenstieg (neue MVB-Trasse) die MVB-Chefin und den Oberbürgermeister auf handschriftlich verfassten Zettelchen „an den Galgen“ wünschten, hatte wohl Anteil an Müllers mäßigenden Worten. Allein, Trümper legte zornig nach. „Baumfällorgie? Was soll das sein? Wollen Sie sagen, der OB und Frau Andruscheck (Stadtgartenbetriebschefin – d. Red.) befriedigen sich sexuell, indem sie Bäume fällen?“ So provoziere man Morddrohungen und nehme sie in Kauf.
Auch von CDU und SPD mussten sich die Initiatoren der Gründebatte im Rat Seitenhiebe à la Populismus in Wahlkampfzeiten gefallen lassen, aber zur Sache wurde auch gesprochen.
Trümper räumte ein: Von 2012 bis 2018 wurden in Magdeburg 15.000 Bäume gefällt, aber für rund 6000 nicht nachgepflanzt. "Wir haben ein Defizit. Das stimmt schon.“ Die Stadt sei dabei, aufzuholen. Die hohen Baumverluste haben im wesentlichen drei Gründe: Laubholzbockkäfer (Schädling), Naturereignisse (Sturm, Hochwasser) sowie Baugeschehen.
Linksfraktionschef Müller sagte, mehr Pflanzungen als Fällungen seien „das Mindeste, aber das reicht uns nicht aus, zumal ein armdicker Stamm nach Neupflanzung nicht die Ökobilanz wie eine 80-jährige Robinie hat.“ Jürgen Canehl forderte für die Grünen u. a. eine Änderung der Baumschutzsatzung, die vorschreibe, dass jeder gefällte Baum durch zwei, drei oder mehr zu ersetzen sei.
Weiter rügten Müller und Canehl die mangelhafte Informationspolitik der Stadtverwaltung Magdeburg vor Fällungen und mahnten eine Stärkung des chronisch unterfinanzierten und unterbesetzten Stadtgartenbetriebes an.
Letztere Einschätzung teilten am Ende alle im Saal, auch der Oberbürgermeister. „Der Betrieb braucht mehr Geld und Personal. Es wäre eine Schande, wenn Magdeburger kommen und wollen Bäume spenden und hören, dieses Jahr nicht mehr“, so Trümper. Der Stadtgartenbetrieb ist überlastet mit der Pflege junger Bäume und damit, die 1995 ins Leben gerufene Spendenaktion „Mein Baum für Magdeburg“ zu managen.
Für die CDU regte deren Fraktionsvize Frank Schuster die Festsetzung von Baumstandorten in neuen Eigenheimsiedlungen an: „So kann jeder, der baut, etwas für die Umwelt und seine Kinder tun.“ Thomas Wiebe forderte für die SPD, kritischer zu hinterfragen, ob einzelne Baumfällungen wirklich nötig sind, und die Umsetzung von Auflagen zur Nachpflanzung durch Investoren besser zu überwachen, auch noch Jahre nach Pflanzung.
Es gebe Hinweise, dass die jungen Bäume mangels Pflege manchmal schnell wieder verschwunden, weil gestorben seien. Marcel Guderjahn (Gartenpartei) fragte nach, wo denn die ganzen grünen Dächer und Fassaden bei Neubauten blieben, für die Rat und Verwaltung im Sinne eines besseren Stadtklimas schon mehrfach gelobt haben, sich einzusetzen.
Timo Gedlich (Grüne) sprach am Ende einen Wunsch weit über die Baumdebatte hinaus aus: „Was wir brauchen ist eine Verwaltung, die begreift, was Klimawandel wirklich ist, nämlich die größte Herausforderung der Menschheit aktuell. Wir müssen jetzt beginnen, etwas dagegen zu tun, sonst ist es zu spät.“ Trümper dankte Gedlich zustimmend für seinen „sachlichen Beitrag“. Grün liege ihm sehr am Herzen, „also jedenfalls der grüne Baum“.