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Blitzermarathon „Wehen“ als Raser-Ausrede

Fast überall in Deutschland waren die Polizisten am Donnerstag auf der Straße. Wir haben ein Polizeiteam in Magdeburg begleitet.

22.04.2016, 01:01

Magdeburg l Ruhig nimmt Polizeiobermeister Uwe Heilmann (54) den Audi mit dem Laser ins Visier. Das Gerät piept und zeigt 32 Stundenkilometer an. „Das ist eine 30er-Zone. Alles im grünen Bereich“, sagt Heilmann. Hinter ihm steht sein Kollege, Polizeihauptmeister Kai Neubauer (46). Er trägt eine Warnweste und hat eine Polizeikelle in der Hand. Ist jemand zu schnell, ist er derjenige, der die Fahrer an den Straßenrand winkt.

„Zu den häufigsten Ausreden zählen: ‚Ich muss mal aufs Klo‘ und ‚Das Kind muss schnell in die Schule‘“, sagt Polizist Heilmann. Das sei teilweise kurios. Denn Eltern, die in letzter Sekunde ihre Kinder - am besten bis auf den Schulhof - in die Schule bringen, würden ihrerseits bei Schul- versammlungen mehr Tempokontrollen vor Schulen fordern. Aber es gibt auch Ausreden, die Heilmann akzeptieren würde. Zum Beispiel, wenn eine Geburt kurz bevorsteht. „Das Auto würde ich sogar ins Krankenhaus begleiten“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.

Heilmann und sein Kollege Neubauer stehen am Donnerstag anlässlich des europaweiten Blitzermarathons an der Büchnerstraße in Cracau. Ihnen schauen dabei Schüler der Grundschule „Am Elbdamm“ über die Schultern. Den ganzen Tag werden in Magdeburg an zwölf Stellen Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Erstmalig bekommt die Polizei dabei auch Unterstützung vom Ordnungsamt, das mit seinem mobilen Hightech-Blitzer im Stadtgebiet unterwegs ist. Der Super-Blitzer spielte in den ersten beiden Jahren 1,2 Millionen Euro in die Stadtkasse und übertraf damit alle Erwartungen.

Doch die Polizei ist nicht ganz so streng wie das Ordnungsamt. „In der Stadt muss man schon die Verhältnismäßigkeit wahren“, sagt Heilmann. Heißt konkret: Steht er in einer 30er-Zone, stellt er das Gerät so ein, dass die Autofahrer erst bei 10 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung rausgewunken werden. Beim Ordnungsamt ist bereits ab 4 km/h Überschreitung das Ende der Toleranz erreicht.

Der Blitzermarathon hat einen ernsten Hintergrund. Jeder vierte schwere Verkehrsunfall in Sachsen-Anhalt kann auf überhöhte Geschwindigkeit zurückgeführt werden. Die Zahl der Todesopfer stieg landesweit im vergangenen Jahr von 138 auf 145. „Mit dem Blitzermarathon wollen wir ein Zeichen setzen“, sagt Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Außerdem werde er Ende April die Arbeitsverträge von den ersten 20 Hilfspolizisten unterschreiben. Diese sollen bei der Verkehrsüberwachung helfen. Laut Stahlknecht sollen insgesamt 100 solcher Hilfspolizisten eingestellt werden.

In einer ersten Auswertung am Donnerstagabend heißt es, dass die schnellsten Autofahrer auf dem Magdeburger Ring (96 km/h), der Halberstädter Straße (78 km/h) und der Büchnerstraße (42 km/h) gemessen wurden. Eine Gesamtaufstellung lag bis zum Abend nicht vor. Erstes Zwischenergebnis (Stand: 14 Uhr): 6842 Messungen in Magdeburg und 37 festgestellte Verstöße.