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Corona-Krise Geordneter Rückzug in Magdeburg

Die Appelle wirken: Am Sonnabend, den 21. März 2020, kommt der Betrieb in der Magdeburger Innenstadt fast vollständig zum Erliegen.

Von Katja Tessnow 23.03.2020, 00:01

Magdeburg l Von Stadtpark bis Innenstadt – abseits von Supermärkten oder Bauhöfen kam das gesellschaftliche Leben im öffenlichen Magdeburger Raum am Wochenende (21./22. März 2020) zum Stillstand. Die meisten Magdeburger folgen offenbar der dringenden Aufforderung: Bleib zu Hause! 

 

„Magdeburg braucht keine Ausgangssperre“, sagt Rocco Esposito. Der Gastronom steht am 21. März 2020 an seinem Imbiss im Allee-Center – kaum Betrieb. Esposito kann sich auf ein paar Stammkunden verlassen. Sonst eilen nur vereinzelt Menschen durch die Mall, um wichtige Beschaffungen zu machen: Apotheke, Supermarkt, Drogerie. Mehr geht nicht. Die meisten Magdeburger, das meint Esposito, haben sich am Wochenende ganz von selbst an das gehalten, was sonst droht: Ausgangssperre.

Im Stadtpark herrscht am Nachmittag trotz zeitweise blauen Himmels nur ausgedünnter Spazierbetrieb, keine Ansammlungen, keine Jugendgruppen. Eine Familie lässt am Elbufer einen Drachen steigen. Einzelne – in der Regel zu zweit, manchmal mit Kind – inhalieren frische Luft, ein paar Jogger und Radfahrer. Der sonst prall gefüllte Spielplatz – verwaist. Betretungsverbot, wie auf allen Spielplätzen. Inzwischen macht das überall rot-weißes Flatterband oder gar eine Sperre aus Bauzäunen klar. Während Ordnungsamt und Polizei Tage zuvor regelmäßig Platzverweise aussprechen mussten, ist das am Wochenende nur noch ein Einzelfall. Das „Le Frog“ gibt am 21. März 2020 auf: Schließung bis mindestens 19. April, sagt ein Schild am Eingang. Die Belegschaft räumt die Stühle hoch. Es lohne sich nicht mehr, sagt eine Angestellte, außerdem käme der Schließbefehl so oder so.  Es herrscht Anspannung. Wir sollen keine Fotos machen, herrscht uns ein Mitarbeiter an. Endzeitstimmung. Die Angestellte behält recht. Am 22. März 2020 beschließen Bundesregierung und Länderchefs: Alle Gaststätten schließen.

Am Domfelsen hat der Bäcker geöffnet, aber nicht mehr das Restaurant – wenige Menschen unterwegs. Der Mückenwirt ist geschlossen, das Eiscafé Bortscheller – eine Buckauer Instanz – hält die Stellung, auf drei Tische reduziert, Abstand!

Auf das Abstandsgebot achten zwischenzeitlich auch immer mehr Supermärkte und Drogerien. Bei „dm“ in der Innenstadt (wieder kein Toilettenpapier) ist der ganze Laden mit Klebeband im Zwei-Meter-Abstand durchzogen, auf dass sich Kunden nicht zu nahe kommen. Die Kassiererinnen haben Kisten als Abstandshalter vor die Tresen gesetzt bekommen, bei Rewe am Kümmelsberg arbeiten sie mit Masken. Geld bitte ablegen, nicht in die Hand reichen. Immer mehr Verkäuferinnen dürfen hinter flexibel aufgehängten Glaswänden arbeiten. Schutzschilder sind allgegenwärtig und erinnern den Kunden an die Brisanz der Lage. Wo Abstandshalter fehlen, fordern viele Kunden selbst energisch Abstand ein.

Eine Ausnahme machen am 21. März 2020 neben gut besuchten Supermärkten die Werkstoffhöfe. Vor dem Ottersleber Hof staut sich zeitweise eine mehrere Hundert Meter lange Autoschlange. Heimarbeit mit Abfall ersetzt Ausflüge, die aktuell nicht angeraten sind.

Die Innenstadt ist dagegen spärlich besucht. Wer hier noch offen hat, muss es dranschreiben. „Wir haben offen“, prangt es in großen Lettern überm „Flair“, dem ansonsten stets gut besuchten Restaurant am Breiten Weg. Draußen sind alle Stühle leer, drinnen wenige besetzt. „Wir haben zwar kein Klopapier, dafür aber die schönen Dinge des Lebens“, lädt die Aufschrift auf einem Aufsteller vor dem Spirituosen- und Tabakgeschäft in der Hartstraße mit Augenzwinkern ein; ringsum geschäftlicher Stillstand.

Die Magdeburger haben am Wochenende schon sehr weitgehend den geordneten Rückzug ins Private angetreten.